Die Kramerei Altschäffel in Hs.Nr. 44 1/2
(August-Schmieder-Str. 32)
von Claudia Heigl
Bis 1871 betrieben vier Generationen der Familie Wurst auf dem Anwesen Nr. 44 (heute August-Schmieder-Str. 30 und 31) eine Wagnerei. Als Joseph Wurst 1871 mit 47 Jahren stirbt, war sein ältester Sohn Joseph erst 14 ½ Jahre alt. Die Witwe Katharina mit ihren vier kleinen Kindern (Joseph 14 ½ Jahre, Andreas 11 Jahre, Katharina 5 Jahre und Anna Maria 1 Jahr) konnte die Wagnerei alleine nicht weiterbetreiben und veräußerte 1873 den Besitz an den Wagner Joseph Köppl von Ascha, der ca. 1877 neben dem Wohnhaus noch zusätzliche ein Ausnahmhaus mit der Haus Nr. 44 ½ errichtete.
1879 erwirbt Katharina Wurst das kleine Haus mit 220 qm Grund und richtet hier eine Kramerei ein, um für den Unterhalt der Familie zu sorgen.
1889 übergibt sie das Haus an ihren Sohn Andreas, der noch Wiesen und Felder dazu erwirbt. (Ihr ältester Sohn Joseph Wurst erlernte das Wagner-Handwerk und macht sich ein paar Häuser weiter sesshaft (heute Schreinerei Laumer-Bierl), nachdem er 1886 die Häuslerstochter Katharina Raith heiratete.)
Die Uraufnahme von 1827 überlappt mit der topographischen Karte von 2020
Quelle: Bay. Vermessungsverwaltung München, Bayernatlas
Am 20.08.1897 kauft Josef Altschäffel von Wolferszell Nr. 4 das Kramer-Anwesen Nr. 44 ½ und heiratet die Steinacher Lehrerstochter Anna Schmid. Um mehr Platz zu haben, erwirbt 1898 das Ehepaar noch das Nachbaranwesen Hs.Nr. 46 mit einem großen Garten von Ferdinand Haseneder. 1904 bricht Joseph Altschäffel das alte Wohnhaus der Haseneder‘s ab und errichtet ein Waschhaus und einen Stall. Zugleich baut Altschäffel’s Schwester Maria Gössl und ihr Ehemann Otto ein Wohnhaus auf dem Grundstück und kaufen dafür ca. 550 qm Grund von den Altschäffel’s ab. Beide hatten 1904 das Krone-Wirtshaus in Steinach verkauft und betrieben in dem neuen Haus die bisherige Poststelle weiter.
von links: das ehemalige Wagner-Anwesen Hs.Nr. 44, die Handlung von Altschäffel Nr. 44 1/2, das neue Gössl-Haus Nr. 46
Quelle: Auszug aus einer Ansichtskarte, gelaufen 1907
von links: Schloss Steinach, Bugl-Handlung (Nr. 40), Bugl-Wirtshaus (Nr. 42, später Urmann), ehem. Wagnerei Hs.Nr. 44 (später Scherm-Haus), Handlung Altschäffel
Quelle: Auszug aus einer Ansichtskarte, gelaufen 1920
das ehemalige Wagner-Anwesen und die Handlung Altschäffel am 25.06.1922
(50 jähriges Gründungsfest der Freiw. Feuerwehr Steinach)
Quelle: Nachlass Ludwig Niggl
Altschäffel Josef und Anna, geb. Schmid mit ihren Kindern Josef, Maria, Kreszenz und Anna
aufgenommen ca. 1906
Quelle: Familie Altschäffel
Das Haus der Familie Altschäffel wird immer wieder umgebaut und erweitert.
Quelle: Auszug aus einer Ansichtskarte, gelaufen 1915 (Hist. Verein Straubing Nr. 171)
Die Handlung Altschäffel ca. 1933
Quelle: Familie Ebenbeck, Steinach
aufgenommen Fronleichnam ca. 1935
Quelle: Thomas Grundler, aus dem Album seiner Mutter Ilse Grundler
1937 übergeben Joseph und Anna das Anwesen an ihren Sohn Joseph jun. und dessen Ehefrau Rosina. Nach der Heirat führte das Ehepaar zusammen das Geschäft mit der Landwirtschaft. Doch das Glück währt nicht lange - 1940 wird Joseph Altschäffel jun. eingezogen und kommt erst 1949 aus russischer Gefangenschaft in Sibirien zurück.
Josef Altschäffel jun. ist ein Kaufmann mit Herzblut. Bei ihm erhält man alles, was man für das tägliche Leben braucht. Sein Sortiment umfasst frische Lebensmittel bzw. Kolonialwaren und Produkte des täglichen Bedarfs (Haushaltswaren, Schreibwaren, Kurzwaren usw.), aber auch Werkzeuge, Nägel etc. Was es nicht in seinem Laden gibt, besorgt er umgehend, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist. Nachmittags, spätestens aber am nächsten Tag, hat er die gewünschte Ware aus der Stadt parat. Zu Weihnachten erhalten Stammkunden als Geschenk ein Stück Schweinefleisch vom eigens geschlachteten Schwein. Im Laufe der Zeit bildete das Ehepaar einige Lehrlinge als Einzelhandelsleute aus.
Josef jun. und Rosina Altschäffel in ihrem Laden mit dem Lehrmädchen Lankes von Agendorf ca. 1955
Quelle: Familie Altschäffel
Der Laden wurde nochmals etwas erweitert.
aufgenommen 1956
Quelle: Archiv für Heimatgeschichte
Nach dem Tod von Joseph Altschäffel führt seine rüstige Witwe das Geschäft bis ins hohe Alter weiter. Zuletzt kaufen vor allem die Nachbarn noch Zigaretten und andere Kleinigkeiten von ihr. Ab ca. 1988 bis 2004 ist die Poststelle in dem Haus untergebracht. Seit Mai 1994 beherbergt der ehemalige Laden eine Fahrschule.
aufgenommen Fronleichnam 2018
Quelle: Claudia Heigl
Quellen:
mündliche Mitteilung der Familie Altschäffel
StA Landshut, Grundsteuerkataster Steinach 17/42-7 und 17/42-11, Umschreibehefte zum Grundsteuerkataster 1859-1893 und 1893-1960
Alle Personendaten wurden aus dem Pfarrmatrikel von Steinach entnommen.