Der Sattlermeister in Steinach

 

 

von Claudia Heigl

 

 

Viele alte Handwerksberufe, die jahrhundertelang alltäglich waren, sind uns heute fast nicht mehr bekannt. Zu diesem gehört auch das Sattlerhandwerk.

Mit Johann Simmel starb 1993 der letzte Sattlermeister in Steinach. Bereits sein Vater Johann Simmel sen. hatte das Sattlerhandwerk erlernt.

 

Der Ursprung des Sattler-Handwerks liegt Jahrhunderte zurück und beginnt mit dem Gebrauch des Pferdes als Nutztier. Seit dieser Zeit gehören die Anfertigung und Reparatur von Zaumzeug (z.B.Kummet), Sattel, Polstern von Kutschen und Möbel zum klassischen und traditionellen Aufgabengebiet des Sattlers.

Jahrhundertelang gab es in Steinach und den umliegenden Dörfern keinen eigenen Sattler, da sie meist mit ihrem Handwerkszeug über das Land zogen und die Arbeiten direkt vor Ort bei den Bauern ausübten. Kundschaften waren die reicheren Bauern, die Pferde besaßen.

In Gschwendt wird 16401 der Sattler Leonhard Fischer urkundlich genannt. 16552 stirbt der 70jährige und jahrhundertelang taucht die Berufsbezeichnung in der Gegend nicht mehr auf.

 

Erst mit Anton Scherm von Pfatter kam 1877 ein Sattler nach Steinach. Er und seine Ehefrau erwarben zunächst das Haus Nr. 15 ½ (August-Schmieder-Str. 7) von dem Schmied Ignaz Handl. Hier handelte es sich um die ehemalige Schmiedstätte im unteren Dorf. 1887 verkauften sie das Haus und erwarben dafür das ehemalige Wagner-Anwesen Haus Nr. 44 im oberen Dorf (August-Schmieder-Str. 31), das bei älteren Steinachern noch heute als „Scherm-Haus“ bekannt ist.

 

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links das "Scherm-Haus" in der August-Schmieder-Straße 31
Zur Sattlertätigkeit gehörte auch das Polstern von Kutschen.
Ausschnitt aus einer Ansichtskarte gelaufen 1907
Bild: Archiv für Heimatgeschichte Steinach

 

 

 Scherm Sattler

 

 

 

„Da Simme-Soler“ in der Götzstrasse

1921 machte sich Johann Simmel sen. (1890-1965) als Sattlermeister in Steinach ansässig.
Am 30. März 1890 erblickte er als zweiter Sohn des Landwirts Xaver Simmel in Steinach (alte Hs.Nr. 33, August-Schmieder-Str. 18) das Licht der Welt. 1903 trat er bei dem Sattlermeister Matthias Feigl in Straubing-Gstütt in die Lehre. Damals hatte das Sprichwort „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ noch im wahrsten Sinne des Wortes ihre Bedeutung. Es gab noch kein Jugendschutzgesetz und so betrug die Arbeitszeit eines Lehrjungen nicht selten am Tag 12 bis 14 Stunden. Auch mussten die Eltern, um eine Lehrstelle für ihren Jungen zu bekommen, die ersten Jahre bis zu 100 und mehr Mark bezahlen, damit ein Meister die Ausbildung übernahm. Die Berufsschule war am Sonntag von 12 bis 14 Uhr und anschließend war noch eine Stunde Religionsunterricht verpflichtend. Ein Sattlergeselle verdiente in unserer Gegend bei Kost und Wohnung nur zwei bis drei Mark wöchentlich.
1906 schloss Johann Simmel die dreijährige Lehrzeit mit der Gesellenprüfung ab. Er begab sich dann auf die sog. „Walz“, um bei verschiedenen Meistern und Betrieben sein Können zu vervollkommnen.

Von 1910 bis 1912 leistete er seine aktive Militärdienstzeit beim 7. Chevaulegers-Reiter-Regiment in Straubing ab. Hier erlernte er nach seiner Rekrutenausbildung in der Regimentssattlerei unter dem Meister Brill auch die Militärsattlerei. Es gab bei einem Reiterregiment mit mehreren 100 Pferden viel zu tun. Nach dem Wehrdienst nach Steinach zurückgekehrt, eröffnet er hier 1912 eine Sattlerei.

