Allerheiligen und Allerseelen
von Claudia Heigl
Am 1. November ist Allerheiligen, ein christliches Fest, an dem aller Heiligen gedacht wird. Den Tag darauf, am 2. November begeht die römisch-katholische Kirche den Allerseelentag, an dem der Armen Seelen im Fegefeuer gedacht wird.
Traditionell wird die damit verbundene Gräbersegnung bereits am Nachmittag von Allerheiligen vorgenommen. Es ist seit jeher der Brauch, die Gräber zu diesem Anlass besonders zu schmücken.
Die Friedhöfe in Münster (ca. 1956) und Steinach (ca. 1918)
Der Steinacher Albert Bachl (1888-1969) beschrieb diese Tradition in seiner Erzählung „Bei uns dahoim“ wie folgt:1
„Am Tag vor Allerheiligen waren wir auf der Wiese und holten schwarze Erde. Die von den Maulwurfshügeln war besonders locker. Im Wald sammelten wir die weißen und roten Beeren, um damit auf der schwarzen Erde Kreuze und schöne Verzierungen zu machen.
Gerne hielten wir uns im Friedhof auf. Wir mußten doch immer wieder die Sprüchlein an den Grabsteinen lesen. Da stand zum Beispiel: „Vater, wenn die Mutter fragt, ‚wo ist unser Liebling hin?‘ Wenn sie weint und um mich klagt, sag, daß ich im Himmel bin.“ Auf einem anderen Grabstein war zu lesen: „Sanft ruhe in des Grabes Schoß, schon früh zu sterben war dein Los.“ Auf einem anderen Stein: „Blick nieder Vater, mit Gott vereint, um dich die Mutter mit den Kindern weint. O, laß den Trost nun von des Himmels höhen in ihren tief zerrissnen Herzen wehen.“ Oft war zu Allerheiligen schon richtiges Winterwetter
Am Nachmittag dann, nach dem Umgang, wurden die Kränze und Laternen von den Gräbern weggenommen und heimgetragen.
Ein geschmücktes Grab zu Allerheiligen ca. 1942
Allerheiligen war jedoch auch ein Fest des Schenkens.
Die Firmlinge bekamen vom Död (Firmpate oder -patin) einen Seelenspitz. Das ist ein aus gutem Teil in Spitzform gebackener Kuchen. Wer einen wohlhabenden Firmdöd hatte, bekam auch noch ein Hemd dazu.
Viele Bettelweiber gaben sich in diesen Tagen die Türe in die Hand. Mit einer Kirm auf dem Rücken gingen sie von Haus zu Haus. Die meisten Bäuerinnen hatten für diese Besuche aus schwarzem Mehl Allerheiligenweckerl gebacken. Bei uns bekamen sie ein Stück Brot. Sie waren das Brot sehr geschickt über den Kopf hinweg in die kleine Kirm.
Meine sechsjährige Schwester sagte einmal: „Muatta, des Wei hat‘s Brot in Himmel n‘aufgworfa, des is nimma abakemma.“
Die Friedhöfe in Münster (2020) und Steinach (2017) an Allerheiligen
Im heidnischen Volksglauben war die Vorstellung verankert, dass die Verstorbenen, ebenso wie die Lebenden, Nahrung erhalten sollten, die ihnen zu gewissen Zeiten geopfert werden. Lange glaubte man daran, dass die Seelen der Verstorbenen in der Nacht von Allerheiligen auf Allerseelen auf die Erde kommen, und für diese legte man Nahrung auf die Gräber.
Später wurden diese Allerseelenopfer in Gaben an Arme und auch an Kinder umgewandelt.
1 Albert Bachl, der Verfasser dieser Erinnerungen, wurde 1888 in Steinach geboren und ist 1969 in Regensburg als pensionierter Post-Obersekretär gestorben. Seine Jugendzeit verbrachte er in seinem Heimatdorf, wo er bereits mit zehn Jahren bei fremden Bauern arbeiten mußte. Im Weltkrieg 1914/18 diente er bei der Artillerie, dann kam er zur Post. Seine Erinnerungen an Steinach schrieb er im Alter von knapp 80 Jahren.
Er war der Sohn des Gütlers Alois Bachl (1853-1945) und dessen Ehefrau Kreszenz, geb. Altschäffl. (1856-1948). Seine Mutter Kreszenz war von 1885-1929 Hebamme in Steinach. Die Familie wohnte im dem Gütleranwesen Haus Nr. 41, der heutigen August-Schmieder-Str. 25.