Das ehem. Chorherrenstift St. Tiburtius zu Pfaffmünster

(Münster, Gemeinde Steinach)

 

von Hans Agsteiner

 

Von dem ehemaligen Chorherrenstift St. Tiburtius zu Pfaffmünster ging einst über Jahrhunderte eine bedeutende Ausstrahlung aus. In der alten Stiftskirche treten dem Besucher die vornehmen oft adeligen Geistlichen in ihren kostbaren Grabdenkmälern aus rotem Salzburger Marmor wappengeschmückt gegenüber. Die Chorherren haben über viele Jahre die Geschicke der Bewohner von Münster und Umgebung geprägt. Grund genug sich mit dieser geistlichen Institution näher zu befassen.

 

Kein Urkloster Münster ?

Im Ortsteil Münster – bis 1979 eine selbständige Gemeinde – soll nach der Überlieferung und nach zahlreichen Indizien im 8. Jahrhundert ein Benediktinerkloster als Rodungskloster gegründet worden sein, das aus Rom die Reliquien des hl. Tiburtius, eines römischen Märtyrers, erhalten habe. Die mutmaßlichen Gründer Herzog Tassilo III. oder sein Vater Herzog Odilo hätten von dem Bodenseekloster Reichenau Benediktinermönche, die nach dem Grundsatz „ora et labora“ (bete und arbeite) lebten, nach Münster berufen. Auch der Ortsname Münster (vom mittellateinischen monasterium) verweise auf klösterliche Vergangenheit. Dieses Kloster sei im 10. Jahrhundert von den Ungarn gänzlich zerstört worden. In jüngerer Zeit wird die Existenz dieses „Urklosters Münster“ von manchen Historikern mangels urkundlicher Nachweise trotz zahlreicher Indizien verneint und als legendär dargestellt (Prinz, Böhm).

 

Vornehme adelige und studierte Geistliche

Durch tausende Urkunden nachgewiesen ist ab dem hohen Mittelalter in Münster aber das Chorherren- oder Kollegiatstift St. Tiburtius. In einem Testament, das auf die Zeit um 1115 datiert wird, vermacht der Edle Gerhoch von Wolferszell seinen Besitz zur Hälfte dem Kloster Oberalteich und zur anderen Hälfte dem Kloster oder Chorherrenstift, das sich anschließend nach „Pfaffmünster“ benennt zur Unterscheidung von dem Mönchskloster „Münchsmünster“. Die Bezeichnung „Pfaff-“ hatte damals keine abwertende Bedeutung, sondern war ein Hinweis, dass es hier nicht um Mönche sondern um Weltgeistliche handelte. Die Chorherren des Kollegiatstifts unterscheiden sich ganz wesentlich von den Mönchen in den Klöstern. Während die Mönche, oft in abgeschiedenen Gegenden, durch ihre heiligmäßige Lebensweise zur Erlangung der göttlichen Gnade für sie und die Menschen beitragen, war es Aufgabe der vornehmen adeligen und studierten Chorherren durch das Mitwirken möglichst Vieler den Gottesdienst feierlicher zu gestalten. Das Lesen der vor allem vom Adel gestifteten Messen war ihre Hauptaufgabe, die Seelsorge, die den Vikaren überlassen wurde, ging nebenbei. Die Bezeichnung Stift leitet sich ab von Stiftung, meist von Angehörigen des Hochadels. Als Chorherrn nannten sich diese Geistlichen, weil sie im Chorraum der Kirche vor dem Hochaltar die Liturgie verrichteten. Häufig wurden diese Chorherrenstifte als Versorgungsanstalten der nachgeborenen Söhne gesehen, die ein mehr oder weniger üppiges Leben gewohnt waren. Der Erste im Stift war der Propst (von lat. praepositus = der Vorgesetzte), der in Münster im Propsthaus, dem heutigen Pfarrhof, residierte. Er hatte keine Residenzpflicht. Deshalb treffen wir Pfaffmünsterer Pröpste häufig auch als Domherren in München, Freising, Eichstädt und Augsburg an. Sein Vertreter war der Dekan, der Residenzpflicht hatte und bei dem die eigentliche Leitungsfunktion lag. Dann kam in der Hierarchie der Kustos, der den Kirchenschatz verwaltete, der Scholaster, dem die Leitung der Stiftsschule anvertraut war und der Pfarrer von St. Martin.

Dem Stift waren die Pfarreien Pfaffmünster, Feldkirchen, Ascha und Stallwang einverleibt. Es besaß zahlreiche ihm grundbare Höfe in Münster und Umgebung und im Kinsachtal Richtung Stallwang sowie Weinberge in Münster und Steinach, eine großes Fischrecht in Reibersdorf und einen großen Forst. Neben den Hofmarken Münster und Öberau besaß es einen Schwaighof in Aholfing. Verschiedene Chorherren, insbesondere die Pröpste, brachten es als Diplomaten, Wissenschaftler und Leiter der herzoglichen Hofkanzlei zu hohem Ansehen. Sie erhielten das Recht den vornehmen Fehpelz, ein kostbares Zobelfell aus Sibirien sowie ein Birett zu tragen. Die Pröpste führten den Ehrentitel „Herzoglicher Hofkaplan“.

