Vom Helmberger Einödhof zum Gärtnerhaus des Neuen Schlosses

 

von Claudia Heigl

 

 

Auf dem Singberg, dem Baugelände des Neuen Schlosses Steinach, befanden sich ursprünglich zwei Einöd-Höfe: ein kleiner Hof – das Singberg-Anwesen auf der Bergspitze und das etwas tiefergelegene sog. Helmberg-Anwesen, das August von Schmieder zum heute noch bestehenden Gärtnerhaus umgestaltet hat.

Nach Josef Schlicht hieß der Singberg bis 1634 noch Gerhartsberg, d.h. Berg bzw. Bergsiedlung eines Gerhart. Weshalb sich die Bezeichnung „Singberg“ eingebürgert hat, ist nicht bekannt. Schlicht vermutet, dass der nahe gelegene Vogelherd für die Umbenennung maßgeblich war.

1324 wird der „Gehertzperg“ bereits urkundlich erwähnt. Das kleine Anwesen auf dem Gerhartsberg war dem Augsburger Domkapitel grundbar, wie die zahlreichen Höfe in und um Steinach.

Lt. einem Salbuch von 14441 hat Maister Peter, der Dechant von Münster, ein Viertel Bau, genannt Gebhartsberg zu Lehen genommen“. Hier handelte es sich um den Dekan des Kollegiatstifts Pfaffmünster. Die Bauern auf dem Hof  waren von nun da an dem Kollegiatstift Münster als Grundherren unterstellt.

 Positionsblatt

Südlich der Helmberg, versetzt in nördlicher Richtung der Singberg, späterer Standorf des Neuen Schloss Steinach
Positionsblätter ca. aus dem Jahr 1848
Quelle Vermessungsverwaltung München, Bayernatlas

 

 

 

Bei dem früher bezeichneten „Hof am Hellenberg“ handelt es sich wahrscheinlich um den Wiedenhof

In den alten Salbüchern aus dem 14. bis 16. Jahrhundert wird ein Hof am „Hellenberg“ bzw. „Helmberg“ erwähnt. Bis jetzt war man der Annahme, dass es sich hier um den "Helmberg-Hof" handelte.

Bei dem bis ins 17. Jahrhundert so bezeichneten „Hof  am Hellenberg“ kann es sich jedoch nur um den „Wiedenhof“ handeln. Dieser war am östlichen Fuße des Helmberg gelegen. Die Wiedenhofbauern wurden in den Kirchenbüchern bis Anfang des 18. Jahrhunderts abwechselnd als Bauer auf dem Wiedenhof, auf dem Helmperg oder als Bauern auf dem Helmhof2 bezeichnet.

 

Liquidationsprotokoll Helmberg
Der Helmberger-Einödhof gehörte zur Steuergemeinde Münster, während der Singberg-Hof zur Steuergemeinde Steinach gehörte
Im Liquidationsprotokoll der Steuergemeinde Münster aus dem Jahr 1838 wird der Hof als "1/8 Helmberger Einödhof" mit der Hs.Nr. 61 aufgeführt.
Karte: Vermessungsamt Straubing,  Liquidationsprotokoll aus dem Jahr 1838 der Steuergemeinde Münster

 

 

 

 

Die Bauern auf dem Hof

Der Grundherr des Helmberg-Hofes war bis zur Säkularisation im Jahr 1803 das Kollegiatstift Münster, dass seit 1581 seinen Sitz in Straubing hatte.

Zwischen 1601 und 1604 gab es einen Streit zwischen dem Kollegiatstift Straubing gegen den Steinacher Gutsbesitzer Wiguleus Hundt wegen des Zehents am Geratsberg3.

