Die Schlossbrennerei in Steinach

 

von Claudia Heigl

 

 

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Die Brennerei ca.1970
Im Anbau vor dem Kamin befand sich der Kohlen- und Kesselraum.
Die Werkstätte, rechts davon, wurde erst später angebaut.
Bild: Thomas Grundler, Archiv für Heimatgeschichte Steinach

 

 

Als 1902 die Entscheidung fällt, dass Dr. Karl August von Schmieder ein neues Schloss auf dem Singberg errichten will, wird auch das Alte Schloss von Grund auf renoviert. Es soll als Sitz der Verwaltung und als Wohnsitz des Verwalters Ludwig Niggl und der unverheirateten Angestellten dienen. Zu den Plänen gehört auch der Bau einer Brennerei.

 

Zur Verbesserung der schweren Steinacher Böden war die Einführung eines ausgedehnten Hackfruchtbaues und die Versorgung der Böden mit Stallmist aus einer intensiven Rindviehhaltung von entscheidender Bedeutung. Da wegen der weiten Entfernung zur Zuckerfabrik in Regensburg sich der Anbau von Zuckerrüben nicht lohnte und sich die Kartoffeln von den schweren Böden nicht gut für Speisezwecke eigneten, war der Anbau und die Verwertung von Stärkekartoffeln in einer sog. Landwirtschaftlichen Verschlussbrennerei eine sinnvolle Lösung1. Die Bezeichnung "Verschlussbrennerei" kommt daher, weil der gesamte Brennapparat und das Alkohollager vom Zoll jedes Jahr vor der anzumeldenden Inbetriebnahme verplombt wurde, sodass kein Tropfen Alkohol abgezweigt werden konnte. Der in der Brennerei hergestellte, hochprozentige Alkohol wurde am Ende der Brennsaison an die Brantweinmonopolgesellschaft verkauft. Nach dem Brantweinmonopolgesetz musste die als Abfall bei der Destillation anfallende Schlempe in jedem Brennereibetrieb an Nutztiere verfüttert werden, wodurch alle landwirtschaftlichen Betriebe mit einer Brennerei zur Tierhaltung, die wiederum den zur Bodenverbesserung so wertvollen Stallmist lieferte, gezwungen waren. Dadurch wollte man für die größeren landwirtschaftlichen Betriebe die Einrichtung einer Brennerei einerseits lukrativ machen und die Böden und damit die Erträge auf den Flächen durch die Stallmistgabe verbessern.
Die Schlempe war ein wertvolles, aber leicht verderbliches Viehfutter. Sie konnte nur bei kühlen Temperaturen ein paar Tage aufbewahrt werden und deswegen wurde nur in den Wintermonaten von November bis März gebrannt.

 

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Kartoffelernte 1931 für die Brennerei Steinach
Bild: Nachlass Ludwig Niggl, Archiv für Heimatgeschichte Steinach

 

 

Der komplette Schlosshof wird für den Gutsbetrieb neugestaltet und ausgebaut. Es wird die alte, schon von Dr. Carl Lang-Puchhof stillgelegte Schlossbrauerei abgerissen, ebenso musste das Torhaus und das Bauhaus, in dem die frühere Verwalterwohnung war, für einen neuen Kuhstall weichen.

Zusätzlich entstanden zur neuen Brennerei auch eine Molkerei und ein Elektrizitätswerk.

Die Verwaltung des Gutsbetriebes in Steinach obliegt bis 1904 noch dem Oberverwalter Anton Kuchenmeister in Puchhof. Denn als Carl von Lang-Puchhof den Steinacher Besitz 1901 seinem zukünftigen Schwiegersohn verkaufte, blieb die Verwaltung vorerst in den Händen des Puchhofer Verwalters.

Von Kuchenmeister wird nun ein Plan ausgearbeitet, in dem die neue Brennerei nur etwa sechs Meter vom Alten Schloss entfernt errichtet werden soll. Dies widerstrebt dem neuen jungen Steinacher Verwalter Ludwig Niggl, der den Platz, schon aus Gründen des Brandschutzes, als vollkommen ungeeignet findet. Doch alle Einwände seinerseits werden von seinem Vorgesetzten Kuchenmeister abgelehnt und Karl August von Schmieder, ganz mit dem Bau des Neuen Schlosses beschäftigt, mischt sich nicht ein.

