Die Kramer in Steinach

 

von Claudia Heigl

 

 

Die Kramer (oder auch Krämer) waren bei uns in Steinach, Münster, Wolferszell und Agendorf zu finden. Sie versorgten die Dorfbevölkerung mit den alltäglichen Dingen, die nicht selbst erzeugt werden konnten. Natürlich gab es in Straubing eine wesentlich größere Auswahl, doch ein Besuch vom Dorf in die Stadt war eher selten.

 

Die Kaufmanns-Familie Altschäffel

Bis 1871 betrieben vier Generationen der Familie Wurst auf dem Anwesen Nr. 44 (heute August-Schmieder-Str. 30 und 31) eine Wagnerei. Als Joseph Wurst 1871 mit 47 Jahren starb, war sein ältester Sohn Joseph erst 14 ½ Jahre alt. Die Witwe Katharina mit ihren vier kleinen Kindern (Joseph 14 ½ Jahre, Andreas 11 Jahre, Katharina 5 Jahre und Anna Maria 3 Monate) konnte die Wagnerei alleine nicht weiterbetreiben und veräußerte 1873 den Besitz an den Wagner Joseph Köppl von Ascha, der neben dem Wohnhaus noch zusätzliche ein Ausnahmhaus mit der Haus Nr. 44 ½ errichtete. 1879 erwarb Katharina Wurst das kleine Haus mit 220 qm Grund und richtete hier eine Kramerei ein, um für den Unterhalt der Familie zu sorgen. 1889 übergab sie das Haus an ihren Sohn Andreas, der noch Wiesen und Felder dazu erwarb. (Ihr ältester Sohn Joseph Wurst erlernte das Wagner-Handwerk und macht sich ein paar Häuser weiter sesshaft (heute Schreinerei Laumer-Bierl), nachdem er 1886 die Häuslerstochter Katharina Raith heiratete.)

 

Wurst

 

 

Uraufnahme ueberlappend

Die Uraufnahme von 1827 überlappt mit der topographischen Karte von 2020
Quelle: Bay. Vermessungsverwaltung München, Bayernatlas

 

 

Am 20.08.1897 kauft Josef Altschäffel von Wolferszell das Kramer-Anwesen Nr. 44 ½  und heiratet die Steinacher Lehrerstochter Anna Schmid. Um mehr Platz zu haben, erwirbt 1898 das Ehepaar noch das Nachbaranwesen Hs.Nr. 46 mit einem großen Garten von Ferdinand Haseneder.  1904 bricht Joseph Altschäffel das alte Wohnhaus der Haseneder‘s ab und errichtet ein Waschhaus und einen Stall. Zugleich baut Altschäffel’s Schwester Maria Gössl und ihr Ehemann Otto ein Wohnhaus auf dem Grundstück und kaufen dafür ca. 550 qm Grund von den Altschäffel’s ab. Beide hatten 1904 das Krone-Wirtshaus in Steinach verkauft und betrieben in dem neuen Haus die bisherige Poststelle weiter.

 

AK STEI 133

von links: das ehemalige Wagner-Anwesen Hs.Nr. 44, die Handlung von Altschäffel Nr. 44 1/2, das neue Gössl-Haus Nr. 46
Quelle: Auszug aus einer Ansichtskarte, gelaufen 1907

 

AK STEI 79
von links: Schloss Steinach, Bugl-Handlung (Nr. 40), Bugl-Wirtshaus (Nr. 42, später Urmann), ehem. Wagnerei Hs.Nr. 44 (später Scherm-Haus), Handlung Altschäffel
Quelle: Auszug aus einer Ansichtskarte, gelaufen 1920

 

FO FFSTEI 44

das ehemalige Wagner-Anwesen und die Handlung Altschäffel am 25.06.1922
(50 jähriges Gründungsfest der Freiw. Feuerwehr Steinach)
Quelle: Nachlass Ludwig Niggl

 

 

Altschaeffel

 

 

FO STEI 10Altschäffel Josef und Anna, geb. Schmid mit ihren Kindern Josef, Maria, Kreszenz und Anna
aufgenommen ca. 1906
Quelle: Familie Altschäffel

 

 

 

AK STEI 125
Das Haus der Familie Altschäffel wird immer wieder umgebaut und erweitert. 
Quelle: Auszug aus einer Ansichtskarte, gelaufen 1915 (Hist. Verein Straubing Nr. 171)

 

 

FO STEI 1153
Die Handlung Altschäffel ca. 1933
Quelle: Familie Ebenbeck, Steinach

 

FO STEI 327

aufgenommen Fronleichnam ca. 1935
Quelle: Thomas Grundler, aus dem Album seiner Mutter Ilse Grundler

 

1937 übergeben Joseph und Anna das Anwesen an ihren Sohn Joseph jun.  und dessen Ehefrau Rosina. Nach der Heirat führte das Ehepaar zusammen das Geschäft mit der Landwirtschaft. Doch das Glück währt nicht lange - 1940 wird Joseph Altschäffel jun. eingezogen und kommt erst 1949 aus russischer Gefangenschaft in Sibirien zurück.

