Fronleichnam - "Der große Prangertag"
Das Fronleichnamsfest ist Sinnbild für gelebtes Christentum. Es wird sichtbar gemacht, was wir glauben. Gott ist bei uns, auf den Straßen unserer Dörfer und Städte. Der Grundstein für das Fronleichnamsfest wurde bereits im Jahr 1246 durch eine Vision der Augustinernonne Juliana von Lüttich gelegt. Unter Papst Johannes XXII wurde der „Große Prangertag“ dann Im Jahr 1317 weltweit angeordnet und in den katholischen Festkreis aufgenommen. Seit dieser Zeit wird dieser Festtag jedes Jahr am Donnerstag nach dem Dreifaltigkeitsfest begangen. In prächtigen Prozessionen wird das Allerheiligste durch die Straßen getragen. Eine große Zahl von Gläubigen hat bisher an diesen Prozessionen in den Pfarrgemeinden unseres Landkreises teilgenommen. Es war eine Pflicht und Ehrensache, dass zahlreiche Mitglieder der weltlichen und kirchlichen Ortsvereine mit ihren Fahnen und Uniformen bzw. ihrer Vereinskleidung beim „Großen Prangertag“ dabei waren. Auch für die Erstkommunionkinder war es eine große Freude, mit ihren festlichen Gewändern bei der Prozession mitzugehen.
Fronleichnam in der Pfarrei Steinach
In den Fotoalben von Mary von Schmieder finden sich zwei Bilder vom Fronleichnams-Altar im Schlosshof ca. aus dem Jahre 1908.
vorne ganz links Schlossbenefziat Josef Schlicht
auf der Bank links Ferdinand Schmid (1839-1908) langjähriger Schullehrer, Mesner und Organist in Steinach
rechts ganz in weiß mit Hut Mary von Schmieder
Bilder: Fotoalben Mary von Schmieder, Alben bei Hubertus Meckel, München
In unserem Archiv für Heimatgeschichte liegt außerdem ein sehr interessantes Fotoalbum mit Bildern zu Prangertag. Fotografiert ca. 1935 von Ilse Pobell (später verh. Grundler) einer Schwester von Edith von Schmieder, der Ehefrau des Max von Schmieder.
Diese Bilder werden ergänzt durch die Erinnerungen des gebürtigen Steinacher Albert Bachl (1888-1969) der den Ablauf des Prangertages um die Jahrhundertwende des 19./20 Jhd. in seinem Aufsatz "Bei uns dahoam" aufgeschrieben hat:
Neben der Arbeit aber fehlte es bei uns auch nicht an Vergnügen und Festen. Ein besonderes Fest war Fronleichnam, Prangertag hieß es bei uns.
An den vorhergehenden Tagen wurde schon in und vor dem Haus alles gesäubert und verschönert. Der Hausanstrich wurde erneuert, nicht nur die Fenster mußten blitzen, auch die Fensterläden wurden auf Hochglanz gebracht. Die Väter aus dem Dorf holten im Wald kleine Birken und Tannengrün. Kränze und Girlanden wurden gebunden. Wir Kinder standen nicht nur herum, sondern durften Handlangerdienste machen. Der letzte Tag vor dem Fest war für uns Buben besonders wichtig. Aus dem Dorfweiher war zum Bestreuen der Straßen Schilf zu holen. Da mußten wir dabei sein. Mit dem Waschtrog fuhren wir im Weiher umher und fischten das Schilfgras heraus.
Der Weg der Prozession war durchgehend mit Schilfgras bedeckt.
Kleine Birkenstauden links und recht in einem Abstand von einem Meter flankierten den Weg. Alle Häuser waren mit Girlanden und Heiligenbilder geschmückt.
Den Mädchen hatte die Mutter die Haare in Zuckerwasser getaucht und dann zu Schnecken gerollt, damit sie am nächsten Tag schöne Locken hatten. Wir Buben durften zum erstenmal im Jahr zum Baden gehen.
Am Prangertag früh sechs Uhr krachten schon die ersten Böllerschüsse. Auf den Straßen war es schon längst sehr lebhaft. Mit Hammer und Meißel wurden Löcher rechts und links der Straße geschlagen. Hier wurden die Prangerstauden, das sind die kleinen Birken, die der Vater im Wald geholt hatte, eingepflanzt. Die Mutter hängte die Heiligenbilder an die Hauswand. Die Fenster schmückte sie mit Blumen, Kreuz und Kerzen. So wetteiferte das ganze Dorf um die schönste Zierde der Häuser und Straßen.
