Wiedenhof bei Münster

 

von Claudia Heigl

 

Bei dem heutigen Weiler Wiedenhof handelte es sich ursprünglich um einen einzigen ganzen Hof.
Die Hofstelle lag am Fuße des Helmberg und wurde bis ins 18. Jahrhundert auch als Helmhof bezeichnet1.

 

Wiedenhof 2020

Der Weiler Wiedenhof
vorne links ist noch die Hofstelle des alten Einödhofes zu sehen
im Hintergrund Münster
aufgenommen im November 2020
Bild: Claudia Heigl

 

 

 

Hof am Helmberg oder Helmhof war die alte Bezeichnung für den Wiedenhof

Der Hof gehörte ebenfalls zum umfangreichen Grundbesitz des Domkapitels von Augsburg. Es liegt nahe, dass es sich bei den urkundlichen Nennungen des Hofes „am oder zu Helmberg“  im 14. und 15. Jahrhundert um den Wiedenhof handelte.

Der ab dem 17. Jahrhundert bezeichnete „Helmberger-Einödhof“, der später zum Gärtnerhaus des Neuen Schlosses umgewandelt wurde, liegt eigentlich auf dem Singberg (Gerhartsberg) und war nur ein „halber Hof“.1695 hatte Hans Spießl die Bausölde vom dem ursprünglichen Hof abgetrennt und sie an seine Tochter Eva und deren Ehemann Jakob Achatz veräußert2.

Seitdem wird der nördlichere Hof als „Helmberghof“ bezeichnet, während der südöstliche Hof am Fuße des Helmberg den Namen Wiedenhof erhielt. In den Kirchenbüchern findet sich parallel dazu immer noch die Bezeichnung „Helmhof“ für den Wiedenhof.

Die Bezeichnung „Wiedenhof“ lässt sich auf „Widdumgsgut oder -hof“ zurückführen. Das war ein Bauernhof, der dem persönlichen Unterhalt des Pfarrers diente und von diesem verpachtet wurde.

Neben den üblichen Abgaben an das Kollegiatstift musste der Hofbesitzer noch zusätzliche jährliche Leistungen entrichten:

  • an den Ortslehrer von Münster von jeder Getreidegattung zwei Läutgarben
  • an den Ehehaftsbader und Ehehaftsschmied jeweils ein Vierling Korn im Straubinger Maß

 

 

Liquidationsprotokoll Wiedenhof 2

Karte zum Liquidationsprotokoll der Steuergemeinde Münster von 1838
Der Wiedenhof erhielt die Hs.Nr. 59
Vermessungsamt Straubing

 

 

Die Weinberge am Helmberg

Der „Helmperg“ wird im Jahr 1271 in einem Revers des Ritters Otto von Straubing als Weinberg erwähnt3. Dies ist die erste urkundliche Nennung des Ortes.
Weitere Schreibweisen sind  Helnperg (1313,1444) , Helenperg (1324), Hellnperg (1458), Helbmperg (1498), Helmberg (ab 1583).

Im Urbarsbuch des Domkapitels aus dem Jahr 1280 wird vermerkt, dass der Hofmarksherr Albrecht von Steinach zwei Viertelgüter „am Helmberg“ zum Lehen erhalten hatte. Hier handelte es sich um einen Weinberg3.

Lt. einem Salbuch von 14444 besitzen Hans und Anna Zaun ein Viertelbau zu Helnperg als Lehen vom Domkapitel von Augsburg, dass sie von Conrad Chundlingsperger erkauft haben.
Die Warter von Steinach (Hans von Steinach und seine Vorderen) haben ein halbes Viertelbau zu Helmperg als Hoflehen erhalten, das kaufweise an sie gekommen ist.

Außerdem wird in dem Salbuch aufgeführt, dass Maister Peter, der Dechant von Münster, die Weingärten am Helnperg zu Lehen genommen hat und dass er die Weingärten mit zaunen, misten und mergeln und allem Zugehören fürsehen soll, ohne dem Domherren von Augspurg zu schaden….“

Der Weinanbau dürfte vom Kollegiatstift bereits im 16. Jahrhundert eingestellt worden sein. In einem Salbucheintrag von 1579 findet sich folgender Vermerk: „Erstlich von fünff Weingärten zwischen Stainach und Münster an gemeltem helm Perg gelegen… Die … Yetz ödt ligen und alles ain holzwachs ist…“.5

Die Weingärten befanden sich an der südlichen Seite des Berges. Die Flurbezeichnung „Weingartenwiese“ (Fl.Nr. 1095) am südlichen Fuße des Berges weist noch heute darauf hin.