Am 15. Oktober 1913 legte er in Straubing vor der Handwerkskammer für Niederbayern in Passau die Meisterprüfung ab.

 

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Johann Simmel beim Anfertigen eines Kummet
Bild: Familie Simmel, Steinach

 

 

Nach dem ersten Weltkrieg, bei dem Johann Simmel ebenfalls eingezogen wurde, verehelichte er sich 1921 mit der Sattlermeisterstochter Katharina Amann (1896-1977) von Leiblfing und erwarb 1924 von Jakob Kimberger einen Baugrund in der Götzstraße, auf dem er ein Wohnhaus mit Sattler-Werkstätte und Schupfen errichtete.

 

 

simmel 1940

Das 1926 erbaute Haus in der Götzstraße erhielt die Hs.Nr. 94.
Johann Simmel jun. und Johann Simmel sen. ca. 1939.
Links war der Eingang zum Wohnhaus, recht zur Sattlerwerkstatt.
Bild: Familie Simmel, Steinach

 

 

fo stei 1428Katharina und Johann Simmel mit ihren Kindern Johann jun. und Elisabeth
Bild: Familie Simmel, Steinach

 

 

 

Sohn Johann Simmel jun. (1923-1993) erlernte 1936 ebenfalls das Sattlerhandwerk.

 

 

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Johann Simmel jun. bei der Ausbildung ca. 1939
Bild: Familie Simmel, Steinach

 

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Nach der Ausbildung folgte die "Walz".
Bild: Familie Simmel, Steinach

 

Von 1939 – 1942 arbeitete er als Sattler in einem Rüstungsbetrieb in München und wurde schließlich mit 19 Jahren in den Kriegsdienst eingezogen. Nach seiner Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft im Dezember 1949 arbeitete er im elterlichen Betrieb in Steinach mit. Am 22. Februar 1952 legte er in Passau als Sattler und Polsterer die Meisterprüfung ab. 1956 übernahm das Sattler-Anwesen in Steinach von seinen Eltern.

 

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Die Sattlerei Simmel in der Götzstraße ca. 1956
Bild: Familie Simmel, Steinach

 

Die einsetzende Industrialisierung und Motorisierung in der Landwirtschaft beeinflussten aber auch das Sattlerhandwerk entscheidend. Anfang des 20. Jahrhunderts umfasste das Arbeitsgebiet des Steinacher Sattlermeisters ungefähr die Gemeinden Steinach, Münster, Agendorf, Bärnzell und Gschwendt mit über 500 Pferdegeschirre. 1963 waren es nur noch 50 Pferde, die in der Landwirtschaft eingesetzt wurden, mit abnehmender Tendenz.

 

 

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Johann Simmel mit seiner Ehefrau Rosa, geb. Bogenberg, auf einem selbst gepolsterten Sofa
Bild: Familie Simmel, Steinach

 

Der gelernte Sattler und Polsterer verlagerte seine Tätigkeit immer mehr auf die Bodenverlegung und das Tapezieren (Raumausstattung).

 

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1963 kam eine Lagerhalle und ein Ausstellungshaus hinzu.
Bild: Familie Simmel, Steinach

 

 

1973 wurde das jetzige Wohnhaus neu erstellt.

1991 übergab Johann Simmel seinen Betrieb an Sohn Heinz Simmel, der das Geschäft als Raumausstattungsmeister in dritter Generation weiterführt.

 

 luftaufnahme 2017 2

 Raumausstattung Simmel in der Götzstraße 3
aufgenommen 2017
Bild: Claudia Heigl

 

 

 

1 Am 08.11.1640 wird Leonhard Fischer als Taufpate des uneheliches Sohnes Leonhard von Johann Würth von Wollersdorf und der Witwe Katharina Hiender in den Pfarrbüchern von Steinach genannt.
2 Bischöf. Zentralarchiv Regensburg, Pfarrmatrikel Steinach Bd.11, S.55, Sterbedatum 03.07.1655

weitere Quellen:
freundliche Mitteilung von Familie Simmel, Steinach
Pfarrmatrikel Steinach