Gestüt Steinach
von Dr. Thomas Grundler und Claudia Heigl
Um sein eigenes Gestüt bauen zu können, sucht Karl August von Schmieder in der Nähe von Steinach geeigneten Grund und Boden. Erst plant er das Gestüt in Pellham zu errichten, danach am Berghof, beides scheitert, da einerseits die in Pellham ansässigen Landwirte nicht verkaufen wollen und andererseits das Gelände am Berghof für ein Vollblutgestüt zu steile Hänge aufweist.
Das Gestüt nach der Fertigstellung ca. 1907
Als einziges Gebäude der ehemals drei Höfe blieb nur das Niemaier-Wohnhaus (ganz links) stehen, dass für die Gestütswärter umgebaut worden war.
Bild: Auszug aus einer Ansichtskarte
Letztendlich fällt die Wahl auf Unterniedersteinach, wo 1902/03 die drei dortigen Bauernhöfe der Familien Leibl, Niemaier und Hofbauer mit zusammen etwa 75 ha Grund erworben werden. In den Jahren 1906 – 1908 entsteht das „Gestüt Steinach“ mit seinen großen, für die Vollblüter bestens geeigneten Boxen, dem Gestütsmeisterhaus, dem für die Gestütswärter umgebauten Niemaierhaus, einer überdachten Triebbahn und den weitläufigen Koppeln.
Die bisher beim Schwiegervater Carl von Lang-Puchof im Gestüt Aholfing untergebrachten Vollblutpferde ziehen 1907 nach Unterniedersteinach um und gedeihen hier bestens. Auf den Weiden tummeln sich fast 30 Mutterstuten mit ihren Fohlen.
Aufstellung Pferde im Rennstall, Mutterstuten, Jährlinge und Fohlen, Gestüt Steinach 1910
Nachlass Ludwig Niggl
Die von Schmiedersche Vollblutstutenherde mit Fohlen auf den Weiden im Gestüt Steinach ca. 1913
Bild: Nachlass Ludwig Niggl
Um auf den vernässten, meist sehr sauren Urgesteinsverwitterungsböden in Unterniedersteinach bestmögliche Weiden und Wiesen für das neue Gestüt mit den wertvollen Vollblutpferden anzulegen, sucht der Gutsverwalter Ludwig Niggl 1905 fachlichen Rat bei Prof. Dr. Carl Weber von der Moorversuchsanstalt in Bremen. Mit dessen Unterstützung gelingt es die Gestütsweiden wesentlich zu verbessern. Aufgrund dieser Zusammenarbeit wird 1919 der "Verein zur Förderung des Grünlandes in Bayern" gegründet.
Im Album des Deutschen Rennsports von 1913 wird ausführlich über das neue Gestüt berichtet: „Herr A. von Schmieder hat auf seiner Besitzung Steinach Zuchteinrichtungen geschaffen, die an Ausdehnung und Zweckmäßigkeit diejenigen aller anderen Privatgestüte in Deutschland weit übertreffen. Beweis: bereits jetzt, im fünften Jahre nach der Gründung des Gestüts, sind 35 Hektar Weiden vorhanden, und weitere große Koppeln sind in Vorbereitung, so dass Steinach in einigen Jahren bis zu 60 Hektar Weiden zur Verfügung haben wird....
Die Steinacher Stallungen, sehr geräumig, sehr luftig, sind mit einem grünen Roburoid-Dach gedeckt, das vor der Herstellung als besonders gut gespriesen worden war, aber viele Reparaturen erfordert...
Die Ställe sind keine Hallenbauten, wie in England und Frankreich der besseren Luft wegen fast ausschließlich; sondern sie haben Futterböden über sich. Für frische Luft wird durch ausgezeichnete Ventilationsanlagen gesorgt, die die verbrauchte Luft abführen und frische Luft zuleiten.“
Innenhof Gestüt Steinach (ca. 1912)
Bild: Nachlass Ludwig Niggl
Gestüt Steinach, im Vordergrund Gestütsmeister Dornbusch im Wagen, rechts sein Wohnhaus (aufgenommen ca. 1913)
Bild: Nachlass Ludwig Niggl
Es stellen sich auf den Rennbahnen großartige - in der Geschichte der Vollblutzucht Bayerns einmalige - Erfolge ein. So gewinnt Carl August von Schmieder mit seinen 3-Jährigen von 1909 bis 1916 achtmal in Folge (!) das „Bayerische Zuchtrennen“, also das „Bayerische Derby" in München-Riem, er ist in dieser Zeit Bayerns erfolgreichster Rennstallbesitzer.
Die teuerste Mutterstute kostete 65.000 Goldmark. Der Vollblutdeckhengst Malua kostete fast 100.000 Goldmark (das entspricht einem heutigen Wert von ca. 1 Million Euro). Der Hengst Alamito, der die Halbblüter deckte hatte einen Wert von 30.000 Goldmark.
Selbst die Stuten des späteren König Ludwig III. aus Leutstetten kamen nach Steinach zum Decken.
Die Gestütswärter (von links: ?, Neidl, Hahn, Stille) mit mehreren Vollblut Mutterstuten und ihren Fohlen ca. 1913
Bild: Nachlass Ludwig Niggl
Der Rennstall des Gestütes Steinach befand sich auf der Berliner Rennbahn Hoppegarten. Er wurde geleitet von Artilleriehauptmann a.D. Bauer. Die Jockeys bekamen ein hohes Gehalt.
