Der Schmied in Münster
von Claudia Heigl
In jedem größeren Dorf ist eine Schmiedwerkstatt anzutreffen, so auch in Münster.
Die Hufe der Zugtiere mussten beschlagen werden und auch die Wagen und die landwirtschaftlichen Geräte brauchten laufend eine Reparatur, die nur er mit seinem Werkzeug ausführen konnte.
In Münster war die Schmiedwerkstätte direkt im Dorf, in unmittelbarer Nähe zum Wirtshaus und Kirche.
Die Schmiede hatte die alte Hausnummer 15 (1890 bekam das Anwesen die Hs.Nr. 21)
Uraufnahme aus dem Jahr 1827
Quelle: Bay. Vermessungsverwaltung München, Bayernatlas
Als erster Schmied ist 1641 ein Anton Grüneisen namentlich bekannt. Das Gewerbe dürfte jedoch schon vorher in Münster vorhanden sein.
Die Kirchenbücher von Münster beginnen erst 1641 und auch die sonstigen schriftlichen älteren Quellen des Kollegiatstiftes St. Jakob und St. Tiburtius sind nur noch sehr lückenhaft vorhanden.
Das Kollegiatstift, seit 1581 in Straubing ansässig, war der Grundherr der Anwesen in Münster und vergab auch die Gewerbegerechtigkeiten im Dorf.
Anton Grüneisen hatte auf der Schmidtstatt das Leibrecht, während er auf das Wohnhaus das Erbrecht besaß. D.h. er konnte das Haus vererben. Das Recht zur Ausübung des Schmiedgewerbes war jedoch an seine Person gebunden und musste nach seinem Ableben erneut vom Kollegiatstift erkauft werden.
Die alte Schmiedwerkstätte in der Chorherrenstraße 6. Links daneben befindet sich das Wohnhaus.
aufgenommen im November 2020
Bild: Claudia Heigl
Grüneisen - ein alter Schmiedname
Anton Grüneisen ist der Sohn des Wolferszeller Schmieds Michael Grüneisen. Sein Bruder Sebastian Grieneisen ist Schmied in Steinach.
Die alte Schreibweise des Namens ist Grieneisen oder auch Krieneisen und verändert sich erst später in Grüneisl. Grieneisen/Krieneisen ist ein alter Schmiedname. Krinnen bedeutet so viel wie kerben, einschneiden1.
Anton ist dreimal verheiratet:
In erster Ehe mit Anna kommen drei Kinder in Münster zur Welt:
- Die Zwillingsbuben Balthasar und Kaspar am 05.01.1641
- Anna (*09.06.1642) heiratet 1666 in Münster den Schuster Georg Weinzierl
In zweiter Ehe mit der Baderswitwe Barbara Scheffner von Münster kommt Sohn Johann zur Welt.
Anton Grüneisen dürfte es zu einigem Wohlstand gebracht haben. 1666 verkauft er seiner Tochter Anna und der Ehemann Georg Weinzierl eine Erbrechtsbehausung samt Stadl, Garten und Acker in Münster (alte Hs.Nr. 39, heute Schiedermeierplatz 4) um 80 Gulden2.
Das Schmiedanwesen übergibt er im gleichen Jahr an seinen Sohn Johann Grieneisen. Er selbst zieht nach Kößnach.
Nach der Übergabe heiratet der Witwer die Schmiedstochter Maria Bauer von Mötzing.
Aus dieser dritten Ehe sind nochmals zwei Kinder bekannt:
- Magdalena (1668-1749) heiratet 1685 Martin Permer und übernimmt die Schmiede in Münster von ihrem Halbbruder Johann
- Michael übernimmt die Schmiede in Kößnach und heiratet 1692 Sabine Graf von Kößnach.
Johann Grieneisen übernimmt 1666 die Schmiedwerkstatt von seinem Vater und vermählt sich mit der Bierbrauers- und Wirtstochter Maria Heilingmayer von Kirchroth. Fünf Kinder kommen in Münster zur Welt.
1676 veräußern Johann und Maria Grieneisen ihre Erbrechtsbehausung „zwischen Ruprecht Hainzlsperger und dem Fuxenpaurenhof3“ und das Leibrecht auf der Schmiede, das noch auf den Vater Anton Grieneisen läuft, an Sebastian und Maria Steidl, die vorher eine Schmiede in Pilgramsberg besessen hatten4.
