Der Schulstreik von Gschwendt
von Cornelia Landstorfer
Als man im Jahr 1960 ihre Kinder gegen ihren Willen nach Ascha einschulen wollte, zeigten die Bürger aus Gschwendt wieder einmal Courage und Solidarität. Ein langer Streit führte schließlich 1963 zu einem Schulstreik.
Diese Misere wäre vermutlich nicht entstanden, wenn die Gemeinde Gschwendt 1946 nicht aufgelöst worden wäre. Auch damals leisteten die Bewohner von Gschwendt Widerstand und wandten sich unter anderem an das Innenministerium. Leider blieben alle Bemühungen ohne Erfolg, Gschwendt verlor seine Eigenständigkeit und kam zur Gemeinde Ascha.
1959 hatte die Gemeinde Ascha die „Einsprengelung der Ortschaft Gschwendt in den Schulverband Ascha“ beantragt. Nicht nur der finanzielle Aspekt, da beim Schulhausneubau die Kinder aus Gschwendt fest eingeplant waren, sondern auch um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gschwendter Bürger mit der Gemeinde Ascha bereits im Kindesalter zu fördern, sei dieser Schritt notwendig, so die Begründung der Gemeinde Ascha.
Auch in Steinach war eine neue Schule gebaut worden, bei der man die Gschwendter Kinder einkalkuliert hatte. Mehrfach klagte der Schulverband Steinach im Verwaltungsgericht Regensburg gegen die 1959 beschlossene Versetzung der Schüler aus Gschwendt von Steinach nach Ascha. Auch das bischöfliche Ordinariat in Regensburg plädierte dafür, Schule und Kirche nicht zu trennen, da Gschwendt seit Jahrhunderten zur Pfarrei Steinach gehört.
Nach drei Jahren Streit fällte schließlich 1962 das oberste Verwaltungsgericht in München die Entscheidung, dass die Kinder aus Gschwendt bereits im Januar 1963, also mitten im Schuljahr, die Aschaer Schule besuchen müssen. Alle Proteste der Bevölkerung waren gescheitert. Selbst ein Schreiben an den bayerischen Ministerpräsidenten und an den Bundespräsidenten blieb erfolglos. Involviert in diese Auseinandersetzungen waren auch der damalige Landrat und der Regierungspräsident von Niederbayern.
Man hatte allerdings die Rechnung ohne die Gschwendter gemacht, die sich beständig weigerten, ihre Kinder auf der vielbefahrenen und gefährlichen Bundesstraße 20 nach Ascha zu schicken. Lediglich sieben Schüler beugten sich der Anordnung, während die restlichen 17 Schulkinder weiterhin nach Steinach gingen. Schließlich musste die Polizei den Kindern den Weg zur Schule versperren.
Selbst die Bitte der Eltern, die Umsprengelung auf das kommende Schuljahr zu verschieben, wurde abgeschmettert. Als letzte Option meldeten einige der Betroffenen ihre Kinder von der Gemeinde Ascha auf die Gemeinde Steinach um. Die hierfür notwendigen „Pflegeeltern“ waren schnell gefunden und einige Kinder konnten auf diese Weise weiter in Steinach unterrichtet werden. Doch diese „Scheinummeldungen“ verstand die Gemeinde Ascha bald zu unterbinden.
Die Eltern bekamen Bescheide mit Zwangsgeldern in Höhe von 300 DM pro Kind und es wurde ihnen weitere Strafen in Höhe von 500 Mark pro Kind angedroht, wenn sie sich der Anweisung, ihre Kinder nach Ascha in die Schule zu schicken, weiterhin widersetzten.
Mehr als 60 Zeitungsberichte und Leserbriefe begleiteten den jahrelangen emotionalen Zwist, auch der Bayerische Rundfunk war vor Ort und drehte einen Film über diesen Vorgang in Gschwendt.