 

 

 

Weinberge Helmberg 2020

Am südlichen Hang des Helmberges befanden sich die Weinberge
aufgenommen im November 2020
Bild: Claudia Heigl

 

 

Die Bauern auf dem Hof

Der Grundherr des Wiedenhofes war bis zur Säkularisation im Jahr 1803 das Kollegiatstift Pfaffmünster, dass seit 1581 seinen Sitz in Straubing hatte.

Als erster Bauer wird 1573 ein Wolf Engelperger namentlich auf dem Hof genannt6. Hier wird der Besitz in dem Salbuch des Chorherrenstifts St. Tiburtius unter Helmberg als „curia“ (= ganzer Hof) bezeichnet. 1578 folgt ein Thomas Gierl7.

Der Hof dürfte wahrscheinlich im 30jährigen Krieg (1618-1648) von den Schweden geplündert worden sein. In den Kirchenbüchern von Münster bis 1665 finden sich keine Aufzeichnungen eines Helmberg- oder Wiedenhofbauern.

 

Nach dem 30jährigen Krieg ist eine Familie Widmann Besitzer des Hofes.
Am 17.06.1665 wird in der Münsterer Kirche ein Mädchen namens Eva getauft. Hier wird als Vater Mathias Widmann  "Bäcker zur Zeit auf dem Wiedenhof" genannt
Es kommt nochmals 1671 ein Kind von ihm und seiner Ehefrau Elisabeth auf dem Wiedenhof zur Welt. Das dritte Kind wird bereits im Münster geboren.
- Mathias *25.02.1671 a.d. Wiedenhof
- Johann *07.06.1673 in Münster  +04.06.1673

Am 21.03.1673 verkaufen "die Widmannschen Erben" Barbara und deren Sohn Mathias Widmann den Erbrechtshof an das Stiftskapitel Straubing um 220 Gulden8.

 

 

Uraufnahme 1827

Uraufnahme des Wiedenhofes aus dem Jahre 1827
Bayerische Vermessungsverwaltung, Bayernatlas

 

 

Familie Spießl

Am 08.01.1674 verkauft das Stiftskapitel den "halben Erbrechtshof aufm Helmberg" um 250 Gulden dem ehrbaren Hans Spießl den Mittern zu Münster9.
Damit ist der Hof um 30 Gulden teuerer, als ihn das Kollegiatstift von den Widmann's gekauft hat.

Johann Spießl "der Ältere oder Mitterne" (kommt drauf an, ob man den Vater als Älteren bezeichnet) ist seit ca. 1666 mit einer Maria verheiratet. Er war der älteste Sohn von Johann Spießl, der als Söldner und Pfeiffer in Münster Hs.Nr. 29 wohnte. Ein Bruder gleichen Namens, genannt Johann Spießl der Jüngere (geb. 18.02.1646), erbt den Hof des Vaters in Münster.

Bei den Taufen der ersten drei Kinder war Johann noch Tagelöhner und Spieler in Münster.
Er und seine Ehefrau besaßen das spätere "Hofreiter-Gütl" Hs.Nr. 18 (heute Chorherrenstr. 8) in Münster. Zwei Monate nach den Kauf des Wiedenhofes verkaufen sie das kleinere Anwesen in Münster an Johann Söldner von Bärnzell10.
Bei der Taufe des ersten Kindes auf dem Hof, wird er als "Johann Spiesl, Majoris (der Ältere), Bauer auf dem Widenhoff" bezeichnet.  Dies ist auch das erste Mal, dass der Hof den Namen „Wiedenhof“ erhält. Die Spießl-Bauern werden dann abwechselnd bis 1719 immer wieder als Bauern „auf dem Wiedenhof“, „zum Helmberg“ oder „auf dem Helmhof“ bezeichnet. 

Das Ehepaar hat insgesamt zehn Kinder:
- Barbara (1666-1700)  heiratet 1690 in Münster Johann Kornprobst, Bäcker in Kößnach (*1664)
- Katharina (*1668)
- Eva (1669-1724) heiratet 1694 in Münster Jakob Achatz von Thalstetten. Sie kaufen 1694 vom Vater Johann Spießl die Bausölde des Wiedenhofes, der nun zum Helmberghof wird.
- Maria (*1674) heiratet 1699 in Sossau Georg Graßl, Bauer in Bielhof
- Ägid (*1676) heiratet 1700 in Münster die Wirtstochter Anna Barbara Wiest und lässt sich als Häusler in Münster Nr. 45 nieder.
- Barbara (*1677)
- Ursula (*1680) heiratet 1711 in Steinach den Hafner Sebastian Schuhbauer (1645-1712) von Wolferszell Nr. 16 und in zweiter Ehe 1712 den Hafner Simon Miller
- Anna heiratet 1702 in Münster den Bauerssohn Michael Holz von Wäscherszell
- Simon (1682-1757), Hoferbe
- Jakob (1683-1759) heiratet 1707 in Münster Katharina Reichersdorfer und wird Bauer in Münster Nr. 2

