Vogelschutz in Steinach 

 


von Claudia Heigl

 

 

Im Nachlass des ehemaligen Gutsverwalters Landesökonomierat Ludwig Niggl befindet sich ein großformatiges Bild, dass beschrieben ist mit

 

„Erster Vogelschutzlehrgang im Neuen Schloss Steinach am 16. bis 18 Dezember 1912“.

 

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Der 1. Vogelschutzlehrgang in Steinach 1912
aufgenommen auf dem Tennisplatz des Neuen Schlosses
Bisher konnte auf dem Bild identifiziert werden:
3. Reihe stehend v.l.: 9. Pfarrer Diepold, Steinach, 11. Schlossbenefiziat Josef Schlicht, 13. Simon Bugl, Bürgermeister von Steinach
2. Reihe stehend v.l.: 2. Josef Ried, Jäger in Steinach, 3. Max Hiegeist, Hoerabach, 4. Xaver Kapfer, 5. Ludwig Jünger, Förster Dexenhof, 16. Dr. Carl von Lang-Puchhof
Sitzend v.l.: 7. August von Schmieder, 8. Karl Haenel, 9. Ludwig Niggl, Gutsverwalter, ganz rechts Paul Lorenz (Planer des Schlossparks vom Neuen Schlosses)


 

 

 

Steinach ist bekannt als Wiege der deutschen Grünlandbewegung und seiner zahlreichen Grünlandkurse, aber Vogelschutzlehrgang?

Schließlich sind wir auch in den Unterlagen von Niggl auf eine Mappe mit „Vogelschutz“ gestoßen, die neben Pläne auch eine Liste von Teilnehmer enthält und in der Weiterführung der Steinacher Chronik geht der ehemalige Gutsverwalter auch auf den Vogelschutz in Steinach detailliert ein:

1905 war der Borkenkäfer so stark aufgetreten, dass eine ernstliche Gefährdung der Wälder befürchtet werden musste. Nachdem der neue Gutsbesitzer August von Schmieder feststellte, dass der größte Feind des Borkenkäfers, die Spechte, in den Steinacher Wälder kaum anzutreffen sind, beauftragte er seinen Gutsverwalter Ludwig Niggl nachzuforschen, ob solche nicht gekauft werden könnten.

Auf seiner Suche wandte sich Niggl an den Forstassessor Karl Haenel in Bamberg. Der ihm jedoch belustigt mitteilte, dass man Spechte nicht kaufen kann, sondern diese durch Nistgelegenheiten hergezogen werden mussten. Der Vogelexperte kam nach Steinach und erläuterte was man tun musste, um optimalen Bedingungen für die Vögel zu schaffen und wie sie für die Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden konnten.

 

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August von Schmieder, Karl Haenel und Ludwig Niggl

 

In der Folge wurde eine Lehr- und Versuchsstation für Vogelschutz in Steinach von der staatlich autorisierten Kommission für Vogelschutz in Bayern ins Leben gerufen, zu deren 2. Vorsitzender Dr. August von Schmieder später gewählt wurde.

 

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Vogelschutz Karte

Vogel-Schutzkarte des Königsreichs Bayern von 1912

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Steinach ist 1912 hier eingezeichnet mit folgender Funktion:
- Ort mit fertigen Vogelschutzgehölzen
- Lehr-, Versuchs- oder Musterstation
 -Ort, wo Vogelschutz-Kurse gehalten werden.

 

 

 

 

Die Versuche wurden ausgedehnt auf die Waldwirtschaft, die Garten- und Obstbauanlagen und der Weidewirtschaft, später auch auf die Ackerwirtschaft.
Auch im neu angelegten Park des Neuen Schlosses brachten die Gärtner 500 Nistkästen an und legten Futterplätze im Winter an, um diesen mit zahlreichen Singvögeln zu bevölkern.

 

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Hans Freiherr von Berlepsch war ein Pionier des wissenschaftlichen und praktischen Vogelschutzes.
Beispiel eines vorschriftsmässigen Nistkasten für einen großen Buntspecht, der seiner natürlichen Nisthöhle nachempfunden wurde.