Josef Altschäffel jun. ist ein Kaufmann mit Herzblut. Bei ihm erhält man alles, was man für das tägliche Leben braucht. Sein Sortiment umfasst frische Lebensmittel bzw. Kolonialwaren und Produkte des täglichen Bedarfs (Haushaltswaren, Schreibwaren, Kurzwaren usw.), aber auch Werkzeuge, Nägel etc. Was es nicht in seinem Laden gibt, besorgt er umgehend, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist. Nachmittags, spätestens aber am nächsten Tag, hat er die gewünschte Ware aus der Stadt parat. Zu Weihnachten erhalten Stammkunden als Geschenk ein Stück Schweinefleisch vom eigens geschlachteten Schwein. Im Laufe der Zeit bildete das Ehepaar einige Lehrlinge als Einzelhandelsleute aus.

 

FO STEI 11Josef jun. und Rosina Altschäffel in ihrem Laden mit dem Lehrmädchen Lankes von Agendorf ca. 1955
Quelle: Familie Altschäffel

 

FO STEI 569

Der Laden wurde nochmals etwas erweitert.
aufgenommen 1956
Quelle: Archiv für Heimatgeschichte

 

 

Nach dem Tod von Joseph Altschäffel führt seine rüstige Witwe das Geschäft bis ins hohe Alter weiter. Zuletzt kaufen vor allem die Nachbarn noch Zigaretten und andere Kleinigkeiten von ihr.  Ab ca. 1988 bis 2004 ist die Poststelle in dem Haus untergebracht. Seit Mai 1994 beherbergt der ehemalige Laden eine Fahrschule.

 

FO STEI 602 4
aufgenommen Fronleichnam 2018
Quelle: Claudia Heigl

 

 

 

 

Weitere Kramereien in Steinach

In Steinach wird bereits 1649 ein Jakob Zeiss als Kramer erwähnt.

Ihm folgt 1661 ein Kaspar Berger. Die Familie Berger treffen wir bis 1741 als Kramer auf den Anwesen Hs.Nr. 55 (August-Schmieder-Str. 40) an. Die Lage nahe an der Kirche brachte zudem Kunden von auswärts, die bei ihrem Kirchenbesuch an dem Geschäft vorbeigingen.
1742 wechselt die Kramerei auf das Nachbarhaus Nr. 56 (August-Schmieder-Str. 41). Der Schuster Echinger Stephan ergreift nach dem Tod von Berger die Gelegenheit und erwirbt das Anwesen, wo er in bester Lage in der Nähe der Kirche, der Metzgerei und des neuen Wirtshauses einen Laden einrichtet. Nebenbei verdient er noch als Pfeiffer dazu.
Seine Tochter heiratet 1762 den Bader Ephraim Hagenauer.Die Kramerei scheint auf dem Anwesen aber weitergeführt worden zu sein. Sohn Josepf Hagenauer nimmt 1800 die Agendorf Bauerstochter Anna Maria Erndl zur Frau und zieht mit ihr 1803 nach Agendorf. Die "Badersölde" in Steinach wird verpachtet und 1825/1827 ziehen Sagmeister Jakob und dessen Ehefrau Anna Maria, geb. Spanfellner, als Kramerseheleute in das Haus ein. 1833 kommt die Familie Hagenauer von Agendorf zurück, die Sagmeister ziehen auf den Berghof Hs.Nr. 3. Ab dann finden sich auf den Anwesen nur noch Aufzeichnungen von einem Bader. Ob hier weiterhin auch ein Kramerladen war, lässt sich nicht feststellen. Das Badergewerbe war wesentlich bedeutender, so dass dies nicht mehr erwähnt wurde.

Das Geschäft dürfte ohnehin größtenteils von den Ehefrauen geführt worden sein. Fast 30 Jahre finden wir keine Erwähnung eines Kramers mehr in Steinach.

 

Uraufnahme Kramer

Die Standorte der Kramer im Laufe der Zeit
(die alte Hafnerei Nr. 62 hat auf dieser Karte die Nr. 63)
Quelle: Vermessungsverwaltung München, Bayernatlas, Uraufnahme 1827

 

Erst als 1859 Wolfgang Laschinger von Oberpiebing die alte Hafnerei Nr. 62 (Hafnerstr. 4) erwirbt, wird wieder ein Kramer erwähnt. Laschinger richtete ebenfalls in unmittelbarer Nähe der Kirche einen Laden in dem Haus ein. 1863 kommt es zur Versteigerung des Anwesens.
Es folgt ein Jakob Erlacher nach, der jedoch 1868 wieder in Konkurs geht und schließlich erwirbt  Walburga Schellerer das Gütl. 1873 vermacht sie es ihrer Tochter Barbara, die Johann Bachl aus Steinach heiratet.

