Das Gasthaus Thanner - von der Mühle zum Wirtshaus
von Claudia Heigl
Das untere Steinacher Wirtshaus oder noch besser als „Thanner-Wirtshaus“ bekannt, gehört zu den ältesten Anwesen im Dorf und war ursprünglich der Standort der Hofmarksmühle.
Das Gasthauses Thanner
Bild: Claudia Heigl, aufgenommen im Mai 2022
Die Mühle in Steinach
1549 errichtete die Witwe Anna von der Wart aus den Bruchsteinen der alten Burg das heutige Schloss Steinach. Dabei erbaut sie auch die Tafern und die Mühle neu1. Der Bau dürfte eine alte bereits bestehende Mühle ersetzt haben.
Sie war die einzige Mühle der Steinacher Hofmarksherren, bei denen alle Hofmarksuntertanen ihr Getreide verarbeiten lassen mussten.
Am Fuße der alten Burg lag sie direkt am Steinachbach, neben dem Hofwirt (Hs.Nr. 24). Die Wassermenge des Zulaufes konnte durch einen Schieber beim Mühlgraben vom Mühlweiher und dem dahinter liegenden Schanzlweiher reguliert werden.
Uraufnahme aus dem Jahr 1827
Quelle: Bay. Vermessungsverwaltung München, Bayernatlas
Erst ca. 1936 wurde der Steinachbach, im Rahmen der großen Meliorationsarbeiten in und rund um Steinach, begradigt
und sein Verlauf im Dorf in das heute verlaufende Bachbett verändert.
Das Anwesen hatte die alte Hs.Nr. 21
Rechts die Überlagerung der Uraufnahme von 1827 mit der der heutigen Bebauung. Der Bach fließt heute weiter westlich vom Haus vorbei.
Quelle: Bay. Vermessungsverwaltung München, Bayernatlas
Im Stiftregister von 15832 werden in Steinach eine Mühle und Backstatt verzeichnet, die ein Blasius Scheibenkrug auf Freistift vom Schlossherrn Wiguläus Hundt verliehen bekommen hat. Freistift ist in etwa vergleichbar mit dem heutigen Pachtverhältnis.
Neben der Mühle lag auf dem Anwesen auch die Bäckergerechtigkeit. So hatte Steinach zwei Bäckereien – die obere Backstatt (heute Röckl) und die untere mit der Mühle.
16233 haben der Bäcker Martin Thalmayer und seine Ehefrau Magdalena lebenslanges Leibrecht auf der Mühle. D.h. sie können so lange sie Leben auf der Mühle bleiben, jedoch das Nutzungsrecht nicht auf ihre Kinder vererben. Zusätzlich zu der Stiftzahlung in Höhe von 3 Gulden 2 Schilling 15 Reg. Pfennige müssen sie an jedem der vier hohen Feste eine Semmel der Steinacher Schlossherrschaft abliefern oder als Ersatz 1 Schilling 12 Reg. Pfg. zahlen. Ggf. ist dieser Martin ein Sohn des Bäckers Stefan Talmaier, der 1583 auf der oberen Backstatt in Steinach gewirtschaftet hat.
Im November 1633 überfallen die schwedischen Soldaten das Kloster Oberalteich und hausen dort bis April 1634. Bei ihren Plünderungszügen kommen sie auch nach Steinach. Während die benachbarte Bruckmühle vollkommen verbrannt wird, dürfte die Steinacher Mühle relativ unbeschadet geblieben sein.
Was aber mit der Müllersfamilie geschieht, lässt sich nicht nachvollziehen, denn 1635 wird ein Michael Greimuth als Müller in Steinach genannt4, als er die Schusterswitwe Margaretha Sparmair heiratet. Er bleibt jedoch nicht lange und 1642 ist Greimuth als Metzger in Münster anzutreffen.
1639 stirbt die Müllersehefrau Salome Freidenhofer in Steinach. Der Müller Wolfgang Freidenhofer vermählt sich erneut und 1640 und 1642 werden zwei Kinder von ihm in Steinach getauft. Bei dem zweiten Überfall der Schweden 1641 wird zwar der Amtmann Paul Kumpfmüller erschossen, aber auch hier dürfte der Überfall für die Müllersfamilie glimpflich ausgegangen sein. In dem neu angelegten Stiftregister ist verzeichnet, dass Wolf Freidenhofer „Leibrecht auf seines gestorbenen Weibs Leib“ auf die Mühle und Backstatt hat.
1645 und Februar 1647 wird schließlich ein Christoph Mahl als Müller und Bäcker in den Kirchenbüchern verzeichnet.