Die Baugrube ist bereits ausgehoben und die Betongrundmauern sind schon errichtet, da wendet sich Niggl an den Bezirksamtmann Cruscilla und trägt ihm seine Bedenken vor. Der teilt seine Meinung und stellt den Bau schließlich ein. Noch am gleichen Tag kann der junge Ludwig Niggl seinen Arbeitgeber August von Schmieder von seinen eigenen Plänen über die Erweiterung des Gutshofes überzeugen.

 

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Neugestaltung des Gutshofes nach den Plänen des Architekten Iwan Bartcky.
Quelle: Archiv für Heimatgeschichte Steinach (Sig. SCHL-ALS_10)

 

 

 

Für die Erweiterung wird jedoch noch das Grundstück direkt neben der Schlossscheune benötigt, auf dem sich das Anwesen der Familie Simmel (alte Hs.Nr. 36) befindet. Niggl kann die Familie zum Verkauf überreden und bietet ihnen dafür an, nicht weit entfernt am Schlossberg, ein neues Haus zu errichten, wo die Familie noch heute ansässig ist (alte Hs.Nr. 36, August-Schmieder-Str. 18).

Nun kann 1905 die neue Brennerei, 70 Meter entfernt vom Hauptgebäude, nach den Plänen des Architekten Iwan Bartcky entstehen. Den Zuschlag für den Bau bekommt die Baufirma Dendl aus Straubing. Der 34 Meter hohe Schornstein wird von der Kaminbaufirma Rummel in Sallern erstellt.

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Bauplan der Schlossbrennerei Steinach vom Juli 1905, erstellt durch den Architekten Iwan Bartcky.
Noch vor der Einfahrt stand rechts das Feuerhaus für die Schlossfeuerwehr
Quelle: Archiv für Heimatgeschichte Steinach (Sig. SCHL-ALS_10)

 

Im Brennhaus wird auch die Kraftanlage für die beiden Schlösser eingebaut. Zwei Cornwallkessel der Firma Zorn in Regensburg, jeder mit einer Heizfläche von 34 Quadratmeter, schaffen den Dampf zum Antrieb der zwei großen Kraftmaschinen, die von der „Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg“ geliefert werden und je nach Bedarfsfall mit 50 PS arbeiten können.

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Das Maschinenhaus
Quelle: Nachlass Ludwig Niggl, Archiv für Heimatgeschichte Steinach (Sig. SCHL-ALS_5)

 

 

Von diesen beiden Kraftmaschinen werden betrieben:
- die Wasserwerkspumpe

- das Elektrizitätswerk

- die Brennerei

- die Molkerei

- die Haupttransmission, die auch die Dreschmaschine mit ihren Aufzügen, die Häckselmaschine mit dem Schleifstein, sowie die Putz- und Schrotmühle in Gang setzen.

 

 

Die Brennerei selbst, von der Firma Zorn aus Regensburg gebaut, enthält einen 30 Hektoliter großen Maischraum2.

 

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Die Brennerei der Firma Zorn aus Regensburg
Quelle: Nachlass Ludwig Niggl, Archiv für Heimatgeschichte Steinach (Sig. SCHL-ALS_6)

 

 

 

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 Neben der Brennerei und dem Anbau befand sich das Feuerwehrhaus
Ausschnitt aus einer Ansichtskarte von 1931
(Archiv für Heimatgeschichte Steinach)

 

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 Die Kartoffeln wurden, als Wintervorrat für die Brennerei, im Schlosshof in großen Mieten gelagert.
Durch den kurzen Transportweg war dies eine große Arbeitseinsparung.
aufgenommen 1931
Bild: Nachlass Ludwig Niggl, Archiv für Heimatgeschichte Steinach

 


Da im ersten Weltkrieg die Kartoffel für die Ernährung beansprucht werden, müssen in dieser Zeit teilweise Zuckerrüben gebrannt werden.
Im zweiten Weltkrieg macht vor allem die Kohlenbeschaffung Probleme, mit denen die Kraftanlage betrieben wird.

 

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.... und wieder Kartoffelernte in den 1950er Jahren.
Die Frauen lesen die Kartoffeln auf und die Männer bedienen die Fuhrwerke.
Bilder: Theresa Rosa, USA

 

 

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Der Dachaufbau auf dem Brennereigebäude diente zur Entlüftung,
Aufgenommen ca. 1950
Bild: Theresa Rosa, USA

 

 

 

 

Die Brennmeister

Bedient wird die Anlage vom Brennmeister Josef Staudinger, dem Anton Ruß (1886-1973) als Brennmeister nachfolgt. Anton Ruß wohnt mit seiner Frau Theresia (1896-1984) und seinen Kindern im nahegelegenen Schnellingerhof, in der die Schweinezucht des Guteshofes untergebracht ist, die er ebenfalls verwaltet.