Das linke Haus ist unbekannt, bei dem rechten Haus handelt es sich um das ehemalige Bergbauern-Anwesen Hs.Nr. 24 (heute Heimerl, August-Schmieder-Str. 15)
Wir Schulkinder nahmen am Prangertag unter der Aufsicht von Fräulein Lehrerin und des Herrn Lehrers schon frühzeitig Aufstellung zur Prozession. Nach Beendigung des Hochamtes strömten die Kirchenbesucher aus der Kirche. Männer trugen Kirchenfahnen und Heiligenbilder, die Burschen ein Holzgestell, auf dem der Heilige Sebastian in Lebensgröße stand. Weißgekleidete Jungfrauen trugen die reich mit Blumen geschmückte Trage mit der Muttergottes. Feuerwehr und Musik begleiteten den Herrn Pfarrer, der mit dem Allerheiligsten unter dem Traghimmel einherschritt. Ein Ministrant trug der Prozession ein Kreuz voran. Ihm folgten die Schulbuben, voraus die kleinsten. Es war ein langer Weg, den die Prozession zurückzulegen hatte. Bei den vier Evangelien dauerte es uns Buben viel zu lang. Der Herr Lehrer hatte seine Mühe, Ordnung zu halten. Oft packte er einige von uns bei den Ohren und führte sie so an ihren Platz zurück.
August-Schmieder-Str., fotografiert aus dem Fenster des Krone-Wirtshauses
links ehemaliges Hahn-Anwesen (heute Fischer),
rechts von hinten: ehem. Schmied (Edenhofer), Benefziatenhaus u. Garten vom ehem. Metzgeranwesen
Die Birkenzweige wurden zu einem Kranz geflochten und damit das Kruzifix im Herrgottswinkel geschmückt.
Dies soll Glück und Segen bringen.
Als wir dann endlich in die kühle Kirche einzogen, waren wir froh, daß der anstrengendste Teil vom Prangertag vorbei war. Im Saus rannten wir dann heim.
Vor dem Haus wollten wir schon die Prangerstauden herausreißen, aber die Mutter wußte schon Bescheid. Sie erwartete uns an der Haustür und das Kommando erscholl: „Zerscht geht’s eina und ziagt‘s den guat‘n Anzug aus!“ Wir zogen uns schnell um und dann ging’s los. Wir schleppten Stangen und Bretter, die der Vater hinter dem Haus hatte, herbei. Den großen Schlegel, der sonst in Vater Händen das Stockholz zerkleinerte, brauchten wir zum Einschlagen der Pfähle. Wir Kinder bauten uns nämlich jetzt ein schönes Haus. Die kleinen Birken verwendeten wir zur Ausstattung. Und wenn die Stauden gar noch für einen Stall ausreichten, hatten wir besonders große Freude. Obwohl die Mutter heute zur Feier des großen Tages Küchl gebacken und Äpfel gedünstet hatte, hatten wir wenig Zeit zum essen. Jeder von uns wollte das meiste am Bau leisten. Um zwei Uhr aber mußten wir das schöne Spiel für eine halbe Stunde unterbrechen. Die Glocken riefen zur Nachmittagsvesper. Wieder mußten wir in die Kirche. Während nach der Vesper die Erwachsenen ins Wirtshaus strömten, wo sie von lauter Blasmusik empfangen wurden, liefen wir heim zu unserer Hütte. Allzuschnell senkte sich die Sonne und der Tag ging zu Ende. Auch wir mußten den Tag beschließen.
Altar am Kriegerdenkmal in Steinach - Fronleichnam 1956
Bild: Familie Röckl
Fronleichnam 2018 in Steinach
Fronleichnam in der Pfarrei Münster
In der Pfarrei Pfaffmünster war es bisher eine schöne Tradition, dass bei der Fronleichnamsprozession vier Heiligenfiguren mitgetragen wurden. Diese Figuren wurden einen Tag zuvor von den Landfrauen gemeinsam mit Mitgliedern des Pfarrgemeinderates mit viel Liebe und Geschick festlich geschmückt. Bei der Prozession wurden die Figuren mit großer Begeisterung von den Schulkindern getragen. Selbst die Kindergartenkinder ließen es sich nicht nehmen, die Schleifchen zu halten.