Als jedoch im Juli 1647 die Schweden ein drittes Mal nach Steinach kommen, wüten sie stärker. 62 Reiter plündern das Schloss und erschießen den Hofmarksrichter Albert Dietlmayer5. Auch von der Müllersfamilie Mahl findet sich danach keine Spur mehr.
Ob die Mühle in Mitleidenschaft gezogen wurde, lässt sich nirgends feststellen, ist aber sehr wahrscheinlich. Die Mühlen sind strategische Ziele für die schwedischen Kriegsherren. Um den bayerischen Kurfürsten finanziell zu schaden, versuchen sie die bayerische Bevölkerung zu schwächen. Ohne Mühlen kann das Getreide nicht verarbeitet werden und die Lebensmittelversorgung wird problematisch. Bei diesem dritten Überfall wurde auch die Wolferszeller Mühle verwüstet.
1652 wird mit Ägid Riederer wieder ein Bäcker und Müller in Steinach genannt. Ob er jedoch wirklich die Mühle betrieben hat oder nur das Bäckereigewerbe des alten Mühlenanwesens ausübt, ist schwer festzustellen. Denn nur 1652, bei der Taufe der Tochter Anna, und 1656 beim Tod seiner ersten Ehefrau, wird er als Müller und Bäcker bezeichnet, bei allen späteren Einträgen ist er nur als Bäcker geführt. Als er 1690 stirbt, wird er auch nur als Bäcker bezeichnet. Höchstwahrscheinlich war die Mühle seit dem Überfall von 1647 nicht mehr in Betrieb.
Ihm folgt ein Bernhard Foidl nach. 16996 wird die „schlechte Bäckstatt mit dem Millerrecht“ mit einem Wert von 10 Pfund Reg. Pfg. angesetzt. Hier dürfte es sich jedoch nur um das „Mühlrecht“ und die Bäckerei gehandelt haben und nicht um eine voll funktionsfähige Mühle. Die Bäckerei neben der Kirche im oberen Dorf wurde im Vergleich mit 25 Pfund Reg. Pfg. bewertet.
Im gleichen Jahr geht der Bäcker Bernhard Foidl „wegen der großen Schuldenlast“ heimlich fort und lässt die „Bäckenstatt öd liegen“.
Ab diesem Zeitpunkt ist von einer Mühle oder einem Mühlenrecht in Steinach nichts mehr urkundlich erwähnt. Nur in den Kataster finden wir 1838 als Flurnamen noch den „Mühlweiher“ oder „Mühlgraben“.
Das spätere Häusleranwesen Hs.Nr. 19 (Wittelsbacher Str. 3) könnte Teil des Mühlenanwesens gewesen sein.
Die Bäcker auf der unteren Backstatt
1717 heiratet der Bäckerssohn Johann Riederer von Atzenzell in Steinach die Bauerstochter Anna Schindlbeck aus der Pfarrei Obertraubenbach und macht sich als Bäcker wieder im unteren Dorf ansässig.
Etwa 1742 erwirbt der Steinacher Bauer Lorenz Schweikl die Bäckerei und übt auch das Bäckergewerbe aus. Er war vorher auf dem „Wastlbauerngut“ Hs.Nr. 29 (Götzstr. 9) ansässig.
1758 übergibt er die Bäckerei an seine Tochter Maria, die sich mit dem Söldnerssohn Nikolaus Habrunner aus Unterzeitldorn vermählt. Das Bäckeranwesen geht weiter an eine Tochter aus zweiter Ehe, Anna Maria Habrunner, die sich mit einem Johann Hofreiter vermählt. Fortan wird das Anwesen als „Hofreiter-Häusl oder Hofreiter-Sölde“ bezeichnet.
Fünf Monate vor seinem Tod, übergibt Johann Hofreiter 1824 seiner Tochter Katharina das „1/32 Hofreiter Häusl“. Ein Jahr später heiratet sie den Schmiedsohn Joseph Katzendobler von Haggn bei Neukichen. Da in Steinach bereits eine Schmiedstätte vorhanden ist, verkauft das junge Ehepaar 1826 das Gütl in Steinach an Jakob Sommer von Oberwinkling und Joseph Katzendobler macht sich in Oberwinkling als Schmied ansässig.
Sommer kommt in finanzielle Schwierigkeiten und fängt 1831 an einige Äcker an Steinacher Bauern zu verkaufen. 1835 wird das Anwesen schließlich versteigert und der Brothändler Michael Seidenberger kauft das Häusleranwesen um 800 Gulden.
1843, acht Jahre später, verkauft er die Hofreiter Sölde um 1.400 Gulden an Johann Sagstetter.
