Hohe-Kreuz-Kapelle

 von Claudia Heigl

 

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aufgenommen April 2020
(Bild: Claudia Heigl)

 

Auf der Südseite von Steinach leuchtet in ihrem Weiß von weitem die „Hohe-Kreuz-Kapelle“ herüber. Der idyllische Ort lädt viele Spaziergänger und Radfahrer zur Rast ein.

Der Ursprung der Kapelle liegt im Dunkeln. Eine  Vermutung ist, dass es sich hier um eine Pestkapelle handelte und die Steinacher hier ihre Pesttoten begruben. Wahrscheinlicher ist jedoch,  dass es sich bei der Kapelle, die lt. Befunduntersuchung vom Restaurator Andreas Richter ca. in der Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut wurde, um eine klassische Wegekapelle handelt. Ihren Namen hat sie von dem „hohen Kreuz“, dass seit jeher neben der Kapelle stand.
Ob der Bau ein Ersatzbau für eine ältere Kapelle war oder zusätzlich zu dem Kreuz errichtet wurde ist nicht bekannt. Sicher dürfte jedoch sein, dass zumindest ein Kreuz schon ewig dort stand.

 

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aufgenommen ca. 1910
(Bild: Nachlass Ludwig Niggl)

 


Das Kreuz markierte an einer uralten Handelstrasse eine Weggabelung und hat als Wegweiser funktioniert. Sehr oft sind solche alten Fernhandelsstraßen von Kapellen oder Wegekreuzen mit beidseitigen hohen Bäumen begleitet, besonders an gefährlichen Abschnitten oder Wegegabelungen. So ein „Ensemble“ hatte eine wichtige Funktion als Orientierungspunkt für die Händler und Fuhrleute.

 

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aufgenommen 1964

 

Typischerweise liegt die Kapelle auf der Niederterrasse, wie dies öfter in unserer Umgebung festzustellen ist. Die immer wieder nachgepflanzten Orientierungsbäume wiesen den von Süden kommenden Fuhrleuten den Weg, was besonders bei nebligen Tagen wichtig war.

Von der Kapelle aus gesehen führt die linke Wegeführung nach Norden am Schloss vorbei Richtung Sackhof und schloss bei dem ehem. Bundeswehrdepot an eine „Haupthandelsstrecke“ nach Roding/Cham an. Eine zweite ursprüngliche Trasse, die heute nicht mehr vorhanden ist, zweigte nach rechts Richtung Wolferszell und dem Spitalwald, der als Höhenweg Richtung Cham führte.

 

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aufgenommen 1973

 

 

 

Der „bessere Herrgott“

In der Kapelle befand sich die Statue des „Heiland auf der Rast“. Eine christliche Darstellungsform von Jesus, die auf das Ende des 14. Jahrhunderts zurückgeht. Die Steinacher Pfarrkinder pilgerten mit besonderen Nöten, Sorgen und Anliegen gerne zum „besseren Herrgott“ – so wird der Heiland auf der Rast genannt – um Trost und Hilfe zu erleben. Denn nach ihrer Meinung hatten die Gebete in der Kapelle den besten Erfolg. Noch heute findet an Fronleichnam ein  Bittgang der Pfarrgemeinde zur Kapelle statt.

 

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Für den Heiland auf der Rast wurde in der Pfarrkirche extra die Kirchenmauer aufgebrochen
und eine Nische eingebaut, die aus Sicherheitsgründen mit einem Gitter verschlossen wurde.

 

Die barocke Figur stammt aus der Erbauungszeit der Kapelle. Der unbekannte Künstler gestaltete den Heiland auf der Rast in der typischen Stellung, die aus unzähligen Kreuzwegdarstellungen bekannt ist. Nachdem Christus festgenommen war und bereits verschiedene Schmähungen über sich ergehen lassen musste, gönnte man ihm eine kurze Rast. Seine Peiniger setzten ihm die Dornenkrone auf und gaben ihm als Zepter ein Schilfrohr in die Hand. Dazu hängt man ihm einen Schmähmantel um.

