Uneheliche Kinder
von Claudia Heigl
Heute spielt es keine Rolle mehr, ob ein Kind ehelich oder nichtehelich geboren wird.
Doch die vollständige rechtliche Gleichstellung mit ehelich geborenen Kindern existiert erst seit 2009.
Bis dahin waren Kinder, die außerhalb einer Ehe geboren wurden, sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich oft benachteiligt.
Diese Diskriminierung hat tiefe historische Wurzeln und ist eng mit den sozialen Normen und moralischen Vorstellungen vergangener Zeiten verknüpft.
In Bayern war die Geburt eines unehelichen Kindes bis ins 19. Jahrhundert hinein eine strafbare Handlung, die als "Leichtfertigkeit" angesehen wurde.
Es galt als unverantwortlich, ein Kind ohne finanzielle Absicherung in die Welt zu setzen. Diese Strafen richteten sich hauptsächlich gegen die Mutter, die der "Unzucht" und eines Verstoßes gegen gesellschaftliche und religiöse Normen beschuldigt wurde.
Die rechtlichen Regelungen, die oft mit kirchlichen und landesherrlichen Gesetzen verbunden waren, veränderten sich im Laufe der Zeit.
Gesetzliche Regelungen bis ins 19. Jahrhundert
So behandelten bayerische Landesordnungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe als Straftat.
Uneheliche Schwangerschaften galten dabei als eindeutiger Beweis.
Die Strafen reichten von Geldbußen über Haft bis hin zu Ehrenstrafen wie dem öffentlichen Pranger.
Das Verhörprotokoll von Gschwendt weißt 1751 und 1761 jeweils eine Leichtfertigkeitsstrafe aus. Aufgrund einer unehelichen Schwangerschaft mussten die Betroffenen, neben Zahlung einer Geldstrafe von 3 Gulden, zehn Tage im Amtshaus von Gschwendt „mit Antragung der Eisen bzw. Schellen ihr Strafe abbüßen“.
In einem weiteren Fall mussten 1769 zwar bei beiden Delinquenten jeweils 3 Gulden Strafe bezahlen, aber weil beide schon (mit jeweiligen anderen Partnern) verheiratet waren, wurde ihnen die Leibesstrafe erlassen.
1771 wurde eine Bauerstochter mit zwei Gulden Strafe belegt und musste acht Tage lang zu Hause die Halsgeige tragen.1
Mit dem Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 wurden erstmals umfassende Regelungen zu unehelichen Geburten festgelegt. Frauen konnten weiterhin wegen "Leichtfertigkeit" bestraft werden, während der Vater nur dann für den Unterhalt des Kindes verantwortlich war, wenn die Vaterschaft zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte.
Diese Kinder hatten jedoch weder Erbrechte noch Anspruch auf soziale Gleichstellung.
Das Bayerische Strafgesetzbuch von 1813 bestrafte nur noch sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe (Unzucht) und der Förderung unehelicher Beziehungen (Kuppelei).2
Erst das bayerische Strafgesetzbuch von 1861 hob die strafrechtliche Verfolgung unehelicher Geburten auf, wodurch diese "entkriminalisiert" wurden.
Ein entscheidender Fortschritt in der rechtlichen Gleichstellung erfolgte 1969 mit einem Bundesgesetz, das uneheliche Kinder weitgehend mit ehelichen gleichstellte. Bis dahin wurden nichteheliche Kinder rechtlich nicht als mit ihrem Vater verwandt angesehen.
Dies änderte sich 1998 rückwirkend für alle ab dem 1. Juli 1949 geborenen Kinder.
Seit 2009 gibt es keinerlei Unterschiede mehr zwischen ehelichen und unehelichen Kindern im Erbrecht.
Kirchenrecht
Auch das Kirchenrecht hatte einen erheblichen Einfluss auf die Diskriminierung unehelicher Kinder.
Die katholische Kirche betrachtete die Ehe als Sakrament und stigmatisierte Kinder, die außerhalb einer kirchlich anerkannten Ehe geboren wurden, als "illegitim".
Mütter wurden vor kirchlichen Gerichten bestraft und mussten oft öffentliche Buße leisten.
In den Taufeinträgen finden wir neben der Bezeichnung illegitim (illeg.) auch „natürliches Kind“.
Auch wurden die Taufeinträge oftmals besonders gekennzeichnet, um sie deutlich von den ehelichen Kindern abzugrenzen, manchmal sogar mit Einträgen, die auf dem Kopf standen.
Bis zur Reform des Kirchenrechts 1983 waren sie von höheren kirchlichen Weihen grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, ein Dispens wurde erteilt.
Legitimierung durch Heirat der Eltern
Durch eine nachfolgende Ehe konnte ein Kind „legitimiert“ werden. Ein Kind, dessen leibliche Eltern nach der Geburt heirateten, galt als eheliches Kind.