 

Der Hof gehörte wohl als Bausölde zu dem Wiedenhof. Den in einem Zins- und Stiftbuch aus dem jahre 1685 finden wir beim Wiedenhof folgenden Vermerk4:
"Das Baugütl hatte 1695 Hans Spiessl dem Jakob Achaz rediert (verkauft oder übertragen) und pactiert (und darüber eine vertragliche Vereinbarung getroffen).
Achatz zum dem Spiessl jährlich dafür 3 Gulden 5 Kreuzer und 20 Heller, 20 Eier, 3 Pfund Schmalz, ebenso 1/2 Scheffel Korn und Futter beibringen."

 

Jakob Achatz war der Schwiegersohn des Johann Spießl und mit dessen Tochter Eva verheiratet. Bei der Heirat überträgt der Vater die Bausölde, damit sich das junge Paar eine Existenz aufbauen konnte. Vorher dürfte der Hof also noch nicht bestanden haben.

 

Achatz

 


1718 übernahm die Tochter Walburga mit ihrem Ehemann Joseph Kiefl (auch Kiefel, Küfel) das Anwesen. Die Familie musste jedoch 1724 den Hof aufgeben und sie zogen als Einwohner, ohne Grundbesitz, nach Münster, wo Joseph Kiefl als Tagelöhner seine Familie fortbringen musste.

Der Hof wurde vom Kollegiatstift an Johann Wolf von Öd bei Wiesenfelden vergeben. Aber auch Wolf blieb mit seiner Familie nur sieben Jahre auf dem Hof und erwarb 1732 den Hof auf dem Pürstenberg, wo seine Nachkommen noch heute ansässig sind.

 

Wolf

 

Ihm folgte Andreas Türck als Hofbesitzer. Der verdiente sich noch zusätzlich seinen Lebensunterhalt als Zimmermann. Nach dessen Tod verkaufte seine Witwe das Anwesen 1753 an Wolfgang und Barbara Schaller, die jedoch bereits drei Jahre später, am 25.08.1756, das Erbrechtsgütl am Helmberg mit Johann und Barbara Hartmann gegen deren Erbrechtshäusl in Furth vertauschten.

 

Tuerck

 

 

 

Die Schicksalsschläge der Familie Hartmann

Vier Generationen der Familie Hartmann bewirtschafteten den Hof, der schließlich 1862 insgesamt 51 Tagwerk (17,38 ha) an Grundbesitz umfasste.

 

Johann und Barbara Hartmann hatten mindestens zehn Kinder, von denen acht im Kindalter oder in jungen Jahren starben. Nur die Söhne Mathias (*1758) und Franz (*1767) überlebten.

 

Der jüngere Sohn Franz übernahm 1793 den Hof und heiratete Maria Anna Soller von Kreuzkirchen.
Von deren elf Kindern erreichten fünf Kinder das Erwachsenenalter:
- Anna Maria (*1795) heiratete 1824 den Steinacher Halbbauern Joseph Waas.
- Katharina (*1797)
- Andreas (*1800), Hoferbe
- Theresia (*1804)
- Anna Maria (*1812)

 

 

Hartmann

 

 

Sohn Andreas übernahm 1831 den Hof und vermählte sich mit der Bauerstochter Katharina Scherer von Thalstetten.
Das Paar hatte acht Kinder, von denen vier das Erwachsenenalter erreichten:
- Therese (*1834)
- Katharina (*1837)
- Andreas (*1838) Hoferbe
- Josef (*1840)


1841 wurde die Bäuerin Katharina Hartmann Opfer eines Raubüberfalles über den der Münsterer Pfarrer Peter Knott in der Pfarrchronik berichtete:
„Sonntag den 17. Jänner 1841 brachen während des Gottesdienstes drei Räuber am Helmberg ein, misshandelten die eben erst entbundene Hausmutter Katharina Hartmann grausam, zerschlugen ihr unter anderem die Ellenbogenbeine, banden sie, warfen sie in einen kalten Winkel und raubten die bedeutende Barschaft von 100 Gulden. Sie machten sich davon und wurden nicht mehr entdeckt.“

Zu diesem Vorfall gibt es noch eine weitere, etwas abgeänderte Aufzeichnung5 unter dem Titel:


