Die Fahrradvereine in Agendorf, Münster und Wolferszell
von Claudia Heigl
Die Menschen waren in ihrer Mobilität früher stark eingeschränkt. Reichere Bauern in der Gemeinde hatten Pferde mit Kutschen, den sog. „Gäuwagerl“, mit denen sie längere Fahrten unternehmen konnten. Die weniger wohlhabenden Gütler, Häusler und Dienstboten besaßen jedoch kein Pferd und mussten auch längere Strecken zu Fuß zurücklegen.
Die Erfindung des Fahrrads vor 200 Jahren kam vorerst nicht in der einfachen Landbevölkerung an, da ein Fabrikarbeiter in Bayern für die ersten Hochräder einen ganzen Jahreslohn bezahlen musste.
Zudem waren war es gefährlich mit den Hochrädern, mit ihrem übergroßem Vorderrad, auf den holprigen Straßen zu fahren.
Ab etwa 1875 wurden die Sicherheits- bzw. Niederräder erfunden. Sie waren wesentlich sicherer zu fahren und durch die Massenherstellung in Fabriken auch für die breite Bevölkerung bezahlbarer.
Mit dem zunehmenden Radverkehr dachte man auch daran, die neuentdeckte Fortbewegungsmöglichkeit in geregelte gesetzliche Bahnen lenken. Neben vielen früheren ortspolizeilichen Verordnungen, vor allem in den Städten, trat am 01. März 1898 die oberpolizeilichen Vorschriften über den Radfahrer-Verkehr im Königreich Bayern in Kraft.
Nach § 12 der Verordnung musste jeder Radfahrer eine von der Ortspolizeibehörde seines Wohnortes ausgestellte, auf seinen Namen lautende „Fahrkarte“ bei sich führen und auf „Erfordern“ den Aufsichtspersonen vorzeigen. Personen, welche nicht im Besitz einer solchen Fahrkarte waren, durften auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen nicht Rad fahren. Jugendlichen, welche das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, durften nur ausnahmsweise dann die Karte erteilt werden, wenn ausreichende Sicherheit dafür bestand, dass von ihnen eine Gefährdung des öffentlichen Verkehrs nicht zu besorgen war.
Personen unter 18 Jahren durfte die Fahrkarte nur mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erteilt werden. Für Radfahrer, die sich nur auf der Durchfahrt durch Bayern befanden, genügte eine von ihrer Heimatbehörde ordnungsgemäß ausgestellte Fahrkarte oder eine sonstige Legitimation.
Mit dem Gesetzesblatt 1907 Nr. 59 wurde eine neue Radfahrer-Verordnung erlassen, die zum 1. Januar 1908 in Kraft trat.
In dieser wurde das Verhalten im Straßenverkehr bereits vor hundert Jahren genauestens geregelt, obwohl damals der Verkehr noch realtiv überschaubar gewesen sein dürfte.
Viele Radfahrer-Vereine wurden gegründet. Zweck und Ziel dieser Vereine waren Wanderfahrten, die je nach Witterung, sonntäglich und an den Feiertagen stattfanden.
Auch in Münster, Agendorf und Wolferszell gab es Fahrradvereine. Von einem Verein in Steinach ist nichts bekannt.
Das Fahrradfahren war in den Anfängen vor allem Männer vorbehalten. Frauen fand man in unseren dörflichen Vereinen nicht.
Der Steinacher Benefiziat Josef Schlicht schimpfte in seinen Predigten über das „Weiberradl“. Es sei unsittlich, wenn sich ein Weibsbild auf so etwas setzt und der liebe Gott würde sicher nicht mehr lange auf sein großes Strafgericht warten lassen1.
Fahrradverein Agendorf
1905 dürfte der Radfahrerverein „Alpenrosen“ in Agendorf gegründet worden sein.
Radfahrerverein im Agendorfer Wirtshaus um 1953
Im Vordergrund die Tafel des Radfahrervereins "Alpenrosen" 1905
v.l. Hans Dietl, Luk, Xaver Meier und Hans Bemmerl
(Quelle: Familie Meier, Agendorf)
1908 wurde eine eigene Standarte angeschafft und geweiht. Sie ist heute noch in Privatbesitz vorhanden.
