Der Kellerberg
von Claudia Heigl
Der Steinacher „Kellerberg“ – nach ihm ist auch die dortige Siedlung benannt – hat seinen Namen von dem weitläufigem Bierkeller im Berginneren, der zur einstigen Schlossbrauerei Steinach gehörte. Der Quarzhügel südwestlich von Steinach hat eine lange bewegte Geschichte.
Weinberg
Lt. der alten Flurbezeichnung im Liquidationsprotokoll der Steuergemeinde Steinach aus dem Jahr 1838 war am Nordhang des Berges früher ein Weinberg, der zum Schlossgut von Steinach gehörte. Die dortige Straßenbezeichnung "Am Weingarten" erinnert noch heute daran.
Weinberge wurden bereits 1398 in der ältesten bekannten Kaufurkunde des Alten Schloss Steinach erwähnt. Im Stiftsregister aus dem Jahr 1623 wird aufgeführt, dass Margaretha Weber, die Witwe des Weinzierls Wolf Weber, keine Stift zahlen muss, da sie die „Weingartt Arbeit auf den 24 Tagwerk Weinberg“ verrichtet.
1646 wird ein Kind des Andreas Schmidt, Weinzierl in Steinach getauft. Das ist die letzte Aufzeichnung, in der ein Weinzierl in Steinach erwähnt wird.
Ursache hierfür könnte höchstwahrscheinlich der dritte und verheerendste Überfall des Schwedenheeres gewesen sein. Von Juli bis September 1647 plünderten und verwüsteten die Schweden die gesamte Gegend und das Dorf. Sie stahlen oder vernichteten die kompletten Ernteerträge mit dem Ziel das bayerische Land zu ruinieren. Mit Sicherheit zerstörten sie auch die Weinberge, die danach nicht mehr angepflanzt wurden, da das Bier als Getränk sich beim Volk einer immer mehr wachsenden Beliebtheit erfreute. Der größte Teil der damaligen alten Steinacher Familien sind nach dieser Zeit in den Aufzeichnungen auch nicht mehr vorhanden.
In der Karte von 1827 ist auf dem Berggrundstück, das ein Teil dieser Weinberge war, nur noch Gebüsch eingezeichnet.
Eine aktuelle Karte überlagert mit einem Ausschnitt aus der Karte von 1827.
Nummer 1 gehörte zum Schlossgut und zeigt die Lage des ursprünglichen Weinberges.
Quelle: Bayernaltas, Bayerisches Vermessungsamt München
Holländische Turm-Windmühle
Um 1850 ließ der als Holland-Freund geltende Steinacher Schlossgutsbesitzer Eduard Freiherr von Berchem-Königsfeld eine Turm-Windmühle nach holländischem Vorbild auf dem Hügel erbauen. Im Gegensatz zur deutschen Bockwindmühle ist bei einer holländischen Turm-Windmühle nur das als Kappe ausgeführte Dach drehbar. Die Drehung wird mit Hilfe eines eisernen Räderkranzes, auf welchem die Kappe aufsitzt, möglich. Durch Getriebe wurden die Mühlsteine und die Hilfseinrichtungen in Gang gesetzt. Der konische Rundturm hat im Erdgeschoß einen Innendurchmesser von 7 Metern, die Mauerstärke beträgt am Turmfuß 1,20 Meter.
Dieser Mühlentyp war untypisch für unsere Gegend, in der Wassermühlen dominierten. Anscheinend brachte die Mühle nicht den gewünschten Ertrag, denn der Schlossbenefiziat Josef Schlicht schreibt: „Gekauft und zum Berchemschen Gut geschlagen sind: ... 1868 das Mühlanwesen zu Wolferszell um 8.000 Gulden und umgebaut zur jetzigen herrschaftlichen Kunstmühle, nachdem der Betrieb einer Windmühle an den örtlichen Windströmungen fehlgeschlagen.“
Und der Steinacher Pfarrer Josef Aschenbrenner schreibt in seiner Chronik: „Die Windmühle war um das Jahr 1860 herum noch in Betrieb. Ein Kind des Müllers wurde eines Tages von der Transmisse erfasst und zerdrückt. Von diesem Tage an wurde die Mühle nicht mehr betrieben und verfiel.“
In den Kirchenbüchern findet sich tatsächlich am 14.03.1860 ein Eintrag in dem verzeichnet ist, dass der Häuslerssohn Joseph Berger im Alter von 12 Jahren an einem Unglück starb. Es war der Sohn von Joseph und Barbara Berger, die in dem Anwesen in der Wittelsbacher Str. 2 wohnten. Ggf. hatte Joseph Berger als Angestellter des Schlossherrn die Mühle bedient. In der alten Katasterkarte ist auf dem Berg nur der Mühlenturm und kein Wohngebäude eingezeichnet.
