Aus dem Archiv: Doppelmord nach 15 Jahren aufgeklärt

 

von Claudia Heigl

 

Im Januar 1950 erschütterte ein Doppelmord in Moos bei Steinach die Bevölkerung. In unserem Archiv befinden sich zahlreiche Zeitungsartikel zu diesem aufsehenerregenden Fall, der bei älteren Gemeindebürgern noch immer in Erinnerung ist.

Am Sonntag, den 15. Januar 1950 wurden der 60-jährige Landwirt Georg Färber und seine 16-jährige Haushaltshilfe Ottilie Kieninger bei einem nächtlichen Einbruch auf dem Färber-Anwesen in Moos getötet. Während Färbers Ehefrau aufgrund einer Armverletzung im Straubinger Krankenhaus lag, half das Mädchen auf dem Hof aus. Färber wurde beim Öffnen der Tür sofort erschossen, während Ottilie Kieninger sich heftig gegen die Angreifer zur Wehr setzte.

Die Täter erbeuteten lediglich eine Lederbrieftasche mit 70 bis 80 Mark Inhalt, eine braune Geldbörse, eine silberne Taschenuhr, einen Herrenuhrkette in Silber und eine Flasche Wein. Ihr eigentliches Ziel, die Einnahmen aus einem Viehverkauf in Höhe von 625 Mark, die in einer unter einem Schrank versteckten Büchse lagen, entging ihnen.

Die Tat versetzte die gesamte Region in Aufruhr, insbesondere die Bewohner der abgelegenen Höfe lebten in großer Angst. Die Ermittlungen verliefen zunächst im Sande und auch eine erhöhte Belohnung von 1.000 auf 3.000 DM brachte keine nennenswerten Hinweise. Gerüchte kursierten, und ein Unschuldiger wurde jahrelang verdächtigt, weil er zuvor mit Färber im Streit gelegen hatte.

 

 faerber kieninger

Ottilie Kieninger und Georg Färber

 

 

Erst 1964, 14 Jahre nach der Tat, griff Kriminalinspektor Josef Sommer, Leiter der Kriminalaußenstelle in Straubing, den Fall wieder auf. Er war bekannt dafür, ungelöste Verbrechen neu aufzurollen und erfolgreich zu klären. Über zehn Wochen lang untersuchte er zusammen mit Kriminalobermeister Josef Hupf die alten Zeugenaussagen und rekonstruierte den Fall.

Im Winter 1964 zeichnete sich der erste große Erfolg ab. Sommer fand einen Zeugen, der eine wichtige Aussage machen konnte. Der Mann hatte ein Gespräch zwischen zwei betrunkenen Männern in einer Kneipe belauscht, dabei fiel das Wort „Moos“. Sommer konzentrierte sich daraufhin auf die Vergangenheit dieser Männer.

Die Verdächtigen, Ernst St. und Josef A., waren bereits 1950 ins Visier der Ermittlungen geraten, aber ein Alibi von Ernst St. damaliger Lebensgefährtin Zilli N. entlastete ihn. Inzwischen war Zilli N. jedoch mit einem anderen Mann verheiratet und nach erneuter Vernehmung gab sie zu, dass Ernst St. und ihre Ziehtochter Elisabeth D. ihr unmittelbar nach der Tat von dem Mord berichtet hatten. Sie musste zudem die blutbefleckte Kleidung von Ernst St. waschen und sah den gestohlenen Geldbeutel. Da sie von Ernst St. bedroht wurde, gab sie ihm damals ein falsches Alibi.


Der zur Tatzeit 44-jährige Ernst St. war im ehemaligen Westpreußen geboren und als Landarbeiter und Hausschlächter tätig. Nach Kriegsende kam er nach Straubing und lernte Zilli N. kennen, mit der er zusammenlebte. Er war bereits wegen unerlaubten Waffenbesitzes vorbestraft. Außerdem war er wegen versuchter Anstiftung zum Meineid zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt und wegen Nötigung, Unzucht mit Kindern, Volltrunkenheit und Verletzung der Unterhaltspflicht vorbestraft.
Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich u.a. auch durch Hellsehen und Kartenlegen.

Elisabeth D. war bei dem Raubmord 18 Jahre alt. Sie wuchs gleich nach ihrer Geburt bei einer Pflegemutter auf, die auch bei Zilli N. wohnte. Als Elisabeth 16 Jahr alt war, starb ihre Pflegemutter. Da sie nicht zu ihrer Familie zurückwollte, lebte sie weiterhin im Haushalt von Zilli N. und ihrem Lebensgefährten Ernst St. und ging keinerlei Tätigkeit nach. Sie geriet in eine Abhängigkeit zu Ernst St, mit dem sie seit ihrem 16. Lebensjahr ein Verhältnis hatte. Der damals 44-jährige soll das Mädchen bereits diverse Male zu Einbrüchen mitgenommen haben, um Schmiere zustehen.

Ebenso war der zur Tatzeit 33-jährige Josef A. angeklagt, der in der Konzeller Gegend wohnte. Er soll in einem Wirtshaus mitbekommen haben, dass bei Färber „etwas zu holen sei“. In seiner frühesten Jugend war er bereits straffällig geworden und wegen diverser Diebstähle bereits vorbestraft. Seine letzte Strafe betrug drei Jahre Gefängnis.

Kurz vor dem Weihnachtsfest 1964 verhaftete der Kriminalinspektor die drei Personen, die die Beteiligung an der Mordtat vehement bestritten.