 

Spiessl 1Spiessl 2

 

Sohn Simon übernimmt den Wiedenhof. Er heiratet 1710 die Bauerstochter Katharina Weigl von Asham.
Aus der Ehe gehen zehn Kinder hervor, von denen fünf im Kindsalter sterben:
- Maria Eva (1711-1768) heiratet 1734 in Ascha den Hafner Bartholomäus Wiedinger und 1743 den Hafner Joseph Miller von Ascha.
- Maria Magdalena (*1713) heiratet 1737 in Münster Johann Jakob Färber, Halbbauer in Aufroth
- Simon (*1714) heiratet 1743 in Kirchroth Mria Pösl, Bauerstochter von Oberniedersteinach Nr. 8 und übernimmt den Hof der Schwiegereltern
- Georg (1719-1772), Hoferbe
- Johann (1734-1797), bleibt unverheiratet auf dem Hof

Nach dem Tod der ersten Ehefrau geht Simon 1750 nochmals eine Ehe mit Walburga, der Witwe des Bauern Lorenz Wacker von Unteröbling ein.

 

Nächster Bauer wird Georg Spießl, der sich 1746 die Bauerstochter Elisabeth Kirschner von Münster Nr. 30 als Bäuerin auf den Hof holt.
Sie schenkt ebenfalls zehn Kindern das Leben, von denen drei das Kindsalter nicht überleben:
- Joseph (1746-1814), Hoferbe
- Maria Anna (*1748)
- Johann Simon (1752-1790) heiratet 1774 in Münster die Bauerstochter Maria Theresia Zeindlmaier von Agendorf Nr. 34. Simon übernimmt den Kirschner-Hof Hs.nr. 30 in Münster von seinem Onkel Johann Michael Kirschner.
- Anna Maria (*1755) heiratet 1771 den Schuster Andreas Echinger von Oberparkstetten Nr. 8
- Theresia (*1757)
- Magdalena (1762-1784) stirbt unverheiratet mit 22 Jahren
- Katharina (*1765)

Elisabeth Spießl stirbt bereits 1769 mit 46 Jahren. Sie hinterlässt sieben zum Teil unmündige Kinder. Drei Jahre später folgt Ehemann Georg mit 53 Jahren ihr ins Grab.

Den Hof hat er bereits 1771 an seinen ältesten Sohn Joseph übergeben. Der geht eine Ehe mit Anna Maria Hahn von PIttrich ein.
Die Bäuerin bringt neun Kinder zu Welt, von denen fünf das Erwachsenenalter erreichen:
- Anna Maria (*1774) heiratet den Jakob Söldner von PIttrich
- Katharina (1774-1849) heiratet 1799 in Steinach Jakob Färber von Steinach Nr. 53
- Martin (1779-1850) heiratet 1812 in Münster Magdalena Hitzinger und übernimmt das Anwesen der Schwiegereltern in Münster Nr. 6
- Joseph (*1781)
- Tiburtius (1785-1860), Hoferbe

 

Den Hof erhält wieder, wie normalerweise üblich, der jüngste Sohn Tiburtius. Dieser nimmt 1810 die Bauerstochter Katharina Färber von Münster zur Ehefrau.
Die Bäuerin schenkt sechs Kindern das Leben, von denen jedoch nur eine Tochter überlebt.

Am 04.07.1846 übergibt Tiburtius Spießl seinen 123 Tagwerk großen Hof an seine einzige Tochter Anna Maria und deren Ehemann Joseph Geith.
Zwei Kinder des Ehepaares werden noch auf dem Wiedenhof geboren:
- Joseph *1844
- Martin *1845

 

 

Der Wiedenhof wird zertrümmert

Doch auch an diesem Hof gehen die turbulenten Zeiten nach der Säkularisation und Bauernbefreiung in Bayern nicht spurlos vorüber. Am 27.09.1861, 10 Monate nach dem Tod des Vaters, verkaufen Anna Maria und Joseph Geith den Hof mit 120 Tagwerk (≅ 40 ha) Grund um 25.400 Gulden an Michael Gampel aus Regensburg, nachdem er über 187 Jahre im Besitz der Familie gewesen war.

 

 

Bucher

 

 

Der Immobilienhändler zertrümmert den Hof und verkauft die Hofstelle am 30.07.1863 mit 43 Tagwerk Grund an Andreas und Maria Bucher um 11.975 Gulden. Am 17.05.1890 übernimmt  Sohn Johann Bucher den Hof mit insg. 52 Tagwerk (≅ 17,7 ha) und verkauft ihn im September 1902 an den Immobilienhändler Bernhard Buxbaum aus Regensburg um 17.000 Mark.