Auf der Karte von 1843 ist auf dem Berg nur ein kleiner Steinbruch eingezeichnet. Der Mühlenturm wurde später rot ergänzt.
1860 wurde die Karte um das Kellerhaus und dem Stadel ergänzt. Die Mühle stand hier aber bereits.
Quelle: Vermessungsamt Straubing, Auszug aus der Katasterkarte der Gemeinde Steinach Nr. 173a und 173b
Diese sehr alte Aufnahme stammte ca. aus dem Jahr 1895. Auf dem Bild sieht man noch das Dach der Windmühle.
Die großen Flügel, die ursprünglich bis zum Türsturz heruntergingen, waren bereits abmontiert.
Bild: Nachlass Ludwig Niggl
Dieses Aquarell entstand im Juni 1900.
Es stammte vom evangelischen Hauslehrer im Schloss Steinach, dem Theologen Friedrich Leonhard Leuthel (1879-1958).
Die Windräder dürften damals nicht mehr vorhanden gewesen sein. Der Maler hatte sie jedoch wahrscheinlich wegen der Optik hinzugefügt.
Quelle: Irmgard Leuhtel, München
Auf der Aufnahme aus dem Jahr 1930 war das Dach ebenfalls noch vorhanden.
Bild: Nachlass Ludwig Niggl
Sommerkeller
Nach Stilllegung der Mühle ließ Eduard von Berchem-Königsfeld den Windmühlenberg zum herrschaftlichen Steinacher Sommerkeller umgestalten. 1860 grub man einen Bierkeller in den ursprünglichen Weinberg und errichtete über den Eingang ein sog. Kellerhaus, das auch als Gaststätte im Sommer betrieben wurde. Der Sommerkeller wurde von dem Steinacher Wirt Josef Unger und ab 1866 von dessen Schwiegersohn Johann Wenninger bewirtschaftet, die ihn in den Sommermonaten zusätzlich zu dem Krone-Wirtshaus betrieben.
Zum Kellerbetrieb gehörten auch noch ein östlich gelegener Schuppen und ein Brunnen mit einer großen eisernen Wasserpumpe. Der große Bierkeller diente gleichzeit als Lager für das Bier des Berchem'schen Bräuhauses im Schloss Steinach.
Anzeigen aus dem Straubinger Tagblatt vom 12. Mai 1865 und aus dem Straubinger Tagblatt vom 09.05.1866.
Der "Steinacher Keller" erfreute sich großer Beliebtheit und diente auch als Ausflugsziel vieler Vereine aus der Stadt und der Umgebung, auch wenn es manchmal turbulenter zuging.
Straubinger Zeitung Nr. 55 vom Samstag, den 23. Mai 1868
Auszug aus einer Ansichtskarte von 1903 vom Sommerkeller.
Höhepunkt des Kellerbetriebes dürfte der Besuch des Bayerischen Prinzregenten Prinz Ludwig von Bayern (dem späteren König Ludwig III.) am 31. Mai 1910 gewesen sein. Im Rahmen der 45. Wanderversammlung Bayerischer Landwirte die vom 28. Mai bis 1. Juni 1910 in Straubing stattfand, besichtigte er auch den Gutsbetrieb von August von Schmieder in Steinach.
Der Besuch des Prinzen in Steinach endete mit seiner Teilnahme an einem zünftigen Kellerfest, das für ihn und die vielen Landwirte aus ganz Bayern, die an der Exkursion nach Steinach teilnahmen, ausgerichtet wurde. (Siehe hierzu auch den Eintrag im Gästebuch des Neuen Schlosses)
Auf dem Bild aus dem Jahre 1930 sieht man das Kellerhaus mit der darunterliegenden Einfahrt zum Bierkeller.