Das Ehepaar Grieneisen übernimmt das Wirtshaus des Vaters bzw. Schwiegervaters in Kirchroth. Fünf weitere Kinder kommen dort nochmals zur Welt. Als Johann Grüneisl im Alter von 36 Jahren stirbt, heiratet die Wirtswitwe Vitus Poiger von Oberzeitldorn.
Sebastian Steidl stirbt am 26.09.1684 und Magdalena Grüneisen, die Tochter aus der dritten Ehe des Anton, erwirbt 1685 mit ihrem Ehemann Martin Permer (auch Bergmaier) aus Münster das Anwesen. Die Witwe des Sebastian Steidl - Maria - dürfte das Wohnrecht im Haus behalten haben. Sie wird am 09.02.1700 im Münster im Alter von 50 Jahren beerdigt.
Als man Martin Permer auch im jungen Alter auf den Friedhof trägt, vermählt sich Magdalena in zweiter Ehe mit Georg Märkl von Oberalteich.
Ihre Tochter Maria Märkl übernimmt mit ihrem Ehemann Simon Landlsperger die Schmiede. Als die 43jährige Maria stirbt, nimmt der Witwer 1745 die 21jährige Katharina Schmucker von Münster zur zweiten Ehefrau. Tragischerweise sterben beide im August 1753 innerhalb einer Woche und hinterlassen vier Kinder: Anna Maria (12) und Walburga (11) aus erster Ehe und Katharina (7) und Bartholomäus (1) aus zweiter Ehe.
Es wird ein Vertrag über das Erbe mit folgendem Inhalt aufgesetzt5:
„Die ältere Tochter Anna Maria erhält die Erbrechtsbehausung, Schmidstattgerechtigkeit und alle anderen Grundstücke.
Die Schwester Walburga erhält 200 Gulden mütterliches und väterliches Erbe und eine Ausfertigung über 45 Gulden. Die Schwester Katharina ein Erbgut von 200 Gulden und das von ihrer Mutter hinterlassene Gewand, Bett, Truhe und Kasten, samt der Bettstatt und eine Ausfertigung über 30 Gulden. Der Bruder Bartholomäus auch 200 Gulden Erbgut. Die Geschwister können bis zum 17. Lebensjahr wohnen bleiben und beim Erreichen des 20. Lebensjahr muss das Erbgut ausbezahlt werden.“
Die älteste Tochter Anna Maria Landlsperger wird bereits mit 16 Jahren die Ehefrau des Joseph Haselbeck von Wörthof. Somit bleibt die Schmiede in der Familie. Als ihr Ehemann 1774 stirbt, heiratet der Schmiedsohn Jakob Brandl von Steinach in die Schmiede ein. Seitdem ist der Name Brandl in Münster auf der Schmiede.
Auf dem Anwesen lag die sogenannte „reale Ehehaftschmidsgerechtsame“. D.h. es durfte nur auf diesem Anwesen das Schmiedgewerbe ausführt werden. Dieses Recht konnte zwar ggf. auch gesondert veräußert werden, hier musste jedoch das Kollegiatstift zustimmen und war auch normalerweise nicht gebräuchlich. Somit war das Schmiedgewerbe eng mit dem Haus verbunden.
Starb z.B. ein Schmied, so war die Witwe gezwungen, wieder einen Ehemann zu nehmen, der ebenfalls dieses Gewerbe ausführte. Genauso war dies der Fall, wenn eine Tochter das Anwesen übernahm. So blieb jahrhundertelang das Gewerbe auf diesem Haus.
Sohn Jakob Brandl folgt seinem Vater 1805 als Schmied nach und ist zweimal verheiratet. Von seinen insgesamt 17 Kindern, erreichen nur sechs das Erwachsenenalter.
Katharina Soller von Krumbach bringt fünf Kinder zur Welt, von denen zwei im Säuglingsalter an Fraisen und Abzehrung sterben. Glücklicherweise überleben die erstgeborenen Zwillinge. Dies ist zu dieser Zeit selten der Fall.
- Michael (*05.04.1806) heiratet 1828 Johanna Sommer von Falkenfels und 1829 Anna Maria Haselbeck von Wörthhof. Er ist von 1828-1836 als Bauer in Münster Nr. 30 (heute Bergstr. 2) ansässig und zieht dann mit seiner Familie weg.