Weitere Grundstücke werden verkauft und am 05.01.1903 erwerben Anna und Alois Wagner von Laichstätt Gde. Thierlstein b. Cham die Hofstelle mit 12 ha Grund um 12.000 Mark. Am 20.11.1908 tauschen sie das Anwesen  zum Anschlag von 14.000 Mark mit den Immobilienhändlern Schwarzhaupt Nathan von Regensburg und Petzenhauser Xaver von Straubing gegen das Anwesen Nr. 2 1/2 in Unterzeitldorn.

Am 17.12.1908 erwirbt Simmel Josef den Hof mit nur mehr 6 ha Grund und am 10.05.1910 kaufen ihn schließlich  Schütz Josef und Maria geb. Dobmaier.

 

 

Schuetz

 

 

Ab den 1950er Jahren entstanden rund um die alte Hofstelle, auf den zum Teil schon früher wegverkauften Grundstücken, weitere neue Wohnhäuser und der Wiedenhof entwickelte sich zum Weiler.

 

 

 Ortsplan Wiedenhof

Wiedenhof mit den rot eingezeichneten Neuansiedlungen Anfang der 1950er Jahre.
Quelle: Vermessungsamt Straubing, Ortsplan Münster NOXXXIX 32 172d

 

 Wiedenhof Hof 2020

Die alte Hofstelle im November 2020
Bild: Claudia Heigl

 

 

 

1808 wurde Wiedenhof im Steuerdistrikt von Münster aufgeführt11 und 1821 in die Gemeinde Münster eingegliedert.
Bei Einführung der Hausnummern erhielt die Hofstelle die Hs.Nr. 5912, bei der Neuorganisation der Hausnummern in Münster im Jahr 1890 wurde die neue Hs.Nr. 95 vergeben.
Im Rahmen der Gebietsreform 1978 wurde Wiedenhof, zusammen mit Münster, ein Teil der vergrößerten Gemeinde Steinach.

 

 

1 Bischöfl. Zentralarchiv Regensburg, Pfarrmatrikel Pfaffmünster, Bd. 2, S. 389, 29.06.1717 Sterbeeintrag der Maria Spießl, Ehefrau des Johann Spiesl, Bauer auf dem Helmhof
2 BayHStA München, Straubing Kollegiatstift St. Jakob und Tiburtius KL 3, Zins- und Stiftbuch, fol. 147
3 Solleder Fridolin, Urkundenbuch der Stadt Straubing 1911-1918, Urkunde Nr. 1, Revers des Otto von Straubing, Prokurators des Herzogs Heinrich von Bayern, über die ihm und seinen Söhnen Albert, Karl und Leutwein von Propst und Kapitel zu Augsburg zu Leibgeding verliehenen Weinberg zu Sneitweg, Helmberg und Sacker. 21.03.1271
4 Salbuch des Augsburger Domkapitels von 1444, nach Keim in Jahresheft des Hist. Vereins Straubing und Umgebung 1965, S.35-38
5 BayHStA München, Kurbayern Hofkammer, Cons. Cam. Nr. 247
6 Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, KL 5, Nr. 111, Salbuch des Chorherrenstifts St. Tiburtius zu Pfaffmünster von 1573
7 Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, KL 5, Nr. 110, Salbuch des Chorherrenstifts St. Tiburtius zu Pfaffmünster von 1578
8 BayHStA München, Briefprotokolle Straubing 640 Ib, fol 47   Kauf 21.03.1673
9 BayHStA München, Briefprotokolle Straubing 640 Ib, fol 56   08.01.1674
10 BayHStA München, Briefprotokolle Straubing 640 Ib, fol 69‘   Kauf 30.03.1674
11 StA Landshut, Rentamt Straubing B78, Häuser- und Rustikalsteuerkataster Münster 1808
12 Vermessungsamt Straubing ,Liquidationsprotokoll der Steuergemeinde Münster 1838

Weitere Quellen:
StA Landshut, Grundsteuerkataster 17/22-5, Umschreibehefte Münster 1843 – 1859 Hs.Nr. 3 - 59
StA Landshut, Grundsteuerkataster 17/22-10, Umschreibehefte Münster 1859– 1893 Hs.Nr. 70 - Ende
StA Landshut, Grundsteuerkataster 17/22-15, Umschreibehefte Münster 1893 - 1960 Hs.Nr. 84 - Ende
Bischöfliches Zentralarchiv, Pfarrmatrikel der Pfarrei Pfaffmünster

 

 

 

 

letzte Änderung: 16.09.2024