Die nächsten 35 Jahre folgen diverse Besitzer:
1845: Wolfgang Lehner tauscht gegen das Anwesen Nr. 15 in Zeitldorn.
Juli 1858: Wolfgang Schmidbauer erwirbt das Anwesen um 1.650 Gulden.
September 1858: Katharina Schuster kauft das Anwesen um 1.905 Gulden.
1869: Michael Pfreundtner kauft das Anwesen mit 4,4 Tagwerk Grund um 2.650 Gulden
1872: Ferdinand und Therese Knott kaufen das Anwesen mit 6 Tagwerk Grund um 4.600 Gulden
1878: Der Steinacher Rupert Bemmerl, der auch mit Immobilien handelt, erwirbt das nun 12 Tagwerk große Anwesen um 10.625 Mark und verkleinert es wieder.
Das untere Wirtshaus in Steinach
Schließlich erwirbt 1879 um 5.057 Mark der Steinacher Schlossherr Eduard Freiherr von Berchem-Königsfeld das Haus mit 4,13 Tagwerk Grundbesitz.
Der Baron besitzt bereits Wirtshäuser in Münster (Grüner Kranz), Mitterfels und Straubing (heute Wenisch) und richtet in dem Haus ebenfalls eine Wirtschaft ein, als Konkurrenz zum Wirtshaus im oberen Dorf. Alle seine Gaststätten beziehen das Bier von der eigenen Steinacher Schlossbrauerei.
Als Pächter findet er den 20jährigen Wirtssohn Ludwig Loichinger von Wolferszell, der sich 1885 mit der Söldnerstochter Franziska Simmel von Geraszell verheiratet.
Loichinger betreibt auch den Sommerkeller am Kellerberg und schenkt dort das freiherrliche Bier aus. Der Keller gehört ebenfalls Eduard von Berchem und wird als Bierlager benutzt. 1896 baut der Gutsherr das Wirtshaus, etwas vor dem alten Haus, mit Stall, Stadel und Schupfe komplett neu.
1899 kauft Dr. Carl Lang-Puchhof das Schloss Steinach mit dem Gutsbetrieb, zu dem auch die vier Wirtshäuser gehören. Da der neue Gutsherr die Schlossbrauerei aufgibt, kann er auch mit den Wirtshäusern nichts mehr anfangen und veräußert sie an die Bierbrauerseheleute Ludwig und Carolina Neumaier von Straubing.
Die neuen Eigentümer bauen das Steinacher Gasthaus sofort erneut komplett um.
Es wird danach wie folgt beschrieben: zweistöckiges Wohnhaus mit Wirtschafslokalitäten, Waschhaus mit Speise und Holzlager, Schweinestall, Stadel mit Stall und Eiskeller und Kartoffelgewölbe.
Das Gasthaus um 1901.
Über der Tür wurde die Inschrift „Ausschank der Brauerei Ludwig Neumaier, Straubing“ angebracht.
Bei der Planung des Neuen Schlosses Steinach im Jahre 1904 wurde die Türschwelle des Gasthaus Thanner als Nullpunkt definiert. Alle Höhenlinien des Bauplanes beziehen sich auf diesen Punkt.
Quelle: Auszug aus einer Ansichtskarte, gelaufen 1902
Im März 1900 kommt es zu einem Unfall, an den Folgen der 40jährige Wirtspächter Ludwig Loichinger stirbt. Er hinterlässt vier Kinder im Alter von 2 bis 14 Jahren und eine schwangere Ehefrau. Die 35jährige Witwe muss sich mit ihren Kindern ein neues Zuhause suchen. 1903 erwirbt sie einen Bauplatz in Steinach und errichtet hierauf ein Haus (Hs.Nr. 17 1/3).
Nach dem Tod von Ludwig Loichinger pachten 1900 Josef und Karolina Thanner das renovierte Gasthaus und betreiben im Sommer ebenfalls das Kellerhaus am Kellerberg.
Josef ist seit 1890 mit der Söldnerstochter Karolina Gmeinwieser von Irrn verheiratet und war vorher als Hausmeister in Straubing tätig. Er stammt aus dem Thanner-Hof in Steinach Hs.Nr. 12 (heute Fellinger-Hof).
Am 31. Mai 1910 haben sie die Ehre, den Bayerischen Prinzregenten Prinz Ludwig von Bayern (dem späteren König Ludwig III.) bei seinem Besuch in Steinach im Sommerkeller zu bewirten. Noch im gleichen Jahr, am 16.06.1910, können sie das Gasthaus mit 18 Tagwerk Grund von den Straubinger Bierbrauerseheleuten erwerben.
Um 1920 wurde das Haus um einen zweiten Giebel erweitert.
