Die Seidl-Sölde - heute Retzer-Hof
von Claudia Heigl
Der Retzer-Hof aufgenommen ca. 1905
Kreszenz Retzer, geb. Leibl mit ihren Kindern Maria, Franziska, Franz Xaver und Joseph
(Bild: Familie Retzer, Bärnzell)
1405 kauft der Steinacher Burgherr Erasmus von der Wart von seinem Schwager Fridrich der Ramsberger zu Ramsberg die Sölde in Bärnzell und weitere Güter in der Umgebung von Steinach (den Berghof, den Sackhof, den Hof in Unterniedersteinach, den Hof in Wolferszell und ein Gut in Zachersdorf) zurück, die seine Schwester als Mitgift erhalten hatte1. Die Warter dürften also schon viel früher die Sölde in Bärnzell in ihrem Besitz gehabt haben.
Nachdem die Warter in finanzielle Schwierigkeiten kommen, verkaufen sie all diese o.g. Güter an den reichen Straubinger Handelsmann Hermann Zeller.
Die Sölde in Bärnzell erhält Hermann’s Sohn Erasmus Zeller übertragen. Denn als der 1458 stirbt, bestätigen die Karmeliten am 13. März 1458, dass Erasmus 3 Pfund Ewiggeld aus vier Sölden für drei ewige Wochenmessen gestiftet hat, zu der auch die Sölde in Bärnzell gehörte. Später besserte der Vater Hermann Zeller die Stiftung noch auf und aus den Wochenmessen wurde eine „tägliche“ ewige Messe2.
Ab diesem Zeitpunkt gehörte die Sölde mit der Grundherrschaft zum Karmelitenkloster in Straubing und blieb in ihrem Eigentum bis zur Säkularisation im Jahr 1802.
1525 wird erstmals ein Besitzer namentlich genannt. Georg Seldner zu Bärnzell und seine Ehefrau Katharina verkaufen ihr Erbrecht auf der Sölde an Wolfgang Hofer, Pfarrer zu Steinach3.
1538 zahlt ein Michl Ploster auf „des Pfarrers Sölde“ Steuer4.
1548-1575 wird ein Leonhard Grim (auch Grym, Krym, Grimb) als Bewirtschafter der Sölde genannt5 6 7. 1586 wird ein Wolf Grimb als Söldner erwähnt.
1593 folgt ein Jakob Pfliegel (Pflügl) als Söldner8. Am 27. April 1608 zahlt ein Michael Schürle (auch Schiesel), der die Witwe des Jakob Pfliegel geheiratet hat, das Laudemium in Höhe von 7 1/3 Pfund Reg. Pfg. an das Kloster9. Diese Abgabe fällt bei jedem Besitzerwechsel an den Grundherren an. In diesem Fall sind das 5 % vom geschätzten Wert der Sölde von 15 Pfund Reg. Pfg.
Dieser Michael Schürle wird bis 1632 in den Büchern des Karmelitenklosters geführt10.
1612 besitzt Schürlel 1 Kuh, 1 Jungrind, 7 alte Schafe und zwei junge Lämmer11.
1633 bewirtschaftet ein Matthias Permayer den Hof12. Er dürfte vom benachbarten „Foidlhof“ abstammen, auf dem ebenfalls Permayer anässig waren.
Von 1634 – 1640 werden jedoch von dem Hof keine Abgaben mehr abgeführt. Im November 1633 war das Kloster Oberalteich von den schwedischen Soldaten überfallen und geplündert worden und die Stadt Straubing hatte sich dem schwedischen Heeresführer Bernhard von Weimar ergeben. Die Soldaten machten seitdem das Umland unsicher und plünderten, ermordeten und vertrieben die Bauern.
Auch die Familie Permayer wurde vertrieben oder getötet, während die Familie Söldner auf dem dritten Hof in Bärnzell überlebte.
Am 31.10.1640 verleiht der Prior des Karmelitenklosters dem Bärnzeller Bauern Hans Söldner und dessen Ehefrau Anna auch das Erbrecht auf ihrer Sölde in Bärnzell13. Elf Jahre später, am 03.11.1651, verkaufen beide, mit Einwilligung des Klosters ihr Erb- und Baurecht an den Vater und Schwiegervater Georg Khürdorffer (Kirchdorfer) und dessen Ehefrau Dorothea von Müetting (=Matting?)14.
1664 wird schließlich Simon Seidl und seine Ehefrau Magdalena als Söldnerseheleute auf dem Anwesen genannt15.
Von den fünf Kindern, überleben vier das Säuglingsalter:
- Johann *1663
- Georg *1667
- Walburga *1669
- Katharina *1672
Am 20.03.1676 verkauft Simon Seidl die Sölde um 160 Gulden an den Steinacher Schuster Gregor Schwarz16. 1681 sind Simon und Magdalena Seidl verstorben und die Vormünder verteilen das Erbe abzüglich der Schulden an die vier unmündigen Kinder, wobei jedem Kind nur 9 Gulden 30 Kreuzer Erbteil verbleibt. Diese Schulden dürften auch der Grund für den Verkauf der Sölde gewesen sein.
Wahrscheinlich ist Gregor Schwarz die Kaufsumme noch schuldig geblieben und um das Erbe der Kinder ausbezahlen zu können, verkauft der die Erbrechtssölde am 16.09.1681 an Johann Unger von Unterniedersteinach17, der im gleichen Jahr noch Anna Schmid von Radmoos heiratet.