Wie der Räuber Matzeder eine Steinacher Bäuerin federte
Der Räuber Franz Matzeder aus Matzöd, Landgericht Landau, wurde am 23. Juni 1851 in Straubing hingerichtet. Als Metzeder auf dem Schinderkarren gebunden und gefolgt von vielem Volk zur Richtstätte gefahren wurde, brach er plötzlich zur Verwunderung aller in unbändige Heiterkeit aus. vom Henker befragt, wie er angesichts des Todes noch so herzhaft lachen könne, erzählte der Delinquent sein schandbares Schelmenstück, wie er einmal bei Steinach eine Bäuerin gefedert hatte.

Er drang an einem Sonntagmorgen in einen Bauernhof bei Steinach ein, dessen Bewohner alle zum Gottesdienst gegangen waren mit Ausnahme der Bäuerin, die sich in gesegneten Umständen befand. Wie erschrak sie, als sie in dem frechen Eindringling den berüchtigten Räuber erkannte! Weinend bat sie um Erbarmen. Matzeder beschwichtigte sie – sie brauche nichts zu befürchten, wenn sie tue, was er sie heiße. Erleichtert ging die Bäuerin darauf ein, worauf er ihr befahl, sich zu entkleiden und ihre langen Haare zu lösen und wallen zu lassen. Widerstrebend gehorchte sie; hierauf ließ er sich  von ihr einen Kübel Honig geben, schüttete diesen der gepeinigten Frau über den Kopf, schnitt ein Federbett auf und zwang die Bäuerin, sich darin zu wälzen.
Daraufhin musste sie in dieser unfreiwilligen Verkleidung ihrem aus der Kirche heimkehrenden Mann entgegengehen. Matzeder ging mit geladenem Gewehr hinter ihr her, damit sie den Befehl getreulich vollziehe. Als die Arme ihren Ehemann mit anderen Bauern aus dem Wald herankommen sah, ließ sie ihm laut jammernd entgegen. Bei diesem ungewohnten Anblick ergriffen die abergläubischen Landleute die Flucht im Glauben, der leibhaftige Teufel jage hinter ihnen her.

 

Katharina Hartmann hatte am 30. Dezember 1840 einen Sohn namens Josef entbunden. Nach der damaligen Sitte nahm eine Wöchnerin erst nach sechs Wochen wieder  an einem Gottesdienst teil.

 

 

Doch auch ihr Sohn Andreas musste mit seiner Ehefrau Katharina, geb. Bachl, viele Schicksalsschläge hinnehmen.
Von den insgesamt zwölf Kindern, überlebten nur die ersten beiden, alle weiteren zehn Kinder wurden nicht älter als zwei Monate.
Tochter Therese (*1866) wurde mit 17 Jahren schwanger und heiratete 1883 in den Hof des Steinacher Bauern Michael Bogner ein.
Der Hoferbe Sohn Josef (*1867) wurde im Alter von 22 Jahren von einem Pferd erschlagen und starb am 13.06.1889.

Als 1891 der 52jährige Bauer Andreas Hartmann an Typhus starb, bewirtschaftete die Witwe den Hof noch drei Jahre alleine weiter. Am 27.02.1894 verkaufte sie schließlich den 17 ha großen Besitz um 17.800 Mark an den Immobilienhändler Johann Amonn. Zwei Jahre später heiratete sie den Steinacher Witwer und Gütler Wolfgang Sieber und zog, nach dem Verkauf des Steinacher Gütl im Jahr 1902, mit ihm nach Straubing, wo sie im Alter von 63 Jahren schließlich auch verstarb.

Einen Monat nach dem Verkauf tauschten Georg und Maria Füchsl ihr Anwesen in Voglsang Nr. 26 1/3 mit Johann Amonn gegen den Helmberg-Hof.