Mädchen mit der Figur der "Muttergottes" ca. 1910
... und mit der "Heilige Notburga" ca. 1930
Bilder: Familie Falzboden, Münster
Die erste Figur, die „Herz-Jesu-Figur“ ist die Figur von Jesus Christus, sie gilt als Synonym für das erlösende Leiden des Gottessohnes
Weiter wurde die Figur der „Muttergottes“ mitgetragen, als unsere große Fürsprecherin und Vermittlerin, als Miterlöserin und Frau aller Völker.
Außerdem war die Figur des „Heiligen Sebastian“ dabei. Er ist besonderer Patron der Pfarrkirche St. Tiburtius in Pfaffmünster. Im Jahre 1862 wurde in Münster sogar eine Sebastiani-Bruderschaft gegründet. Sebastian gilt als der älteste Pestpatron.
Die vierte Figur stellt die „Heilige Notburga“ dar. Aufgrund des „Sichelwunders“ gilt sie als Patronin der Dienstmägde, der Einhaltung der Arbeitsruhe und des Feierabends, bei Viehkrankheiten und für alle Nöte der Landwirtschaft.
Nach alten Erzählungen wurde im Jahre 1929 die Figur der Hl. Notburga bei der Fronleichnamsprozession nicht mitgetragen. Am 4. Juli 1929 um ½ 5 Uhr nachmittags setzte dann in unserer Gegend ein großes Unwetter mit schwerem Hagel ein und vernichtete die gesamte Ernte. Ab dem darauffolgenden Jahr wurde dann die „Heilige Notburga“ bis einschließlich des Jahres 2019 wieder mitgetragen.
Fronleichnam 2019 in Münster
Da 2019 wegen der Kirchenrenovierung keine Messen in der Pfarrkirche Steinach möglich waren, feierten die Pfarreien Münster und Steinach gemeinsam den Prangertag in Münster und die Vereine und Gläubigen beider Pfarreien zogen in einer feierlichen Prozession zu den vier Altären.
Fronleichnam 2020 in Münster
Nachdem in der Pfarreiengemeinschaft Kirchroth-Münster-Kößnach jeweils separat das Fronleichnamsfest stattfindet, wurde dieses in der Pfarrgemeinde Münster bereits am Dreifaltigkeitssonntag vorgezogen. Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Unter Einhaltung der staatlichen Infektionsvorschriften mit allen Anweisungen der Diözese Regensburg begann in der Pfarrkirche St. Tiburtius um 8.30 Uhr der feierliche Gottesdienst, wenn auch mit einer kleineren Gemeinschaft, zelebriert von Pfarrer Emilian Senguo und mitgestaltet von Gemeindereferentin Christine Schmid. Die musikalische Umrahmung übernahm Chorregentin Regina Wildner-Gruber. Am Schluss des Gottesdienstes wurde von Pfarrer Senguo mit der Monstranz der Segen erteilt.
Aufgrund der Corona-Krise war 2020 die Fronleichnamsprozession ausgefallen. Der Seelsorgerat hatte deshalb beschlossen, die vier genannten Figuren auf einem kleinen Altar in der Pfarrkirche St. Tiburtius aufzustellen und mit vielen Blumen festlich zu schmücken, um damit die Tradition wenigstens ein bißchen aufrecht zu erhalten. Auch die Herz-Jesu-Fahne, welche immer voran aller Figuren mitgetragen wurde, wurde hier integriert.
Text:
Bachl Albert, Regensburg "Bei uns dahoam", erschienen im Gemeindeboten Steinach März bis Dezember 2012
Lydia Ebenbeck
Claudia Heigl
Bilder:
Fotoalben Mary von Schmieder, bei Hubertus Meckel in München
Fotoalbum von Ilse Poebel verh. Grundler im Archiv für Heimatgeschichte in Steinach
Familie Röckl
Familie Falzboden
Fronleichnam in Münster: Lydia Ebenbeck
Fronleichnam 2018 in Steinach: Claudia Heigl