Nachrichten von alter Stiftsherrlichkeit

 

Eine Urkunde erzählt aus den „Freiheiten“ des Chorherrenstifts St. Tiburtius zu Pfaffmünster

 

Von Hans Agsteiner

 

Das uralte Chorherrenstift Pfaffmünster, einst malerisch am Rande des Bayerischen Waldes in der Ortschaft Münster gelegen, war einst bis zu seiner Verlegung nach Straubing im Jahr 1581 ein bedeutendes religiöses Zentrum. Zehn meist adelige Kanoniker, auch Chorherren genannt, bewohnten hier eigene Häuser und verrichteten in der Stiftskirche St. Tiburtius ihre liturgischen Aufgaben. Zusätzlich widmeten sich den Wissenschaften und der Politik und gelangten dadurch zu Berühmtheit. Die Seelsorge, die meist von weniger vornehmen Vikaren ausgeübt wurde, ging nebenher. Zahlreiche Urkunden in den Archiven erzählen vom Leben der mit dem kostbaren Fehpelz bekleideten Chorherren. Im Mittelalter musste für Klöster und Stifte ein Vogt bestellt werden, der diese Institution beschützte und sie vor Gericht vertrat. Vögte des Chorherrnstifts Pfaffmünster waren die Mitglieder des Hauses Wittelsbach, welche als Erben der Grafen von Bogen diese Funktion übernommen hatten. Zu ihren Aufgaben gehörte auch der Schutz der Freiheiten und Privilegien, die sie in Urkunden bestätigten.    

 

Gewährung von Privilegien und Freiheiten

Das Verhältnis der Städte und Märkte zu ihren Landesherren muss als „eine persönliche Bindung etwa im Sinne des Lehensbandes“ verstanden werden. Deshalb waren städtische Freiheiten und Markprivilegien ebenso wie Lehen notwendigerweise beim Regierungsbeginn eines neuen Herzogs zu bestätigen. Die Städte bekräftigten diese Rechtsbeziehung durch die Huldigung, die Herzöge mit der Ausstellung neuer Freiheitsbriefe, die in der Regel die alten Privilegien bestätigten. In ähnlicher Weise sind die Freiheitsbestätigungen für die vom Landesherrn teilweise abhängigen Chorherrenstifte zu sehen. Auch den Stiften war daran gelegen, dass ihre vom Landesfürsten einst eingeräumten Freiheitsrechte und Privilegien nicht vergessen wurden, sondern immer wieder, vor allem bei einem Herrschaftswechsel, aufs Neue bestätigt wurden. In diesem Sinne ist die vorstehend erwähnte uns übersandte Urkunde als Freiheitsbrief zu verstehen.

Es verwundert etwas, dass manchmal Urkunden, auch Stiftsurkunden, außerhalb der amtlichen Archive entdeckt werden. Ein Glücksfall für die Stiftsforschung ist es, dass Marianne Schloßer aus Beilngries eine Urkunde zur Stiftsgeschichte Pfaffmünster (2 Blätter) in dem Stadtarchiv Beilngries entdeckte, diese einscannte und als Anlage zu einer e-mail dem Steinacher Heimatgeschichtlichen Archiv übersandt hat. Die Prachturkunde mit der Freiheitenbestätigung für das Chorherrenstift Pfaffmünster geht auf Herzog Albrecht I. von Bayern/Straubing-Holland zurück. Er bestätigt darin die bereits von seinem Vorfahr Herzog Hainrich im Jahre 1335 erteilten Freiheiten und die von seinem Vater Kaiser Ludwig der Bayer 1344 ausgestellte Urkunde. Nach den sog. „Freyheiten dess Stiffts Pfaffenmünster“1, hat „Herzog Albrecht in zween Briefen“ an Sankt Lambrechtstag bzw. am St. Michaeltag abends 1359 in der zum Herzogtum Straubing-Holland gehörenden Grafschaft Seeland die Freiheiten des Chorherrenstifts Pfaffmünster bestätigt. Die später auf der Urkunde angebrachte rote Jahreszahl 1335 betrifft nicht Albrechts Urkunde, sondern die darin vermerkte frühere Freiheitengewährung durch Herzog Hainrich im Jahre 1335. Bei der vorliegenden Urkunde Herzog Albrechts fehlt das Schlussblatt mit Unterschrift des Ausstellers sowie das Datum. Nach dem spätgotischen Schriftbild könnte es sich bei der Urkunde um eine Abschrift aus der Zeit vom Ende des 15. Jahrhunderts handeln2.