 

Kein Augustiner-Chorherrenstift

In der Literatur wird seit Jahrzehnten die irrige Meinung verbreitet, dass es sich bei den Chorherren von Pfaffmünster um Augustiner-Chorherren gehandelt habe, das ist falsch. Im hohen Mittelalter reformierten sich häufig auf geistlichen und weltlichen Druck viele Chorherrenstift und nahmen strengere Regeln an (z.B. Augustiner-Chorherren, Prämonstratenser-Chorherren). Sie werden als reformierte oder regulierte Orden bezeichnet. Nicht so in Pfaffmünster. Die Chorherren aus Pfaffmünster lebten weiter nach der alten Aachener Regel (Pater Dr. Norbert Backmund, in: Die Kollegiat und Kannonissenstifte in Bayern). Sie führten kein gemeinsames Leben, kannten keine Gelübde und nicht das Gebot der Armut, hatten eigenes Vermögen und eigene Häuser, oft auch mit Dienerschaft. In Münster errichteten die Chorherren die heute noch bestehende romanische Stiftskirche St. Tiburtius und für das Volk die Pfarrkirche St. Martin.

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 Die ehemalige Prostei des Chorherrenstifts St. Tiburtius in Münster, erbaut im Jahr 1514
Heute Pfarrhof der Pfarrgemeinschaft Kirchroth-Pfaffmünster-Kößnach
aufgenommen im Jahr 2014
Der Pfarrhof wurde 2016 umfassend renoviert.
Bild: Albert Lindmeier

 

 

 

Lange Zeit Kloster Metten besetzt

Eine Abordnung von Chorherren aus Pfaffmünster, auch Kanoniker genannt, scheinen damals das durch „Kriegsempörung“ zerstörte Kloster Metten besetzt zu haben (Michael Wening), wurden dann aber nach der Abspaltung der Ostmark von dem aus Altbayern abziehenden Babenberger Herzog Heinrich Jasomirgott, der das Benediktinerkloster in Metten wieder herstellte, im Jahre 1157 nach Pfaffmünster zurückverlegt, aber nicht ohne dass sie sich für ihre Arbeit entschädigen ließen. Sie nahmen Mettener Besitz in Metten, Neuhausen, Mainkofen und Natternberg mit zum Stift Pfaffmünster.

 

Stiftsverlegung nach Straubing 1581

 Im Jahre 1581 wurde das Chorherrenstift Pfaffmünster im Rahmen der Gegenreformation mit Genehmigung des Papstes Gregor XIII. nach Straubing an die Bürgerkirche St. Jakob verlegt, um dort als bedeutendes geistliches Zentrum den immer noch starken lutherischen Bestrebungen entgegenzuwirken. Das Stift benannte sich nun nach St. Jakob und St. Tiburtius. Die Jakobskirche wurde zur „Stiftskirche“ und der hl. Tiburtius in Straubing zweiter Stadtpatron (siehe Tiburtiusbrunnen am Theresienplatz). Die Pröpste berief man nun aus hohem Adel, sie erhielten vom Papst das Recht auf Pontifikalien (Mitra und Stab). Die Ortschaft Münster, einst Pfaffmünster genannt (die Pfarrei nennt sich heute noch „Pfarrei Pfaffmünster“) gehörte nun zum Stift in Straubing und wurde von dort aus betreut. Im Rahmen der Säkularisation ist das Chorherrenstift in Straubing 1803 aufgelöst worden. Vieles erinnert in Münster und auch in Straubing noch an die vornehmen Chorherren im Fehpelz. Im Volksmund wird die Basilika St. Jakob noch immer „Stiftskirche“ genannt.

 

 

Weiterführende Literatur:
Agsteiner, Stiftsverlegung
Agsteiner, Hans: Stiftsverlegung 1581 Pfaffmünster – Straubing. Ein Beitrag zur Geschichte der Gegenreformation und der Katholischen Reform, Beiheft zum JHVS 82 (1979/80), Straubing 1981.
Agsteiner, Steinach Heimatgeschichte
Agsteiner, Hans: Steinach: Eine Heimatgeschichte mit Chronik der Gemeinde Steinach mit den Gemeindeteilen Münster, Agendorf und Wolferszell, Straubing 1996.
Agsteiner, Kollegiatstift Straubing
Agsteiner, Hans: Das kurfürstliche Kollegiatstift St. Jakob und St. Tiburtius zu Straubing, in: Alfons Huber – Hermann Reidel (HAg.), St. Jakob zu Straubing, Erhebung zur Basilika. Kirche und Pfarrei St. Jakob in Vergangenheit und Gegenwart. FS anläßlich der Erhebung der Stadtpfarrkirche St. Jakobus und Tiburtius zur päpstlichen Basilika am 23. Juni 1989, Straubing 1989.