 

 

Plan 1913 

Anbau des Ladens im Jahr 1913 durch Johann Bachl
StA Landshut, Rep. 162-17 Sch. 33, Plan Nr. 3733


Die Kramerei geht 1914 auf ihre Tochter Kreszenz Bachl, die sich mit Max Schmidbauer aus Utzmannsdorf vermählt. Kreszenz Schmidbauer stirbt bereits zwei Jahre später mit 33 Jahren im Kindsbett. Der Witwer heiratet 1919 Franziska Rohrmüller von Steinach und führt die Kramerei bis in die 1940er weiter.

 

FO STEI 17Hochzeitsgesellschaft Hilmer-Heisinger im Januar 1928
im Hintergrund das Schmidbauern-Anwesen mit dem Laden
Quelle: Familie Edenhofer, Steinach

 

 

 

Ende des 19. Jahrhunderts wächst die Bevölkerung und es werden mehr Häuser im Dorf gebaut. Das Warenangebot steigt und so richten auch noch etliche andere Familien einen kleinen Laden ein, um so für ihren Lebensunterhalt etwas dazu zu verdienen.

 

1878 werden Heigl Xaver und Helena, geb. Berger auf dem Hs.Nr. 24 ½ im unteren Dorf (August-Schmieder-Str. 14) als Kramerseheleute  bezeichnet.

 

AK STEI 72Die Handlung Heigl im unteren Dorf Hs.Nr. 24 1/2 (August-Schmieder-Str. 14)
Auszug aus einer Ansichtskarte von ca. 1910
Quelle: Sammlung Haimerl

 

1896 richtet der Maurer und spätere Bürgermeister Bugl Simon mit seiner Ehefrau Karolina einen Laden in ihrem Haus Nr. 40 (August-Schmieder-Str. 26) in unmittelbare Nähe des Schlosses ein. Der Kaufladen wird von der Tochter Anna, verh. Wanninger, noch bis 1963 Jahre betrieben.
Anschließend übernimmt Therese Maschke, geb. Laumer, die Kramerei und führt diese bis 1967.

 


FO STEI 567
links die Handlung Bugl (Hs.Nr. 40), daneben das Bugl-Wirtshaus (später Uhrmann)
aufgenommen ca. 1956
Quelle: Archiv für Heimatgeschichte


 

Ab 1923 betreiben die Wirtsleute Ludwig und Maria Herrnberger, neben ihrem Wirtshaus im unteren Dorf Hs.Nr. 17 (Bachstr. 4), ebenfalls noch einen kleinen Verkaufsladen für Lebensmittel und Kolonialwaren.

1930 erhält Rosa Schwarz neben ihrem Elternhaus (Hs.Nr. 52, August-Schmieder-Str. 35) einen Baugrund. Sie heiratet den Cousin von o.g. Franz Herrnberger und errichtet mit ihm ein Einfamilienhaus. In dem Geschäft richtet das Ehepaar ein Kurz- und Schnittwarengeschäft ein.

 

FO STEI 570unten links das Kurzwarengeschäft
aufgenommen 1956
Quelle: Archiv für Heimatgeschichte

 

FO STEI 32

aufgenommen ca. 1950
Quelle: Familie Röckl, Steinach

 

 

 

1949 eröffnen Michael und Hedwig Berger auf ihrem Anwesen Haus Nr. 22 (August-Schmieder-Str. 10) ein Lebensmittelgeschäft. 1951 wird das Geschäft von ihrer Tochter Karolina Haslbeck übernommen. Karolina baut den Laden immer mehr aus und ist eine Konkurrenz zu der Handlung der Familie Altschäffel.

 

FO STEI 573

in der Mitte der Lebensmittelladen von Ferdinand und Karolina Haslbeck, rechts die ehemalige Handlung Heigl (Hs.Nr. 24 1/2)
aufgenommen 1956
Quelle: Archiv für Heimatgeschichte

 

Nach dem Neubau des Bäckerhauses 1966 durch Franz und Sonja Röckl kam, neben dem Bäckerladen, auch der Verkauf von Lebensmittel hinzu. 1997 errichten die Bäckerseheleute Röckl Franz jun. und seine Ehefrau Christa einen EDEKA-Supermarkt in Steinach.

 

 

 

 

 

Quellen:
mündliche Mitteilung der Familie Altschäffel
StA Landshut, Grundsteuerkataster Steinach 17/42-7 und 17/42-11, Umschreibehefte zum Grundsteuerkataster 1859-1893 und 1893-1960
Alle Personendaten wurden aus dem Pfarrmatrikel von Steinach entnommen.