Dem Taufeintrag wurde hier oftmals die Abkürzung p.m.s.e. „per matrimonium subscript ejus“ - „nach Heirat der Eltern für ehelich erklärt“ hinzugefügt.
Im 19. Jahrhundert nahm die Zahl unehelicher Geburten deutlich zu.
Neben der Entkriminalisierung spielte auch das Ansässigmachungsgesetz von 1825 eine Rolle, das Heiraten für mittellose Personen erschwerte, da Gemeinden oft keine Genehmigungen erteilten, um ihre Armenfürsorge nicht zu belasten.
So blieben viele Paare unverheiratet, was zur Zunahme unehelicher Kinder führte.
siehe hierzu auch Ansässigmachung und Verehelichung
Namensgebung unehelicher Kinder
Uneheliche Kinder erhielten den Familiennamen des Vaters
In der Vergangenheit erhielten uneheliche Kinder in der Regel den Familiennamen des Vaters.
Namensrechtliche Vorschriften für uneheliche Kinder waren in den älteren bayerischen Rechtsquellen kaum zu finden. Doch in der Praxis wurde üblicherweise der Name des Vaters übertragen – auch ohne formelle Vaterschaftsanerkennung.
Nur wenn der Vater unbekannt war, trugen die Kinder den Familiennamen der Mutter.
Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756, verfasst von Wiguleus von Kreittmayr, legte den Grundsatz fest, dass eheliche Kinder in Bezug auf Titel, Namen und Wappen stets dem Vater folgten. Diese Regelung bezog sich primär auf den Adel.
Bürgerliche uneheliche Kinder erhielten weiterhin häufig den Familiennamen des Vaters, selbst wenn dieser nur mündlich von der Mutter angegeben wurde, etwa gegenüber der Hebamme oder dem taufenden Pfarrer.
Ein königlicher Erlass vom 25. Juli 1825 änderte diese Praxis formal: Es war nun untersagt, den Namen des Vaters ohne dessen ausdrückliche Zustimmung ins Geburtsregister einzutragen.3
Doch insbesondere in ländlichen Gebieten hielten sich viele Pfarrer nicht an diese Vorgabe. Sie trugen uneheliche Kinder oft nur mit dem Vornamen in die Register ein, während der Familienname des Vaters in der Praxis weitergegeben wurde.
Die uneinheitliche Umsetzung dieser Vorschriften führte zu regionalen Unterschieden. Während in einigen Pfarreien uneheliche Kinder weiterhin den Namen des Vaters erhielten, war in anderen der Familienname der Mutter üblich.
Das bischöfliche Ordinariat in Regensburg sah sich 1853 gezwungen nochmals auf die königlichen Verordnungen vom 25. Juli 1825, 30. Juni 1826 und 11. Juli 1848 zu erinnern, wonach jedes uneheliche Kind den Familien-Namen der Mutter zu führen hat.
In den Pfarrbüchern von Steinach ändert sich ab Mitte 1848 die Praxis, dem unehelichen Kind den Familiennamen des Vaters zu geben.
Die unehelichen Kinder wurden mit dem Familiennamen der Mutter ins Taufbuch eingetragen.
In den Sterbebüchern finden wir bis ca. 1850 die Säuglinge dann teilweise wieder mit dem Namen des Vaters, dies ändert sich jedoch dann.
Das Ansässigmachungsgesetz von 1825 erschwerte Heiraten mittelloser Paare erheblich. Zwischen 1825 und 1853 gab es in Steinach lediglich drei Hochzeiten von unehelichen Brautleuten. In diesen Fällen wurde stets der Familienname des Vaters geführt.
In der Pfarrei Pfaffmünster zwischen 1802 und 1874 verzeichnete der Pfarrer die Taufen doppelt: einmal tabellarisch und einmal in Latein.
Während in den tabellarischen Registern die Namen der Väter bei den unehelichen Kindern fehlen, sind sie in den lateinischen Einträgen ausführlich vorhanden.
Ab 1849 werden auch in den lateinischen Einträgen die Kinder mit den Namen der Mütter eingetragen.
Auch hier war es Praxis, dass bei den (wenigen) Trauungen bis 1848 die unehelich geborenen Brautleute den Familiennamen des Vaters trugen.
1 Staatsarchiv Landshut, Kommunalarchive (Rep. 219) 1609, Verhörsprotokoll der Spitalhofmark Gschwendt 1742 - 1769
2 Strafgesetzbuch für das Königreich Baiern, 1813 , I Art. 206-208
3 Bay. Staatsministerium des Innern im Regierungsblatt St. 29 S. 571
Die Geburtenzahlen wurde aus dem Pfarrmatrikle von Steinach und Pfaffmünster (BZAR) entnommen.