Bilder: Claudia Heigl
Auf der Vorderseite der Standarte ist der Radfahrer-Gruß „All Heil“ eingestickt, der bei vielen Radfahrervereinen zu finden ist.
Der Gruß wurde bei einer Generalversammlung 1883 in Magdeburg eingeführt2.
Am Tisch, zwischen dem Zitter- und dem Gitarrenspieler, sitzt Josef Dietl (1889-1964) von Agendorf
Die Wirtseheleute (stehend links und rechts) dürften Therese Huber (*1874) und Johann Huber (1857-1918) gewesen sein.
(Bild: Familie Mandl, Pellham)
Die Agendorfer waren damit auf einigen Festen unterwegs, wie die Erinnerungsbänder bezeugen:
- 07.07.1907: Standartenweihe des Radfahrervereins Reibersdorf
- 14.06.1914: Gründungsfest des Radfahrervereins in Reibersdorf
- 11.07.1920: Fest des Radfahrervereins Oberschneiding
- 16.05.1921: 40jährigen Jubiläum des Burschenvereins Eintracht in Atting
- 16.05.1921: Gründungsfest des Radfahrervereins Edelweiss in Oberalteich
- 09.07.1922: Fahnenweihe des Radfahrervereins „All Heil“ in Salching
- 27.05.1923: Jahresfest des Radfahrervereins Waldlust in Reithof
- 01.07.1923: Standartenenthüllung des Radfahrervereins in Haindling
- 20.07.1924: Standartenweihe des Radfahrerclubs in Alburg
- 26.06.1927: Gründungsfest des Radvahrervereins in Konzell
- 23.06.1929: Fahnenweihe der FFW Agendorf
- 19.07.1931: Denkmalenthüllung des Veteranen- und Kriegervereins Steinach
- 13.06.1937: 25jährigen Stiftungsfest des Gesangsvereins in Haselbach
Am 17.06.1923 feierte der Radfahrverein in Agendorf ein Fest, bei dem die Festjungfrau Lina Foidl ein Band stiftete.
links stehend die Wirtin Therese Spanner, 3. von links Pollmann, rechts Maria Spanner mit ihrem Vater dem Wirt Johann Spanner
In der Mitte sitzend mit Zitter und Bierkrug Meier u. Meier, ganz rechts mit Akkordeon Brandl
Bild: Familie Hiegeist, Hoerabach
Die Agendorfer hielten ihre sonntäglichen Ausflüge noch lange aufrecht, auch als schon langsam die Motorisierung einsetzte.
v.l.: Josef Dietl, Max Kettl, Ernst Spanner und Xaver Meier um 1952
(Bild: Familie Meier, Agendorf)
Fahrradverein Münster
In Münster dürfte etwa um dieselbe Zeit ein Radfahrverein gegründet worden sein.
Eine Postkarte, die im Jahr 1913 verschickte wurde, zeigt den Verein mit ihrer Standarte, auf der ebenfalls der Radfahrer-Gruß „All Heil“ eingestickt war.
Obere Reihe 1. v.l. Alois Brandl, 2.v.l. Sebastian Brandl
Auf dem Bierfaß sitzend Ferdinand Simmel mit Harmonie, rechts daneben Heinrich Brandl
vorne 2. von links: (mit Hut und Maßkrug) Josef Solleder, Gastwirt und ganz rechts Xaver Spießl (mit Schnurrbar und Hut)
(Ansichtskarte im Archiv für Heimatgeschichte Steinach)
Fahrradverein Wolferszell
Auch in Wolferszell gab es einen Fahrradverein, der jedoch keine eigene Standarte besaß.
Bild: Familie Maschke, Steinach
1 Bachl Albert, Aus seinen Lebenserinnerungen „Bei uns dahoim“, 1968
2 Seite „Carl Hindenburg“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 22. September 2019, 09:34 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Carl_Hindenburg&oldid=192477290 (Abgerufen: 15. April 2022, 18:37 UTC)
Weitere Quellen:
Fahrradkarte: Familie Pielmeier, Agendorf