 

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Diese Vorlagen von Futterkästen finden teilweise heute noch Verwendung.

 

Vom 16. bis 18. Dezember 1912 fand in Steinach der erste Vogelschutzlehrgang unter Leitung von Karl Haenel und der Gutsverwaltung statt, der sehr gut besucht war. Ein zweiter Kurs vom 18. bis 20. Dezember 1913 folgte.
In den Kursen wurde zunächst auf die praktische Bedeutung des Vogelschutzes und seinen Nutzen für die Landwirtschaft eingegangen. Eingehend wurde auch die Gründe dargelegt, warum gewisse - meist die nützlichsten Vogelarten - in unserer Gegend im Abnehmen waren. Dazu gehörte, neben dem Heckenabrennen, Eier sammeln, die Vorliebe für ausgestopfte Vögel aller Art, Telegraphen, elektrische Leitungen, der Massenmord im Süden an den Zugvögel und nicht zuletzt auch die Damenmode.
Als wichtigste Maßnahme, um den Bestand wieder zu erhöhen, war die Schaffung von passenden Nistgelegenheiten, die ordnungsgemäß angebracht werden mussten. Dazu gab es auch praktische Übungen im Freien. Ausführlich wurde auch auf die richtige Winterfütterung und die hier gemachten Fehler eingegangen.


Wobei bei diesen Vorträgen natürlich der Nutzen der Vögel für die Landwirtschaft im Vordergrund standen und die Raubvögel als Bedrohung angesehen wurden.

Lt. Niggl konnte Haenel, der auch ein sehr guter Musiker war, aufgrund seines guten Gehörs die Zahl der Paare einer Vogelgattung genau bestimmen und unterstützt vom Vogelwart Nebesky, der die Steinacher Station zu betreuen hatte, ein Verzeichnis aller Vögel anfertigen, die in Steinach vorkamen.

Die frühe Vogelschutzbestrebung kam auch der 1919 ins Leben gerufenen Grünlandbewegung sehr zu Gute. Auf den ausgedehnten Weiden wurden die Vögel eingesetzt, um die Pferde, Rinder und Schweine vor ihren Peinigern, den Fliegen und Ungeziefer aller Art, zu befreien und beim Grassamenanbau halfen die Vögel die schädlichen Drahtwürmer zu bekämpfen.

 

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Schwalben und ihre Nester in den Schweinställen des Gutshofes
Bild: Nachlass Ludwig Niggl

 

Bei gemeinsam mit der Vogelschutzwarte Garmisch angestellte Versuche, stellte sich heraus, dass der Star bei den Bekämpfungsversuchen sich am besten bewährte.

Die Dorfgärten in ganz Steinach wurden mit Nistkästen für die Vögel ausgestatten, die von der Schuljugend gebastelt wurden.
Nur die Frauen protestierten, weil sich die Spatzen durch die guten Bedingungen ebenfalls stark vermehrt hatten und vor allem ihren jungen gezogenen Salat als Delikatesse ansahen.

 

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 Die Steinacher Schuljungen mit ihrem Lehrer August Pfeffer und Jäger Josef Ried
aufgenommen 1934
Bild: Detlev Schneider

 

 

 

Und zum Schluss schreibt Niggl in seiner Chronik von 1957:
„Für immer soll in der Geschichte von Steinach festgehalten werden, dass das Gut Steinach und später auch das Dorf vorbildlich mit der Zeit gegangen sind und viel dazu beitragen konnten, eine Bestrebung zu fördern, deren hohe Bedeutung erst in jüngster Zeit im Rahmen einer Großbewegung „Zurück zur Natur“ immer mehr in Erscheinung tritt.“

 

 

 

 

Quellen:
Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Vogelschutz SN-NIGGL_54
Niggl Ludwig, Die Geschichte von Schlossgut und Dorf Steinach 1904-1956

Alle Bilder, Illustrationen und Karten, soweit nicht anders angegeben:
Archiv für Heimatgeschichte Steinach