Ansässigmachung und Verehelichung

 

von Claudia Heigl

 

 

Bis ins 19. Jahrhundert hinein war es in Bayern streng reguliert, wo sich Menschen niederlassen durften und ob sie heiraten konnten.
Diese Restriktionen wurden erst allmählich durch die Einführung der Gewerbefreiheit und Änderung der Wohnsitzregelungen im Laufe des 19. Jahrhunderts gelockert. Ein entscheidender Wendepunkt war die Ansiedlungsfreiheit in den 1860er Jahren, die es Menschen ermöglichte, sich ohne behördliche Genehmigung niederzulassen und zu heiraten.

Bereits im Jahr 1578 wurden „leichtfertige Heiraten“ in den bayerischen Mandaten und der Landesordnung verboten, da man unerwünschte Ehen armer und junger Menschen verhindern wollte. Gleichzeitig untersagte man die Teilung von Höfen und den Bau von Söldenhäusern1. Trotz dieser Vorschriften setzte sich das Verbot in der Bevölkerung nicht sofort durch und wurde in den folgenden Jahrzehnten immer wieder bekräftigt.

Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) dezimierte die bayerische Bevölkerung stark. Die Dörfer in unserer Gegend waren entvölkert, viele Höfe und Häuser lagen verödet da.
Um das Land wieder zu beleben, waren Grundherren froh, überhaupt wieder Bauern und Handwerker für die Bewirtschaftung zu finden.

Mit steigendem Wohlstand erhöhte sich auch die Geburtenrate, was zu einem Bevölkerungswachstum führte. Da die Höfe jedoch nicht aufgeteilt werden durften, wurde der gesamte Besitz stets an ein einziges Kind vererbt. Die übrigen Geschwister, die keine Möglichkeit hatten, in andere Höfe einzuheiraten oder ggf. mit ihrer Mitgift ein kleineres Anwesen zu erwerben, mussten ihren Lebensunterhalt als Tagelöhner oder Dienstboten verdienen. Diese Situation trug maßgeblich zur Verarmung der einfachen Bevölkerung bei.

 

1756 wurde im bayerischen Landrecht festgelegt, dass Eheschließungen nur mit behördlicher Genehmigung möglich waren. Man wollte sicherstellen, dass die Eheleute finanziell abgesichert waren, um die Entstehung weiterer armer Haushalte zu verhindern.

Dienstboten durften nur mit Ausnahmegenehmigung während ihrer Dienstzeit heiraten. Im Alter oder bei Krankheit wurden sie oft an ihre Heimatgemeinde zurückgeschickt, wo sie auf Unterstützung hoffen mussten.

 

Da die Gemeinden für die Armenpflege zuständig waren, hatten diese natürlich kein Interesse, dass sich mittellose Personen im Ort niederließen und Familien gründeten. 

Hinzu kamen die Hungerjahre 1816/1817, die im April 1815 durch den Vulkanausbruch Mount Tambora in Indonesian verursacht wurde.  Der Vulkanausbruch verursachte in ganz Europa  extremen Wetterbedingungen, was schließlich zu Missernten und Verknappung von Lebensmitteln führte.
In Bayern kam es zu Hungersnöten, Krankheiten und sozialen Unruhen. Menschen mussten Gras und Baumrinde essen, um zu überleben, und viele starben an Unterernährung

 

1818 wurden die Gemeinden für die Erteilung von Heiratsgenehmigungen zuständig, was zu einer sehr restriktiven Politik führte, insbesondere gegenüber armen und zugezogenen Personen.2 
Es wurde zunehmend schwieriger, eine Ehe zu schließen, wenn nicht bestimmte finanzielle und soziale Voraussetzungen erfüllt waren.
Selbst bereits ansässigen armen Gemeindemitgliedern wurde die Wiederverehelichung untersagt, wenn mit Kindern in der künftigen Ehe zu rechnen war.

 

Das Gesetz über die Heimat, über die Ansässigmachung und Verehelichung im Jahr 1825 legte detailliert fest, unter welchen Bedingungen Menschen sich niederlassen und heiraten durften.

Zu den Voraussetzungen für die Erlaubnis zur Ansiedlung gehörten:

  • ein guter Leumund,
  • der ordnungsgemäße Besuch des Schul- und Religionsunterrichts,
  • Besitz einer Immobilie, auf die mindestens 45 Kreuzer Steuer gezahlt wurde. Es war nun erlaubt, Anwesen zu zerschlagen, solange diese Steuergrenze erfüllt blieb. Wenn das Grundstück einem Grundherren unterstand, war dessen Zustimmung erforderlich, die jedoch nicht erzwungen werden konnte.
  • der Besitz eines Gewerbes. Dienstboten, die zehn Jahre in Dienst waren und Ersparnisse hatten, sollten dabei „besonders berücksichtigt“ werden.

Erfüllte jemand diese Bedingungen für die Ansiedlung, konnte die Heiratserlaubnis nicht verweigert werden, es sei denn, es bestanden kirchenrechtliche Hindernisse.
Im Umkehrschluss bedeutete dies jedoch, dass diejenigen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllten, nicht heiraten durften. Wer also kein Immobilienvermögen besaß, konnte keine Ehe eingehen.