 

Urkunde 2

Die Abschrift des Freiheitsbriefes aus dem Jahre 1335

 

 

Aus dem Inhalt des Freiheitenbriefs

Einleitend beginnt der Freiheitsbrief standardisiert in der damaligen Kanzleisprache,  wie bei dieser Urkundenart üblich, und geht dann über ins Detail:

„Albrecht von Gottes Gnaden Pfalzgraf bei Rein und Herzoge in Bayern bekennen und thun kundt offentlich mit dißem Briefe das dy Erbarn Herrn Johanns der Chamerauer von dem Haydstein, Brobst,  Perchtold der Nußperger, Dechant und das Capitl Gemainiklich des Stifts zu Pfaffmünster gelegen in Unserem Lande ze Baiern in Regens(burger) Bistums unser lieb Dienerung Capplan Unns vorbracht habens und gezaigt Ein Aufnemen unnd  Bestätigung von unserem lieben Herrn und Vater Kaiser Ludwig von Rom, dem Gott gnädig sei, eines Briefes, den Uns Vetter Herzog Hainrich selig von Bayern dem vorgenannten zu Pfaffmünster Brobst Techandt und Capitl da selb gegeben hat und baten Unns dienerlich, das wieder dieselben Confirmationen und Bestätigung unnd Brief mit unserem Brief auch fürbas durch gar confirmieren und bestätigen wollen und dieselb Confirmation und Bestätgung und Brief steht von Wort zu Wort als hernach geschrieben stet“.

Herzog Albrecht von Bayern, zugleich Pfalzgraf bei Rhein, teilt darin mit, dass der Stiftspropst Johann der Chamerauer zum Haidstein und der Stiftdekan Perchtold der Nußberger und das Kapitel des Stifts zu Pfaffmünster gebeten haben, dass ihnen die Confirmationen und Bestätigungen, die sie von seinem Vater Kaiser Ludwig der Bayer und seinem Vetter Herzog Hainrich erhalten hätten, weiterhin gegeben würden. Herzog Albrecht nennt seinen Vater „Kaiser Ludwig von Rom“, das ist der berühmte Ludwig der Bayer, Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Somit handelt es sich beim Aussteller der Urkunde um Herzog Albrecht I. (1353 – 1404) von Bayern/Straubing-Holland. Auch die Daten des Stiftspropst Johann der Chamerauer zum Haidstein, urkundliche Erwähnung in der Pröpstetafel von Pfaffmünster 1335 und 1367, deuten darauf hin.

Herzog Albrecht nennt in der Urkunde zwei Vorurkunden mit Freiheitsrechten für das Stift:

  1. ausgestellt von seinem Vater Kaiser Ludwig der Bayer
  2. ausgestellt von Herzog Hainrich

Beide Urkunden zitiert er nun im Text:

Zu 1:

„Wir Ludwig von Gottes Gnaden Römischer Keyser allen Zeyten merer des Reichs Versetzen und thun kundt öffentlich mit diesem Brief, das wir gesehen haben den Brief, den der hochgeborene Herzog Hainrich selig von Bayern, unser Vetter, den ersamen Mannenj, dem Brobst, dem Dechandt und dem Capil gemainikhlich ze Pfaffmünster unseren lieben diemütergens gegeben hat. Dies von Wort zu Wort, wie hernach geschrieben stet“.

Zu 2: (auszugsweise)

„Wir Hainrich von Gottes genaden Pfalzgraf ze Rein und Herzog in Baiern…als den Ersamen Brobst ze Pfaffenmünster, Dechand und alle Chorherren des Gotshauses da selb di yetz und fürbas da werden …in Unsere besondere …genad und gelaytt genommen haben Alß das sy unnsere besonder Capplan und Hofpfaffen hayssent  …das sye alle die Recht die Bischöff, die Prelaten und ander Gotshaus in Unserem Land haben…haben sollen.
Auch über ihre Leut und Gut haben sollen nach der Handvest..die Unns Vetter Chunig Ott, dem Got gnad unnd wie aller Pfaffen über den Chauf das Gericht gegeben.
Das ist geben zu Straubing do man zalt nach Christi gepurt Dreutzdenhundert Jar danch in dem fünfunddreysigsgten an sand Kylians tag.

 

Anmerkung:
Die sogenannte Handveste, auch Ottonische Handveste genannt, ist eine der bedeutendsten bayerischen Fürstenurkunden. Sie geht zurück auf Herzog Otto von Niederbayern/Landshut, der mit vielen Mühen König von Ungarn geworden ist, dort aber kläglich gescheiterte und mit einem riesigen Schuldenberg in die Heimat zurückkehren musste (das Kollsalgemälde mit seiner Krönung in Ungarn, das als Dauerleihgabe den Straubinger Rathaussaal schmückte, ist leider beim Rathausbrand verbrannt). Um seine Finanzen wieder in Ordnung zu bringen verkaufte Otto herrschaftliche Rechte an Adelige und Stifte. Es entstanden die sogenannten Hofmarken, Niedergerichtsbezirke mit zahlreichen Aufgaben und Rechten für die Inhaber. Diese Tatsache wird im Freiheitenbrief besonders erwähnt, den das Stift Pfaffmünster besaß das Dorf Münster als Hofmark, ebenso die Schwaigen Öberau und Aholfing. Dazu wird im Freiheitenbrief ausgeführt, dass Vitztum, Richter und Amtmann, also seine hohe fürstliche Beamtenschaft, in der Hofmark Pfaffmünster „nicht richten noch rechten sollen, mit Ausnahme der drei Sach, die an den Tod gehen.“ Die niedere Gerichtsbarkeit übte in der Hofmark Pfaffmünster der Hofmarksrichter aus.