Ab 1689 werden Georg und Anna Wieser auf dem Hof genannt. Georg könnte ggf. die Witwe Anna Unger geheiratet haben. Leider ist weder ein Sterbe- oder Heiratseintrag, noch ein Ehevertrag diesbezüglich zu finden. Die Kirchenbücher des 17. Jahrhunderts weisen jedoch meist einige Lücken auf.
1689 stirbt Anna Wieser und der Witwer vermählt sich drei Monate später erneut mit Lenghes (Lankes?) Katharina von Haunkenzell. 1694 stirbt zuerst im Mai Georg Wieser und im Oktober seine Witwe Katharina. Bereits am 11. November des gleichen Jahres verkaufen die Vormünder der Kinder Georg Unger von Unterniedersteinach und Georg Haas von Zachersdorf die Sölde in Bärnzell um 150 Gulden an den ledigen Johann Georg Färber von Wolferszell18.
Der 22jährige vermählt sich kurz später mit der Gschwendt‘ner Bauerstochter Margaretha Fuchs. Nach zwei Jahren stirbt jedoch der junge Bauer und die Witwe heiratet einen Thomas Duschl. Ca. 1728 übernimmt Sohn Simon Duschl den Hof. Die nächsten Besitzerwechsel erfolgen dann immer durch Tod und Wiederverheiratung der Witwe oder des Witwers und der Familienname ändert sich in Hainz und Reiser. Schließlich übernimmt 1804 Andreas Reiser die Sölde und 1831 dessen Sohn Joseph Reiser. 1842 umfasst der Hof 37 Tagwerk Grundbesitz, davon sind 4 Tagwerk Zukäufe vom zertrümmerten „Foierlgut“ Hs.Nr. 2.
1858 heiratet Joseph Geiger von Oberwalting die Reiser-Tochter Theresia und übernimmt den Hof, der jetzt 51 Tagwerk umfasst. Aber bereits 1860 kauft ihn sein Schwager Johann Leiderer vom Dexenhof von ihm ab. Der behält ihn allerdings auch nur zwei Jahre und am 21.07.1862 erwerben schließlich Joseph und Maria Retzer das Anwesen. Sohn Franz Xaver Retzer übernimmt den Hof 1879 und Enkel Franz Xaver folgt 1919 als neuer Eigentümer.
Franz Xaver und Maria Retzer stocken um 1938 das bestehende Wohnhaus auf und veräußern das angrenzende Ausnahmshaus an Josef und Maria Knott von Münster. Das Knott-Anwesen erhält die Hs.Nr. 1 1/2.
Heute ist die ehemalige Seidl-Sölde im Besitz des Enkels Franz Retzer.
Nach Aufgabe des Trabergestüts in Unterniedersteinach richtet Franz Retzer auf dem Hof 1992 bis 2002 eine Zuchtstation für Traberpferde ein. Heute wird die Zucht noch im kleinen Rahmen weiterbetrieben. Außerdem bietet der Hof Einstellplätze für Gnadenbrotpferde die in der Idylle ihren Lebensabend genießen dürfen.
1 Schlicht Josef, Steinach Ein niederbayerisches Geschichtsbild, 1881
2 Solleder F., Urkundenbuch der Stadt Straubing, veröffentl. Jahresber. HV Straubing 20 Jhg. 1917 Nr. 435
3 BayHStA, Karmelitenkloster Straubing, Urkunden 218
4 BayHStA, Kurbayern Geheimes Landesarchiv 1124, Grenz-, Güter- und Volksbeschreibungen des Kurpfalzbayrischen Landgerichts Mitterfels, Steuer und Anlagregister Landgericht Mitterfels 1538, S. 52
5 BayHStA, KL Straubing 78, Karmelitenkloster Straubing Sal- und Urbarsbuch von 1548, fol. 10
6 StA Landshut, Landschaft Unterlands Nr. 1181/3, Untertanen im Landgericht und Kasten Mitterfels 1558
7 BayHStA, KL Straubing 44, Karmelitenkloster Straubing Sal- und Urbarsbuch von 1563 (fortgeführt bis 1575), fol. 19
8 BayHStA, KL Straubing 45, Karmelitenkloster Straubing Sal- und Urbarsbuch von 1593 (fortgeführt bis 1616), fol. 69
9 ebda.
10 BayHStA, KL Straubing 46, Karmelitenkloster Straubing Sal- und Urbarsbuch von 1617 (fortgeführt bis 1642), fol. 119
11 StA Landshut, Landschaft Unterlands Nr. 1224, Steuerbuch LG Mitterfels 1612, fol 2
12 ebda.
13 BayHStA, Karmelitenkloster Straubing, Urkunden 402
14 BayHStA, Karmelitenkloster Straubing, Urkunden 431
15 StA Landshut, Pfleggericht Mitterfels B28, Anlageregister für die Türkensteuer im Pfleggericht Mitterfels 1664 und StA Landshut, Pfleggericht Mitterfels, B4, Scharwerksbuch 1665
16 StA Landshut, Pfleggericht Mitterfels , P10, fol 35 Einfacher Vertrag vom 26.04.1681
17 BayHStA, Karmelitenkloster Straubing Urkunden 490 und 492
18 StA Landshut, Pfleggericht Mitterfels, P23, fol. 18, Vertrag vom 11.11.1694