Das Hirtenhaus bzw. Gemeindehaus Hs.Nr. 25
heute Kirchweg 2
von Claudia Heigl
Am Fuße des Alten Schlosses, zwischen den großen Höfen in Steinach gelegen, befand sich seit Urzeiten das Hirtenhaus.
Bereits 1641 wird das Haus als „Sölde am Baumgarten; die Dorfgemeinde für den Hirten“ aufgeführt1.
Das Haus war Gemeinschaftsbesitz der gesamten Dorfgemeinschaft, gehörte also den Dorfbewohnern und nicht dem Steinacher Schlossherrn.
Das Haus um 1904
Garten des Hirtenhauses wird abgetrennt
Zu dem Haus gehörte ein kleiner Grasgarten, auf dem Mitte des 19. Jahrhunderts ein Backofen errichtet wird. 1866 verkauft die Gemeinde den Grasgarten mit dem Backofen an Georg und Kreszenz Sagstetter, die im gegenüberliegendem Bergbauern-Anwesen Hs.Nr. 24 wohnen.
1882 wird dieses kleine Grundstück von Maria Hagenauer erworben und 1885 darauf ein kleines Häuschen errichtet. (siehe Hs.Nr. 84)
Ortskarte
Quelle: Vermessungsamt Straubing, Ortskarte Steinach Nr. 187d
Das Hirtenhaus selbst wird 1885 komplett neu erbaut. Es erhält auch einen Abort (Toilette), der an dem Haus angebaut wird.
links das ehemalige Hirtenhaus, rechts das neue Haus Nr. 84
aufgenommen 1956
links das ehemalige Hirtenhaus aufgenommen ca. 1950
(Bild: Familie Heimerl, Steinach)
Das Haus wird in den nächsten Jahrzehnten modernisiert. Der Baukörper selbst ist jedoch bis heute fast unverändert.
Das Haus aufgenommen 1956 und 2021
(Bilder: Archiv f. Heimatgeschichte Steinach und Claudia Heigl)
Die Hirten in Steinach
Jahrhundertelang wurden die Nutztiere, wie Kühe, Schweine, Schafe und Gänse in den Sommermonaten aus den Ställen auf die Weiden getrieben. Selbst der ärmste Häusler hatte meist eine Milchkuh und das Recht, diese auf den Gemeindegründen weiden zu lassen.
Da die Futterhaltung über den Winter sehr aufwendig war, wurden in dieser Zeit nur das nötigste Vieh, z.B. eine Milchkuh, gehalten. Nur die größeren Bauern konnte sich leisten, mehrere Tiere im Winter durchzufuttern. Sie hatten Wiesen zur Heuernte und auch genügend Platz um einen Futtervorrat in ihrem Stadel anzulegen.
Die Aufsicht der Tiere auf den Weiden war Aufgabe des Dorfhirten. Er war verantwortlich, dass die Tiere das geeignete Futter bekamen und auch unversehrt wieder zurückkamen.
Außerdem mussten sie darauf achten, dass sie nur auf den eigenen Weiden weideten.
So gab immer wieder Streitigkeiten, bei denen es „wegen strittigem Blumbesuch“ zu Gerichtsverhandlungen kam. Blumbesuch2 wurde u.a. das Weiderecht bezeichnet.
z.B. 15453: Die Gemeinde Rotham gegen die Dorfschaft Steinach wegen strittigen Blumbesuchs auf dem sog. Riebmoss
1669-16724: Michael Hien, Bauer zu Rotham, gegen das Kastenamt Straubing bzw. Georg Brindl ebenda, wegen Blumbesuchs für einen ganzen Hof
Ein Hirte in Steinach um 1922 auf der Bognerweise (heute Sportplatz)
(Auszug aus einer Ansichtskarte)
Da die Hirten keinen eigenen Grundbesitz hatten und in dem von der Gemeinde zur Verfügung stehenden Wohnhaus wohnten, waren sie nicht sehr sesshaft. Daher ist es auch für Familienforscher schwierig, bei denen Hirten als Vorfahren vorkommen, diese zurückzuverfolgen.
Als Hirtenfamilien in Steinach sind bekannt:
- 1639: Georg und Anna Linz (Taufe der Tochter Ursula)
- 1643: Vitus und Dorothea Vogl (Taufe von Sohn Paul)
- 1646: Peter und Margaretha (+1646) Miller (Taufe v. Tochter Margaretha)
- 1647: Johann und Maria Schreiner (Taufe von Sohn Valentin)
- 1649: Adam Egelseder + Wohnte in Steinach Nr. 53
- 1668: Wolfgang und Barbara Kueffel (Kiefel) (Tochter Apollonia heiratet Peter Holmer)
- 1676: Michael Schwertter +
- 1677-1684: Michael und Dorothea (+1684) Wagner (Taufe des Sohn Jakob 1677)
- 1681: Johann und Magdalena Weyerer (Taufe des Sohn Gregor)
- 1685: Hermann Lankes (Tod d. Sohnes Paul)
- 1687: Simon (+1689) Aichinger und Anna, geb. Schreiner (1687 Taufe d. Tochter Walburga in St.). Heiratete 1657 in Münster Maria Pollinger v. Münster. War in zweiter Ehe mit einer Barbara verheiratet und heiratete in 3. Ehe in Sossau 1685 Anna Schreiner. War vorher als Hirte in Münster und Unterzeitldorn tätig.