Im März 1966 begann in Straubing ein großer Indizienprozess, der dreizehn Verhandlungstage dauerte. Dabei wurde die Tat genauestens rekonstruiert, um die 50 Zeugen vernommen und Gutachter hinzugezogen. Bei der Tatortbegehung in Moos, wo das Haus inzwischen neue Eigentümer hatte und umgebaut worden war, wurden die Angeklagten von der aufgebrachten Dorfbevölkerung aus Steinach heftig beschimpft und bespuckt.

Das Straubinger Tagblatt berichtete damals ausführlich von jedem Verhandlungstag. Im Gegensatz zu heute, wo aus Datenschutzgründen kaum Details über Täter und Tathergang veröffentlicht werden, war die Berichterstattung damals deutlich detaillierter.

Obwohl die Hauptzeugin Zilli N. kurz vor Prozessbeginn am 20. Februar 1966 verstarb, belastete ihre vorherige Aussage die Angeklagten erheblich.

 

haus moos

Das Haus in dem die Tat stattfand wurde 1983 abgebrochen.

 

 

Laut dieser Aussage waren Elisabeth B. und Ernst St. mit Fahrrädern von Straubing nach Moos gekommen und hatten sich dort mit Josef A. im Schwarzhölzl getroffen.
Nach der Rekonstruktion der Tat und Zeugenaussagen hatte die 18-jährge auf Anweisung des Ernst St. dem Landwirt sofort in die Brust geschossen, als dieser verdächtige Geräusche gehört hatte und die Haustür öffnete. Die beiden Männer fügten Färber anschließend mit einem Pistolengriff und einem Messer tödliche Verletzungen zu.

Ottilie Kieninger, die in der Küche schlief und durch den Lärm geweckt wurde, schrie um Hilfe, woraufhin die Männer sie brutal ermordeten, während Elisabeth D. sich die Ohren zuhielt.
Nach der Durchsuchung des Hauses, tranken die Verdächtigen im Schwarzhölzl die gestohlene Flasche Wein, zogen sich um und fuhren nach Hause.
Die Opfer wurden erst drei Tage später von einem Hausierer entdeckt und wiesen Schuss-, Hieb- und Stichverletzungen auf.

Bei dem Prozess kam auch ans Licht, dass Ernst St. und Josef A. bereits 1946 ein Schaf aus dem Stall des Anwesens Scherer bei Wolfsdrüssel geholt hatten und auch bei den Färbers nach dem Krieg ein Schwein gestohlen hatten. Beide Männer kannten daher die Umgebung und das Färber-Anwesen gut.

Vor allem Ernst St. machte sich während des Prozesses laufend über die Aussagen lustig und beschuldigte andere Personen. Vor dem Prozess hatte er bereits versucht, zwei Menschen zu falschen Aussagen zu verleiten, damit diese jemand anderen beschuldigen, wodurch er möglicherweise von der Belohnung für die Ergreifung der Täter profitiert hätte.

Bis zur Urteilsverkündung bestritt jeder der Angeklagten die eigene Beteiligung an der Mordtat und versuchte, die Schuld auf die anderen abzuwälzen.

Schließlich wurde am 25. März 1966 das Urteil gesprochen.  Davor kam es zu tumultartigen Szenen vor dem Gerichtsgebäude, da der Zuschauerandrang riesengroß war.
Die beiden Männer wurden zu lebenslangem Zuchthaus wegen zweifachen gemeinschaftlich begangenen Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub verurteilt. Die bürgerlichen Ehrenrechte wurden ihnen ebenfalls auf Lebenszeit aberkannt. Außerdem hatten sie die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die zur Tatzeit noch jugendliche Elisabeth D. erhielt sieben Jahre Jugendstrafe, wobei die 13-monatige Untersuchungshaft angerechnet wurde. Von den Verfahrenskosten musste sie nur 500 Mark zahlen, da man vermeiden wollte, dass die nach der Verbüßung ihrer Strafe wieder abgleiten und nochmals straffällig werden könnte. Außerdem bestand die Möglichkeit, ein Drittel der Jugendstrafe erlassen zu bekommen.
Strafmildernd kam hinzu, dass die junge Frau nach der Tat eine Beschäftigung aufgenommen, geheiratet und Mutter eines Kindes geworden war.

 

gericht

Im und vor dem Gerichtsgebäude versammelte sich eine große Menschenmenge.

 

 

Alle drei Verurteilten legten Revision ein, doch nur die von Josef A. wurde zugelassen.
Im Dezember 1967 wurde der Prozess von dem Schwurgericht Deggendorf erneut aufgerollt.

Nach einer erneuten Tatortbesichtigung und weiteren Zeugenaussagen wurde Josef A. von der Anklage des Mordes und schweren Raubes freigesprochen und seine Haft aufgehoben.

Da Elisabeth D., obwohl sie bereits rechtskräftig verurteilt war, nach einer vierstündigen Befragung im Zeugenstand bei ihrer Aussage blieb, nicht an der Tat beteiligt gewesen zu sein, zweifelte man auch den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage an, mit der sie Josef A. belastet hatte.

Der Landgerichtsdirektor betonte bei der Urteilsverkündung, dass bei einem Schwurgericht eine Stimmenmehrheit von sechs Stimmen erforderlich sei. Schon bei geringsten Zweifeln an der Stichhaltigkeit der Beweise sei es besser, einen möglicherweise Schuldigen freizusprechen, als einen Unschuldigen zu verurteilen – also im Zweifel für den Angeklagten.

Der Mordfall beschäftigte die Dorfgemeinschaft noch lange Jahre. Besonders die Familien der Opfer litten noch Jahrzehnte unter den Ereignissen.

 

 

 

 

Quelle:
Mündliche Aussagen
Straubinger Tagblatt 1950,1964,1966 und 1967