 

Fuechsl

 

Als der Steinacher Gutsbesitzer August von Schmieder seine Schlosserweiterung des Alten Schlosses Steinach nicht gleich wie gewünscht durchführen konnte, entschied er sich ein Neues Schloss an anderer Stelle zu errichten. Nachdem auf dem auf dem Berghof nicht alle Grundstücke von ihm erworben werden konnte, kam als nächste Wahl der Helmberg als erste Erhöhung am Rande des Donau-Randbruches mit famosem, unverwehrtem Blick hinaus in die Donauebene  und der etwas versetzt liegende Singberg in Frage. Da auch hier nicht alle Grundstücke zum Verkauf standen, fiel die Wahl schließlich auf dem Singberg. Am 3. November 1902 erwarb August von Schmieder das „Singberg-Anwesen“ von Xaver und Kreszenz Holmer.

Am 07. Juli 1903 kaufte er schließlich auch den Helmberg-Hof um 43.141,30 Mark von Georg und Maria Füchsl.

 Bild 10 Helmberganwesen

Das Helmberg-Anwesen kurz vor Baubeginn des Neuen Schlosses 1905
(Foto: Limbrunner, Straubing)

 

Die zusammenhängenden Flächen der beiden Betriebe auf bzw. am südlichen Hang des Singberges wurden zum insgesamt gut 25 ha großen Areal für den Bau des Neuen Schlossen zusammengefasst.

Während das Singberg-Anwesen abgetragen wurde, gestaltete man das ehemalige Wohnhaus des Helmberg-Anwesens als Gärtnerhaus komplett um.

 

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Das noch nicht umgebaute Wohnhaus und spätere Gärtnerhaus im Winter 1905 mit den bereits entstehenden Gewächshäusern
(Foto: Limbrunner, Straubing)

 

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Das als Gärtnerhaus umgebaute Wohnhaus des ehemaligen Helmberganwesen im April 1907
(Foto: Limbrunner, Straubing)

 

Das Gärtnerhaus beherbergte zwei Wohnungen für „Verheiratete“, vier Zimmer für die Gartengehilfen und eines für den „Eselbuben“, einen Eselstall, ein Samenzimmer,  Lagerräume und ganz im Westen die Wäscherei.

 

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Das Gärtnerhaus, Ansicht von Osten, Juni 1907
(Foto: Limbrunner, Straubing)

 

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Das ehemalige Gärtnerhaus des Neuen Schlosses Steinach im August 2019
Bild: Claudia Heigl

 

Nach der wechselhaften Geschichte des Helmberg-Hofes und des Neuen Schlosses dient das ehemalige Bauernhaus und spätere Gärtnerhaus heute als Wohnhaus.

 

 

 

1 Salbuch des Augsburger Domkapitels von 1444, nach Keim in JHVS 1965, S.34-38
2
Bischöfl. Zentralarchiv Regensburg, Pfarrmatrikel Pfaffmünster, Bd. 2, S. 389, 29.06.1717 Sterbeeintrag der Maria Spießl, Ehefrau des Johann Spiesl, Bauer auf dem Helmhof

3 StA Landshut, Regierung Straubing, A. 5708
4 BayHStA München, Straubing Kollegiatstift St. Jakob und Tiburtius KL 3, Zins- und Stiftbuch, fol. 147
5 Agsteiner Hans, Chronik der Gemeinde Steinach mit den Gemeindeteilen Münster, Agendorf und Wolferszell, 1996, S.389. Entnommen aus „Straubinger Hefte“, Nr. 35 (1985) mit dem Titel „Historisches Mosaik aus Niederbayern“ von Hans Schlappinger (1882-1951). Herausgegeben von Johannes-Turmair-Gymnasium.

weitere Quellen:
Agsteiner Hans, Das Baugelände für das Neue Schloss Steinach am Singberg/Helmberg, erschienen als Beilage zum Gemeindeboten im Juni 2008 der Gemeinde Steinach
Bischöfl. Zentralarchiv Regensburg, Pfarrmatrikel der Pfarrei Münster

 

 

aktualisiert: 16.09.2024