Bild: Nachlass Ludwig Niggl
Nach Aufgabe des Sommerkellers ca. 1920, nutzte man das alte Kellerhaus als Wohnhaus, bis es um 1956 abbrannte.
Das Kellerhaus mit der Windmühlenruine um 1955
Der schöne umlaufende Balkon ist nur noch zum Teil erhalten. Auch der Vorbau zum Eingang des Bierkellers besteht nicht mehr.
(Bild: Familie Kieninger)
Ein Zeitzeuge, Christoph Rohrmüller aus Steinach berichtet hierzu: „Ein doppelflügeliges schweres Tor verschloss die Kellereinfahrt. Im Laufe der Zeit ist das schwere Holztor sehr schadhaft geworden und wurde wohl verheizt. Nun trieben sich die Steinacher Kinder oft im Keller herum, in dem sich auch viele Fledermäuse aufhielten. Da entschloss sich die Steinacher Gutsverwaltung (um 1957), den Keller sprengen zu lassen. In Bogen war erst die Kaserne errichtet worden (um 1956) und für die Pioniere war es ein geeignetes Übungsobjekt. Mehrere Sprengladungen wurden angebracht und mit großem Krach stürzten große Teile des Kellers ein. Etwa 1000 Fledermäuse waren bei der Sprengung im Keller und dürften umgekommen sein. Der rückwärtige Teil des Kellers, der einen Luftschacht hat, dürfte nicht eingestürzt sein, denn dort findet man nicht die sonst übliche Geländemulde. Man konnte auch noch lange durch den Luftschacht in den nicht eingestürzten Kellerteil hinabsehen. Dieser Luftschacht war ein gefährliches Loch. Deshalb hat man später einen großen Betondeckel auf die Öffnung gesetzt.“
Übrig geblieben ist die Ruine der Windmühle. Nach Christoph Rohrmüller wurden die Balken herausgeschnitten und der Dachstuhl ist um 1930 heruntergefallen. Der Kellerberg befindet sich heute im Privatbesitz. Die abgelegene Windmühlen-Turmruine war seit jeher ein beliebter Treffpunkt der Steinacher Jugend.
Aufgrund des gesprengten Kellers gab es teilweise Gerüchte, dass hier ein unterirdischer Gang vom Neuen Schloss zur alten Mühle geführt hatte. Diese Vermutungen sind jedoch völlig aus der Luft gegriffen und entbehren jeglichem Warheitsgehalt.
Auf der Aufnahme von 1956 stand die Mühlenruine noch gut sichtbar auf dem Hügel.
Das Kellerhaus und der Stadel waren ebenfalls noch vorhanden.
1970 wurde beim Kellerberg eine Wohnsiedlung mit ursprünglich 100 Häusern geschaffen. Durch die Erweiterung um weitere Bauabschnitte, umschließen die Häuser mittlerweile den ganzen Berg. Die Mühlenruine ist im Laufe der Jahre komplett vom Baumbestand verdeckt und der Kellerberg liegt wie eine grüne Oase inmitten dieses Wohnbaugebietes.
Die Windmühlenruine am Kellerberg im Mai 2020
Video: Detlev Schneider
Quellen:
Agsteiner Hans: Die ehemalige Schlossbrauerei Steinach und ihr Bierkeller im Kellerberg, erschienen im Gemeindeboten der Gemeinde Steinach März und Juni 2001
Agsteiner Hans: Die holländische Windmühle am Kellerberg, erschienen im Gemeindeboten der Gemeinde Steinach September 2001
Schlicht Josef: Die Geschichte von Steinach, veröffentlicht im Straubinger Tagblatt am 24.7.1882
Vermessungsamt Straubing, Liquidationsprotokoll der Steuergemeinde Steinach 1838 mit Karte
Vermessungsamt Straubing, Katasterkarten der Gemeinde Steinach Katasterkarte Nr. 173b
Pfarrarchiv Steinach, Fortschreibung der Geschichte von Steinach durch Pfarrer Josef Aschenbrenner
Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Stiftregister Steinach 1623
Archiv für Heimatgeschichte Steinach, div. Bilder und Ansichtskarten
Bischl. Zentralarchiv Regensburg, Pfarrmatrikel Steinach