Gestüt Steinach, in der Mitte auf der Rückseite der Gebäude - die überdachte Laufbahn, um die Vollblütern auch bei schlechtem Wetter bewegen zu können
(Bild: ca. 1930, Nachlass Ludwig Niggl)
Vollblut - Halbblut - Kaltblut
Der Inflation fiel auch das Vollblutgestüt Steinach zum Opfer. Der Pferdebestand wurde immer mehr verringert. Um die Stallungen zu nutzen, wurden in Hannover junge Warmblutpferde gekauft, in Steinach eingefahren und dann als Wagenpferde verkauft. Als dann immer mehr Autos als Transportmittel vermögender Leute verwendet wurden, verlor das edle Wagenpferd an Bedeutung.
Hannoveraner im Schlitten gefahren vom Kutscher Axinger im Gestüt Steinach ca. 1920
Bild: Nachlass Ludwig Niggl
1930 wurde im Gestütswärterhaus und in einem Teil der Pferdeboxen die Studiengesellschaft zur Förderung der Grünlandwirtschaft eingerichtet. Die Finanzierung dieses Grünlandforschungsinstitutes lag zu je 1/3 beim Bayerischen Staat, dem Kalisyndikat und August von Schmieder. Bis 1972 wurden dort umfangreiche Grünlandversuche durchgeführt und viele Grünland Fortbildungskurse für Landwirte und die angehenden Beamten im bayerischen landwirtschaftlichen Dienst abgehalten. Die Leitung oblag von 1931 bis zu seinem Tod 1961 Prof. Dr. Fritz König und danach bis 1972 Prof. Dr. Franz Zürn. Nach dem Tod von Prof. Dr. Franz Zürn wurde die Studiengesellschaft und damit der Lehrbetrieb aufgelöst, die Durchführung der Grünlandversuche konnte unter der fachlichen Führung des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Deggendorf weitergeführt werden.
In den 1950er Jahren tritt der Name Steinach nochmal in der Pferdezucht hervor. Es wurden Noriker Stut- und Hengstfohlen gekauft. Die Stuten wurden zum Aufbau der Kaltblutherde verwendet, die als Gespannpferde des Gutes eingesetzt wurden. Die Hengste wurden aufgezogen und als Arbeitspferde verkauft. Der Traktor und seine schnelle Ausbreitung in den bäuerlichen Betrieben brachte diese Zucht zum Erliegen. 1956 wurden nur noch vier Stuten im Gutshof als Gespann verwendet.
Junge Noriker-Hengste auf dem Marsch zur Körung nach Straubing ca. 1950
(Körung ist die Auswahl von geeigneten Hengsten zur Zucht)
Bild: Nachlass Ludwig Niggl
In den Jahren 1966 bis 1970 fand eine Wiederbelebung des Gestüts statt. Pferde wurden wieder angeschafft und mit der Zucht von Trabrennpferden begonnen. Ein neuer moderner Kuhstall für 120 Milchkühe und einem großen Melkstand wurde errichtet und damit konnte die Milchviehherde des Gutes ganzjährig im Gestüt gehalten und von einer Person betreut werden. Davor wurden die Milchkühe im Herbst/Winter vorne im Hauptbetrieb am Alten Schloss im dortigen großen Kuhstall gehalten und gemolken. Ende April/Anfang Mai wurde die gesamte Milchviehherde vom Gutshof zum Schanzlweiher und von dort im eingezäunten sog. Triebweg entlang des Waldes über 2 km bis zum Gestüt getrieben. Dort verbrachten die ca. 100 Milchkühe den Sommer auf den Gestütsweiden. Zweimal am Tag wurden sie in einen speziell dazu umgebauten Teil des Gestütes zum Melken hereingetrieben und von 5- 6 Melkern mit einer sog. Eimermelkanlage gemolken.
Bekanntester Deckhengst war Simmerl, Deutschlands erfolgreichster und schnellster Traber zwischen 1963 und 1970.
Archiv für Heimatgeschichte Steinach
Ende der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre wurde das Gestüt Steinach von Bayerns Commission für Traberzucht und -rennen als Besamungsstation für Traberstuten verwendet.
1985/85 wurde das alte Vollblutgestüt renoviert und in dem inzwischen stillgelegten Kuhstall aus dem Jahre 1964 zusätzliche Pferdeboxen eingebaut. 1984 umfasste das Gestüt 156 Pferdeboxen mit 40 Hektar Weiden und einer 900 m Trainierbahn für Trabrennpferde. Nach dem Verkauf an die Familie Kronseder im Jahr 1988 wurde das Gestüt verpachtet an den damals erfolgreichsten Trabertrainer Helmut Biendl, der mit den hier in Steinach stehenden ca. 100 Trabrennpferden jahrelang große Erfolge auf allen Rennbahnen Deutschlands feiern konnte. Nachdem der Trabrennsport ab dem neuen Jahrtausend einen erheblichen Niedergang erlebte, wurde die Trabrennpferdehaltung aufgegeben.
Luftaufnahme aus dem Jahr 1986
Das ehemalige Niemaier-Wohnhaus und spätere Gestütswärterhaus (links oben) beherbergte ab 1930 das Bayerische Grünlandinstitut.
Das Gestüt gehört heute zum Besitz der Saatzucht Steinach, das alte Gestütswärterhaus wurde abgerissen, im ehemaligen Gestütsmeisterhaus wohnt nun der Gutsverwalter, ein kleiner Teil der Pferdeboxen beherbergt derzeit einen Reitstall.
Quellen:
Agsteiner, Hans: Steinach. Eine Heimageschichte und Chronik der Gemeinde Steinach mit den Gemeindeteilen Münster, Agendorf und Wolferszell, 1996
Grundler, Thomas: Die Familie von Schmieder in Steinach. 3. Beilage zum Gemeindeboten der Gemeinde Steinach, September 2005
Niggl, Ludwig: Die Geschichte von Schloßgut und Dorf Steinach 1904 - 1956
Bilder: Archiv für Heimatgeschichte Steinach
Stand: 29.01.2020