Priester, die ohne Genehmigung Trauungen durchführten, wurden für die daraus entstehenden Kosten und Schäden haftbar gemacht.3

 

Infolge dieses Gesetzes stieg die Zahl unehelicher Geburten an. Dazu trug auch bei, dass seit 1808 Unzucht nicht mehr strafrechtlich verfolgt wurde.
Ein Hoferbe durfte erst nach der Übergabe des Hofes heiraten, weshalb es oft der jüngste Sohn war, der den Hof erhielt, nachdem zuvor die älteren Geschwister versorgt worden waren.

 

Die Akten über die Ansässigmachung und Verehelichung für das Dorf Steinach sind noch im Staatsarchiv Landshut vorhanden: Patrimonialgericht Steinach. Die Akten ehemalige Gemeinde Agendorf sind unter dem Bestand Landgericht ä.O. Straubing zu finden.

Die strengen Heirats- und Ansiedlungsvorschriften wurden bereits 1834 etwas gelockert, da die Regierung Unruhen in der Bevölkerung befürchtete.

 

Beispiel einer Ansässigmachungsakte:
Als der Hafnersgeselle und Häuslerssohn Jakob Echinger aus Münster im Jahr 1848 die Absicht hatte, sich in Steinach niederzulassen, wurde eine Ansässigmachungsakte angelegt, die folgende Unterlagen umfasste:4
1. Protokoll den Verkauf des Mathias Mayer’schen Hafneranwesens an Jakob Echinger und dessen Ansässigmachungsgesuch
2. Taufzeugniß des Pfarramtes Münster
3. Schulzeugniß über Besuch der Werktagsschule
4. Zeugniß über den Besuch der Feyertagsschule
5. Zeugniß über genossenen Religionsunterricht
6. Schutzpokenimpfungsschein
7. Militärabschied
8. Lehrbrief
9. Prüfungszeugniß
10. Leumundszeugniß
11. Elterngutszeugniß
12. Protokollsextrakt des K. Kreis- und Stadtgerichts Straubing, Vermögensausweis
13. Hypothekenbrief
14. Zeugniß des K. Landgerichts Straubing über das Vermögen der Häuslerstochter Guß von Schwimmbach
15. Signatur an die Gemeindeverwaltung und Lokalarmenpfleger Steinach
16. Erklärung der Gemeindeverwaltung Steinach
17. Dekret Ansässigmachung
18. Bericht an das K. Landgericht Straubing
19. Schreiben des K. Landgericht Straubing mit Abschriften des Dekrets an Jakob Echinger wegen Consessverleihung
20. Protokoll, Verehelichungsgesuch mit 4 Beilagen und Dekret

 

Mit dem Heimatgesetz von 18685  entfiel die Voraussetzung eines Immobilienvermögens für die Heiratserlaubnis.
Auch das Einspruchsrecht der Gemeinden wurde stark eingeschränkt. Gemeinden konnten nur noch widersprechen, wenn eine strafrechtliche Untersuchung lief oder eine Verurteilung vorlag, ohne dass die Strafe verbüßt wurde. Ebenso war ein Einspruch möglich, wenn einer der Brautleute in den letzten drei Jahren Armenunterstützung erhalten oder noch Schulden bei der Armenkasse der Heimatgemeinde hatte.

Dadurch konnten viele Paare ihr Ehe nachholen, die bislang wegen fehlenden Immobilienbesitzes nicht heiraten durften, auch wenn sie bereits gemeinsame uneheliche Kinder hatten.

Zusätzlich wurde 1868 die Gewerbefreiheit eingeführt, die die alten Zunftbeschränkungen abschaffte und es den Menschen ermöglichte, ihren Beruf und Wohnort frei zu wählen. Parallel dazu wurde die Freizügigkeit eingeführt, die es den Bürgern erlaubte, sich ohne behördliche Genehmigung in jeder Stadt oder Gemeinde Bayerns niederzulassen, solange keine Verstöße gegen allgemeine Gesetze oder Polizeivorschriften vorlagen.

 

 

Erst mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am 1. Januar 1900 entfielen viele weitere Beschränkungen zur Eheschließung. Obwohl nach dem BGB weiterhin rechtliche Voraussetzungen wie Volljährigkeit oder Ehefähigkeit erfüllt sein mussten, war keine besondere behördliche Genehmigung mehr erforderlich.

Stattdessen wurde die standesamtliche Eheschließung zur Voraussetzung. Seitdem muss eine Ehe in Deutschland (und damit auch in Bayern) vor einem Standesbeamten geschlossen werden, um rechtskräftig zu sein. Die Anmeldung beim Standesamt genügt, sofern keine rechtlichen Hindernisse wie bestehende Ehen oder mangelnde Ehefähigkeit vorliegen.

 

 

1 Dies waren Häuser ohne weiteren Grundbesitz wie Acker und Wiesen.
2 In Steinach war hier noch das Patrimonialgericht zuständig, dass durch den Hofmarksherrn ausgeübt wurde.
3 Die Heiratslizenzen der Behörden sind im Pfarrarchiv Steinach von 1762 – 1852 größtenteils noch vorhanden.
4 StA Landshut, Patrimonialgerichte 4469, Ansässigmachung Jakob Echinger 1848
5 Das neue bayerische Gesetz über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt vom 16. April 1868

 

weitere Quelle:
Nipperdey Justus, Die Erfindung der Bevölkerungspolitik, 2012

 

 

Stand: 23.10.2024