Als Ruß in den Ruhestand geht, folgt ihm ca. 1951 sein Gehilfe Georg Landstorfer (1913-1982) nach, der ebenfalls zum Meister ausgebildet wird. Die Brennerei wird Anfang der 70er Jahre von Kartoffeln auf Mais umstellt. Landstorfer bewirtschaftet zusätzlich noch sein eigenes Anwesen in Steinach.

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Brennmeister Georg Landstorfer
Bild: Familie Landstorfer, Steinach

 

Im September 1976 übernimmt Johann Haselbeck die Brennerei von Georg Landstorfer, der in Rente geht. Auch er hat vorher eine Ausbildung in Weihenstephan zum Brenner erhalten.
Lt. Aussage von Johann Haselbeck dauerte der eigentliche Brennvorgang nur ca. 3,5 Stunden am Tag, in denen ca. 1,4 Tonnen Mais zu 550 Liter Alkohol verarbeitet wurden.
Die Brennerei wurde nur von November bis ca. April betrieben, dann war das jährliche Brennkontingent von 550 Hektoliter erreicht.

Der Betrieb unterlag einer strengen staatlichen Aufsicht. Sobald der verplombte Tank voll war, kamen Zollbeamte, die die Umfüllung des Alkohols in den LKW überwachten und alles neu versiegelten. Der 85%ige Alkohol wurde nach Regensburg transportiert und hier für die Industrie weiterverarbeitet. Zusätzlich gab es immer wieder unvorhergesagte Besuche seitens des Zolls, die den Brennvorgang und die Destillerie genauesten kontrollierten.

 

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Johann Haselbeck, der fünf Jahre für die Brennerei zuständig war,
übernimmt 1984 die landwirtschaftliche Verwalterstelle in der Saatzucht Steinach.
Bild: Familie Haselbeck, Steinach

 

 

 

Das Ende der Brennerei

Aufgrund der Besitz- und Betriebsveränderung wird im Frühjahr 1981 der Brennbetrieb eingestellt. Die Flurbereinigungsgenossenschaft Steinach-Agendorf – der inzwischen das Schlossgut gehört – verkauft 1982 das gutseigene Brennrecht.

1984 lässt der neue Eigentümer Helmut Lindbüchl die Kraftmaschinenanlage demontieren und den Anbau neben der Brennerei, der eine Werkstatt mit einer Schmiede und den Dampfkessel enthält, abreißen. Leider gehen die Umbaumaßnahmen so schnell vonstatten, dass die alte Kraftmaschinenanlage nicht mehr gerettet werden kann, an dem das Deutsche Museum schon Interesse gezeigt hatte.

 

 

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Die Brennerei nach der Stilllegung und kurz vor dem Umbau im März 1984.


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 In dem kleinen Anbau befand sich der Tankraum für den Alkohol.
Bilder: Archiv für Heimatgeschichte (Sig. FO-ALS_1)

 


Die alte Schlossanlage und der Gutshof sollten in ein Jagd- und Schlosshotel mit Gestüt und eigener Hofjagd umgestaltet werden. Im ehemaligen Stadel und der Molkerei entstehen Läden und Wohnungen und der Teilkomplex erhält den Namen „Haus Ascot“. In der alten Brennerei ist ein Brennerei- und Jagdmuseum vorgesehen3.

Das Hotel wird jedoch nicht in Betrieb genommen und als 1995 die KLINIK BAVARIA im „Schloss Steinach“ ein Rehabilitationszentrum einrichtet, findet in dem Brennereigebäude schließlich ein Bewegungstherapiebecken seinen Platz.

Inzwischen ist die Schlossanlage wieder in Privatbesitz und an die alte Brennerei erinnert nur noch das markante Gebäude an der Hofeinfahrt und der 34 Meter hohe Schornstein, der ein Zuhause für die Störche ist.

 

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Ehemaliges Brennereigebäude, aufgenommen im März 2022
Bild: Claudia Heigl

 

 

 

 

 

 

1 Niggl Ludwig, Die Geschichte von Schloßgut und Dorf Steinach 1904 - 1956
2 Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Broschüre „Schloßgut Steinach“ von ca. 1910
3 Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Prospekte des Jagd- und Schlosshotel Steinach

 

aktualisiert: 26.03.2022