Quelle: Auszug aus einer Ansichtskarte
Gegenüber dem Wirtshaus stand der Wirtsstadel mit der Kegelbahn. Daneben lag ein Biergarten mit Kastanienbäumen.
Der Wirtsstadel mit der Kegelbahn 1926 bei einem Hochwasser.
Ende der 1980er Jahren wurde der Stadel abgerissen und ein Haus errichtet (ehem. Sparkasse).
Dem Neubau fiel auch der Biergarten mit den alten Kastanienbäumen zum Opfer.
Quelle: Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Nachlass Ludwig Niggl
1921 übergeben sie das Wirtsanwesen an ihren Sohn Max, der die Bauerstochter Rosina Rothamer von Rotham zur Ehefrau nimmt.
Max Thanner sen. und Ehefrau Rosina
Das Wirtshaus erhält den Namen „Gasthof zum grünen See Besitzer Max Thanner“. Benannt nach dem Dorfweiher, der schräg gegenüber dem Haus liegt.
Hochzeitsgesellschaft des Brautpaares Josef Fischer und Franziska geb. Hahn am 23.09.1930
vor dem Gasthof mit der Wirtin Rosina Thanner (mit weißer Schürze)
Bild: Familie Fellinger, Steinach
Vorne deutlich sichtbar der Dorfweiher, fotografiert vom Alten Schloss Steinach.
Dahinter die Anwesen Bachl, Beck und Sieber.
Im Hintergrund die alte Windmühle mit dem Kellerhaus und das Neue Schloss Steinach.
Quelle: Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Nachlass Ludwig Niggl
Der Weiher wird ca. 1950 zugefüllt, da seine Funktion als Lösch- und Eisweiher nicht mehr benötigt wird.
Olav Aristov, Alois Klein, Xaver Engl und ein unbekannter junger Mann beim Zufüllen des Weihers
Bild: Theresa Rosa, Addison, USA
Das Gasthaus Thanner ist die Wiege und Heimat vieler Dorfvereine:
- Am 23. Mai 1947 findet im Gasthaus die Gründungsversammlung des Allgemeinen Sportverein Steinach e.V. (ASV Steinach) statt. Bis zum Bau der provisorischen Umkleidekabinen 1973 mussten die Fußballer von hier aus zum 200 m entfernten alten Sportplatz (heute Pründeweg) gehen und sich anschließend im Gasthaus notdürftig waschen und umkleiden.
- Die Vorwaldschützen Steinach e.V. gründen ihren Verein 1966 in diesem Haus und richten, bis zum Neubau des Sportzentrums 1979, ihren Schießstand hier ein. Viele Vereinsfeste finden in dem Gasthaus statt.
- Als das Krone-Wirtshaus 1976 geschlossen wird, zieht die FFW Steinach-Agendorf von ihrem alten Vereinslokal ins Thanner-Wirtshaus um.
Das Gasthaus übernimmt Sohn Max Thanner, der ledig bleibt.
Max Thanner jun. (1925-1998)
1991 übergibt Max Thanner seiner Nichte Ilse und ihrem Ehemann Peter Tschirge das „Thanner-Wirtshaus“. 1994 eröffnen sie wieder einen schönen idyllischen Biergarten hinter dem Haus.
Das Gasthaus ist bis heute bei seinen Stammgästen sehr beliebt.
1 Schlicht J., Steinach – Ein niederbayerisches Geschichtsbild, veröffentlicht am 10.10.1881 in der Straubinger Unterhaltunsbeilage Nr. 41
2 Schlicht J., Die Geschichte von Steinach, 1908, Stift-, Kasten- und Salbuch über Schloß und Hofmark Steinach, S.96
3 Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Stift- und dienstbare Untertanen und Güter der Hofmark Steinach 1623
4 Bischöfl. Zentralarchiv Regensburg, Pfarrakten Steinach P7
5 Bischöfl. Zentralarchiv Regensburg, Matrikel Pfarrei Steinach, Bd. 11, S. 36 „06.07.1647: Da die Reiter das Schloß alhier bei 62 ausblindert haben, ist Herr Albert Dietlmayer Richter, unter dem Thor erschossen worden und herrnach den 8. begraben.
6 Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Landsteuer der Hofmark Steianch 1699
Weitere Quellen:
Vermessungsamt Straubing, Liquidationsprotokoll der Steuergemeinde Steinach von 1838
StA Landshut, Umschreibehefte zum Grundsteuerkataster Steinach 1843 - 1960, Bd. 17-42/4, 17-42/7, 17-42/11
BZAR, Pfarrmatrikel Steinach
Stand: 29.06.2022