Ein einfacher Mann widmete ihm folgendes Gedicht, das im Straubinger Tagblatt 1977 veröffentlicht wurde:

„Hier sitzt Jesus Tag und Nacht
höchst schmachvoll auf der Rast.
Der Mensch kann dieses gar nicht fassen,
 dass der Gottessohn konnte so einsam sein und verblassen.“

 

Selbst der Steinacher Schlossbenefiziat und Historiker Josef Schlicht erwähnt die Kapelle oft. Als es mit dem bekannten Schlossbenefiziaten zu Ende ging und ihn sein Freund und Ökonomierat Ludwig Niggl besuchte, meinte Schlicht: „Bua, moinst net, wenn i nomal aussi gang zum besseren Herrgott und tat nomal an Juchaza, moinst net, i wur nomal? Aber i glaub, es geht net mehr, d’Wagscheitl son broacha!“

1962 war die wertvolle Figur nachts aus der Kapelle gestohlen worden. 1979 fiel dem Steinacher Ludwig Fischer beim Besuch einer Antiquitätenausstellung die Figur mit ihren charakteristischen Merkmalen sofort wieder auf. Dieser meldete seine Beobachtungen Pfarrer Ludwig Dotzler, der die Kriminalpolizei einschaltete. Die Figur wurde beschlagnahmt und die Polizei kam im Verlauf der Recherchen zur Holzplastik und infolge eindeutiger Beschreibung einiger älterer Bürger der Pfarrei zu dem Ergebnis, dass es sich um die gestohlene Figur handelte. Die Figur wurde dem Besitzer, der katholischen Kirchenstiftung Steinach, zurückgegeben und erhielt nach ihrer Restaurierung einen diebstahlsicheren Platz in der Pfarrkirche Steinach. In die Kapelle kam als Ersatz eine Madonnenfigur mit dem Jesuskind.

 

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Nach der Renovierung und Umgestaltung der Pfarrkirche 2019
wurde die Figur ohne Mantel und Schilfrohr wieder in der Kirche aufgestellt.
(Bild: Albert Lindmeier)

 

 

Moderner Heiland auf der Rast

2015 fand die letzte umfassende Renovierung der Kapelle statt. Damit in die Kapelle wieder ein Heiland auf der Rast „zurückkehrte“, stiftete ein Steinacher einen „neuen“ Heiland.

Die Figur wurde vom Künstler Walter Veit-Dirscherl aus Terracotta entworfen. Diese Technik hat in der Straubinger Gegend eine ins Mittelalter zurückgehende Tradition. Der moderne Entwurf war aus grobem Ton in handwerklicher Technik frei aufgebaut. Der Sockel war ein industriell gefertigter Ziegelstein, die Dornenkrone aus echten Rosenzweigen geflochten – ein Materialmix im Sinne heutiger Kunst. Das danebenstehende Spott-Zepter, ein Rohrkolben, ist eine Referenz an die barocke Vorgängerfigur.

 

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aufgenommen bei der Einweihung 2016

 

Die Gestaltung der Statue folgte einer expressionistischen Tradition:

- Die verschlungenen aufgestützten Gliedmaßen ergaben ein markantes Formenspiel, welches das in weltliche Machtspiele eingebundene historische Leiden Jesu verdeutlicht.

- Jesus richtet seinen Blick eindringlich auf den Beschauer, und so vermag er auch Menschen, die eigentlich nur einmal hinschauen wollen, in den Bann zu ziehen. Vielleicht regt sein „uns Anschauen“ dazu an, über Jesus nachzudenken.

- Auf romanischen Kreuzen ist Jesus nicht al leidend Gestorbener dargestellt, sondern als ein den Tod Überwindender. Aufgemalte Wundmale der Geißelung wurden weggelassen, Jesus geht unangefochten souverän seinen Weg durch den Tod in das dauernde Leben als unser Kyrios.

Die Figur wurde mit der neu renovierten Kapelle am 10. April 2016 vom Steinacher Pfarrer Wolfgang Reischl gesegnet.

 

Doch nicht jedem gefiel die moderne Variante des Heiland auf der Rast. Zwischen dem 6. und 7. August 2017 zertrümmerte ein Unbekannter die Statue.

 

Vandalismus

 

 

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Seitdem ist als Ersatz eine Glasplatte mit dem Bild des zerstörten Heilands in der Kapelle aufgestellt.

 

 

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Die zwölf Stehlen neben der Kapelle sollen die zwölf Apostel darstellen,
nebenbei haben sie noch den Zweck, dass der Platz nicht durch parkende Autos zugestellt wird.
(Bild: Claudia Heigl, April 2020)

 

 

 

 

Quellen:
Artikel in der Straubinger Zeitung vom 7.12.1979 und 19.04.1980
Artikel in der Straubinger Zeitung vom 27.11.1997 von Pfarrer Gerhard Mass
Befunduntersuchung von der Kirchenmaler- und Restaurierungswerkstätte Andreas Richter, Regenstauf,  Juni 2014
Rede anlässlich der Segnung des "Heiland auf der Rast" sowie der renovierten Hohe-Kreuz-Kapelle in Steinach am 10.04.2016 von Walter Veit-Dirscherl
Stecher Karl; Steinach als Station an alten Handelswegen, Gemeindebote Gemeinde Steinach Juni 2019

Bilder:
Archiv für Heimatgeschichte Steinach
Karl Penzkofer
Claudia Heigl