- 1691 Gregor Pielmayer (Tod d. Sohnes Gregor)
- 1691: Martin Schambeck, Viehhirte +
- 1692: Andreas Matthes (Tod d. Sohnes Simon)
- 1709: Bartholomäus Ruepp (Taufe d. Tochter Katharina)
- 1711: Simon Franz +
- 1713: Maria Englberger +
- 1722: Georg Fux +
- 1735: Johann Pirckhl, Witwer und Hirte heiratet Magdalena Knott von Roßhaupten
- 1757: Johann Georg Obermayer, Hirte im Schloß und Helena (Tochter Magdalena heiratet Martin Manner von Kirchroth)
- 1767: Michael Zollner, Hirte heiratet Walburga Braun von Steinach
- 1768: Franz Hainl und Maria (Tochter Walburga heiratet Paul Güsshamer von Mintraching)
- 1772: Anton Hainl
- 1778: Bartholomäus Schmidbauer
- 1793: Walburga Hitzinger +, Hirtenehefrau
- 1765: Georg Knott + 74 J.
- 1879: Joseph Grüneisl (1829-1892) und Katharina geb. Vogl (Taufe des Sohnes Joseph). Sohn des Hafners Johann Georg Grüneisl
- 1903: Georg Wagner, Hirte und Nachtwächter stirbt mit 73 Jahren
Mit dem Fortschritt der Landwirtschaftstechnologie und dem gestiegenen Bedarf an Tierprodukten begann jedoch die Intensivierung der Tierhaltung. Ställe wurden gebaut, um eine ganzjährige Haltung und eine effizientere Fütterung und Betreuung der Tiere zu ermöglichen.
Dadurch wurde die Weidewirtschaft eingestellt und der Beruf des Hirten starb aus.
Ein Hirte vor der Klosterkirche Oberalteich um 1950
(Bild: Max Hiegeist, Hoerabach)
Weitere Inwohner des Hauses:
In dem Hirtenhaus wohnten, neben der Familie des Dorfhirten, auch weitere Arbeiterfamilien.
Familie Tremmel - Großeltern eines bedeutenden Musikers
Um 1856 wohnt der Maurer Michael Tremmel mit seiner Ehefrau Helena, geb. Bugl in dem Haus.
Michael (1821-1895) stammte von Breitenbach und hat 1856 die Maurerstochter Helena Bugl (1828-1873) von Steinach Hs. Nr. 40 geheiratet.
Von ihren sechs Kindern erreichen vier das Erwachsenenalter:
- Ihr ältester Sohn Joseph Tremmel (*1857) war der Vater von Max Tremmel, geb. am 30.11.1902 in Passau. Max Tremmel war Passauer Priester und ab 1946 Domorganist, sowie von 1952 - 1975 Domkapellmeister und Orgel- und Glocken-Sachverständiger im Bistum Passau.
Er gilt bis heute als einer der bedeutendsten Kirchenmusiker seiner Zeit.
- Ihr jüngster Sohn Andreas (1865-1944) war der Vater von Andreas Tremmel (1891-1949), Bankdirektor, 1945 Oberbürgermeister und 1948-1949 2. Bürgermeister von Straubing, Mitbegründer der CSU in Straubing
1879 sind 15 Personen aufgeführt die in dem Haus wohnen – Die Familie des Michael Leibl und weitere 11 Inwohner
1925 finden wir die Familien Johann Kiefel (3), Anna Bauer (2), Josef Gierl (3), Karl Wegerer (2) und Maria Bielmeier (2) als Bewohner.
Die meisten Bewohner arbeiten für den Gutsbetrieb in Steinach.
1963 wird das Haus von der Gemeinde schließlich an die Familie Pacalt veräußert, nachdem für die Gutsarbeiter eigene Arbeiterhäuser in Steinach gebaut worden waren.
Seitdem befindet sich das Haus im Privatbesitz.
1 Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Der Untertanen zu Steinach Gült und Ausstand Register von 1641
2 Blum = Gras, Wiese, Weide
3 StA Landshut, Regierung Straubing, A 5610
4 StA Landshut, Regierung Straubing, A 3983
Quellen:
StA Landshut, Rentamt Straubing B78, Häuser- und Rustikalsteuerkataster d. Steuerdistriktes Münster incl. Steinach 1808
Vermessungsamt Straubing, Liquidationsprotokoll der Steuergemeinde Steinach von 1838
StA Landshut, Grundsteuerkataster (Rep.127), Sig. 17/42-12, Umschreibehefte zum 2. Renov. Kataster der Gemarkung Steinach Hs.Nr. 66-Ende, 1906 – 1960
Stand: 11.06.2023