Später schränkte der Herzog in Pfaffmünster die Rechte der Hofmarksinhaber etwas ein. Er ordnete (vielleicht auf den Wunsch der Bürger ?) den Kirchtagsschutz zu Pfingsten an. Dabei hatten die Münsterer Bürger ihr Recht nicht beim Hofmarksrichter des Stifts, sondern beim herzoglichen Landrichter von Straubing zu verlangen, der die Pfingstage über mit seinen Gesellen in Münster weilte und hier üppig verpflegt wurde.

 

Die Zusammenfassung in den „Freyheiten deß Stüffts Pfaffenmünster“ durch Maximilan Freiherr von Verger vom 30. Juni 1758

Der bayerische Kurfürst beauftragte den Straubinger Regierungsrat und Landrichter Maximilian Freiherr von Verger auf Moosdorf mit der Zusammenstellung der wichtigsten Urkunden des „Kurfürstlichen Kollegiatstifts SS Jakobus und Tiburtius“ zu Straubing. Diese Zusammenstellung ist war unter der Signatur Rep 168/1, Fasz. 1272 bis vor wenigen Jahren im Staatsarchiv Landshut registriert, bevor der Bestand an das Hauptstaatsarchiv München übergeben wurde. Der Steinacher Schlossbenefiziat und Historiker Josef Schlicht hat diese Zusammenstellung gelesen und in der Zeitschrift „Der Bayerwald“, Ausgabe 1905, 1. Heft, S. 9 ff. veröffentlicht.

In der Urkunden-Zusammenstellung von 1758 sind vor allem die wichtigen Freiheiten-Bestätigungen, aber auch besondere Schenkungsurkunden kurz dargestellt.

Nachfolgend Auszüge aus der Zusammenstellung:

Namentlich aus der Freiheiten-Urkunde Kaiser Ludwigs des Bayern vom Agathetag anno 1344 (in Auszügen);

„Der Schwaighof zu Aholfing, und der Mayr, so darauf sitzt, und einem Propst zu seiner Cappeln Öberau gehört, werden gefreut, also daß khain Ambtmann, noch andere wie genannt seien, über den Hof, noch Mayr nicht zu schaffen noch zu bieten sollen haben…“

 Freiheiten-Urkunde Kaiser Karl IV., König von Böheimb, vom 26. September anno 1350.

Freiheiten-Urkunde Herzog Albrecht I. von Bayern/Straubing-Holland ausgestellt in Seelandt 1359. Es handelt sich um die hier besprochene Urkunde.

Freiheiten-Urkunde Herzog Albrechts der Jung (= Herzog Albrecht II. von

Freiheiten-Urkunde Herzog Albrecht (= Albrecht III. von Bayern/München-Straubing, Gemahl der Agnes Bernauer), Graf zu Vohburg, Straubing am Pfingstag anno 1437 und Dreikönigstag anno 1447

Freiheiten-Urkunde Fürst (= Ernst) und Herzogs Wilhelm (= Wilhelm III. von Bayern/München-Straubing) anno 1429

Freiheiten-Urkunde der Herzöge von Bayern/München-Straubing Johann, Sigmund, Albrecht (= Albrecht IV.), Christoph und Wolfgang (Söhne von Herzog Albrecht III.)

Es folgen wichtige Schenkungsurkunden für das Stift

 

Freiheitenbriefe Stift Pfaffmünster im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München

Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv werden folgende Freiheitenbriefe der Regenten unter den nachfolgenden Signaturen aufbewahrt:

BayHStA, Kollegiatstift Straubing Urkunden 25
„Herzog Albrecht V. von Bayern bestätigt die Rechte und Freiheiten des Klosters Pfaffenmünster, 3. Mai 1551, Straubing“

BayHStA, Kollegiatstift Straubing Urkunden 30
„Herzog Wilhelm V. von Bayern bestätigt die Rechte und Freiheiten des Stifts Pfaffenmünster, welches nach St. Jakob in Straubing transferiert wurde“, 12. September 1583, München.

BayHStA, Kollegiatstift Straubing, Archivalien 15
„Zwei Hefte mit Abschriften von herzoglichen Privilegien des Stifts Pfaffenmünster (1324 – 1551) nach 1551 V 3“

 

 

1 StA Landshut, alte Signatur Rep 168/1, Fasz 1272
2 vgl. dazu Beispiel im Übungsbuch deutsche Schriftkunde, S. 57

 

 

Ueberlassung

Da das Dokument keinen Zusammenhang mit Beilngries hat, beschloss Frau Schloßer vom Stadtarchiv Beilngries, in Absprache mit dem Bürgermeister, das Originaldokument dem Heimatarchiv Steinach zu überlassen. Hier gehört sie nun, zusammen mit den Urkunden des Schlossarchives Steinach, zu den ältesten Beständen des Heimatarchives.
Hans Agsteiner und Claudia Heigl freuen sich über den neuen "Schatz" in dem Archiv.