Straubinger Zeitung vom 10. Januar 1963
Original Film vom Bayerischen Rundfunk über den Schulstreik in Gschwendt
Der erste Sprecher war der Ortsvorsteher Xaver Deuschl, gefolgt von Emma Eckmann und Gottfried Bachmeier.
Der älteste Einwohner war Jakob Biendl.
Der Dekan von Steinach Pfarrer Johann Gnogler.
Bürgermeister Max Gigler und Lehrer Josef Bohmann von Ascha.
Schulstreik von Gschwendt
Quelle: Bayerischer Rundfunk Mediathek
In mehreren Zeitungs-Artikel wurde dargelegt, dass die Kinder aus Gschwendt schon 1366 in Steinach unterrichtet worden seien. Einer Gegendarstellung zufolge dürften die Platzverhältnisse dieser Schule, die in der Wohnstube des Steinacher Mesners lokalisiert war, die Unterrichtung von Schülern ausserhalb Steinachs nicht zugelassen haben. Erst mit dem Schuledikt von 1771 wurden die Kinder aus Gschwendt zunächst notdürftig im Mesnerhaus in Gschwendt unterrichtet. Da sich die Eltern aus Gschwendt damals weigerten, zur Errichtung eines Schulhauses für die Pfarrei Steinach etwas beizutragen, schickten sie ihre Kinder nach Ascha zur Schule. Erst die Androhung, die Filialkirche Gschwendt abzureissen, brachte die Gemeinde Gschwendt dazu, einen Beitrag von 8800 Ziegelsteinen beizusteuern. 1824 wurden die Kinder aus Gschwendt auf Betreiben des Pfarrers wieder in Steinach unterrichtet (Vgl. Straubinger Tagblatt 09.02.1963). Schulische Differenzen mit dem kleinen Dorf Gschwendt gab es also schon früher.
Schulklasse Steinach ca. 1927
Erste Reihe, zweiter von links: Peter Landstorfer aus Gschwendt
Bild: Familie Landstorfer Gschwendt
Schulklasse Steinach mit Lehrerin Höchtl
(Frau Höchtl war die Schwester des späteren Straubinger Bürgermeisters Dr. Otto Höchtl)
ca. 1928
Erste Reihe, zweiter von links: Michael Landstorfer aus Gschwendt
Michael Landstorfer verdankt sein Leben der damaligen Steinacher Lehrerin. Schwerkrank hatte ihn der Arzt aufgegeben und brach die Behandlung ab.
Die Lehrerin schritt daraufhin selbst zur Tat und schnitt dem Kind die große Geschwulst an der Schulter auf, kam täglich und verband die Wunde, bis ihr Schüler schließlich wieder gesund war.
"Erinnerung an meine Schulzeit 1936"
Rosa, Katharina, Xaver und Josef Landstorfer aus Gschwendt
Bild: Familie Landstorfer Gschwendt
Zeugnis des Josef Stubenhofer aus Gschwendt aus dem Jahr 1905 über den siebenjährigen Besuch der Werktagsschule, sowie den dreijährigen Besuch der Sonn- und Feiertagsschule in Steinach.
Benotet wurden die Fächer Religionslehre, Biblische Geschichte, Gedächtnisübungen, Lesen und Sprechen, Aufsatz, Rechtschreiben, Sprachlehre, mündliches und schriftliches Rechnen, Geographie, Geschichte, Naturkunde, Schönschreiben. Zeichnen, Singen, Turnen und Handarbeiten sind hier nicht benotet worden.
Zeugnis im Besitz der Familie Landstorfer in Gschwendt
Josef Stubenhofer ist während des ersten Weltkrieges in einem Gefecht bei Fromelles in Frankreich durch einen Kopfschuss gefallen.
In Fromelles wurde er in einem Mehrfachgrab beerdigt. Der einzige Sohn sollte ursprünglich den elterlichen Hof in Gschwendt erben.
Bild: Familie Landstorfer Gschwendt