- Jakob (05.04.1806-1860), besuchte die Königlichen Studienanstalt in Straubing und wird am 25.09.1840 als Gerichtshalter des Patrimonalgerichts in Steinburg bestätigt. Er ist am 06.11.1860 in Regensburg gestorben.
- Magdalena (*1815)
Am 28.09.1816 bringt die 36jährige nochmals Zwillingen zur Welt. Einen Tag später stirbt sie an Mutterentzündung. Die beiden kleinen Säuglinge folgen ihr drei Wochen später auf den Friedhof nach.
Seine zweite Ehefrau Eva Färber schenkt ebenfalls nochmals zehn Kindern das Leben. Darunter sind wieder zwei Zwillingsgeburten, von denen jedoch kein Kind älter als zehn Monate wird. Drei weitere Kinder sterben auch im Säuglingsalter, so dass aus dieser Ehe auch nur drei Kinder das Erwachsenenalter erreichen.
- Joseph (*1823)
- Katharina (*1824)
- Franz (1833-1882), übernimmt die elterliche Schmiede in Münster
Der jüngste Sohn Franz nimmt Maria Anna, die Tochter des Münsterer Bauern Simon Weber zur Ehefrau. Sieben Jahre nach dem Tod des Vaters übergibt ihm die Mutter am 14.10.1856 die Schmiedwerkstatt mit 25 Tagwerk Grundbesitz.
Franz Brandl stirbt 1882 mit knapp 50 Jahren. 1886 teilt die Witwe Maria Brandl den Besitz. Ihr ältester Sohn Joseph übernimmt die Schmiede, der jüngere Sohn Franz Xaver (1861-1933) bekommt ebenfalls Grundstücke, erbaut 1887 für seine Familie ein neues Haus (alte Nr. 27 ½, heute Weiherstr. 2) und macht sich dort ansässig.
Joseph ist mit Maria Gabler von Münster verheiratet. Der älteste Sohn Sebastian ist auch wieder Schmied und übernimmt das elterliche Anwesen, die beiden weiteren Söhne Joseph (1894-1978) und Alois (1901-1991) lassen sich ebenfalls in Münster nieder.
Sebastian Brandl vermählt sich 1917 mit Anna Wagner von Münster und übernimmt 1919 das Schmiedanwesen von seinen Eltern..
Sebastian Brandls Gesellenstück waren 1909 eine Leistenhülle und eine Kurbel
Schließlich übernimmt Sohn Ludwig 1955 die Schmiede.
1955 gehörte zum Handwerk des Schmieds noch das Beschlagen der Hufe.
4. von links Ludwig Brandl
Der letzte Schmied in Münster, Ludwig Brandl
aufgenommen 1960
1965 wird die Fassade Schmiedwerkstätte geändert.
Die alte Schmiedwerkstatt
aufgenommen im November 2020
Bild: Claudia Heigl
Mit der Technisierung der Landwirtschaft nimmt auch die Tätigkeit eines Dorfschmiedes mit ab.
Nach acht Generationen, ausgehend von Anton Grüneisen, ist Ludwig der 12. und letzte Schmied der Familie, der in Münster das Handwerk ausübt.
1 Schmeller, Bayerisches Wörterbuch Band 1, 2008, S. 1372
2 BayHStA München, Briefprotokolle Straubing 640 Ib, fol. 16‘ Kaufbrief 1671
3 Fuxpauerhof ist auch eine alte Bezeichnung für den Atzlhof
4 BayHStA München, Briefprotokolle Straubing 640 Ib, fol. 113 Aufrichtung 04.03.1676
5 BayHStA München, Briefprotokolle Straubing 645 II, fol. 281 Vertrags und Übernahmsbrief 25.08.1756
Weitere Quellen:
Bischöfl. Zentralarchiv Regensburg, Pfarrmatrikel Pfaffmünster
BayHStA München, Kurbayern Hofkammer Hofanlagsbuchhaltung 248, Hofmark Münster 1752
StA Landshut, Rentamt Straubing B78, Häuser und Rustikalsteuerkataster Münster incl Steinach 1808
Vermessungsamt Straubing, Liquidationsprotokolle der Steuergemeinde Münster von 1838
StA Landshut, Grundsteuerkataster, Umschreibehefte Münster 17/22-5, 17/22-9, 17/22-14
Bilder. Urkunden und Pläne, soweit nicht anders angegeben: Familie Wolff, Münster
Stand: 24.04.2023