Die Steinkreuze bei Münster

 

von Claudia Heigl

 

Am früheren Kirchweg von Thalstetten nach Münster, auf einer kleinen Anhöhe, dem „Höherl“, steht ein hohes Holzkreuz, das auf beiden Seiten von je einem alten Steinkreuz eingerahmt ist. Im Volksmund werden diese Steinkreuze auch „Hussitenkreuze“ genannt, da hier nach einer Überlieferung Hussiten begraben sein sollen. Bei einer Ausgrabung im Jahre 1980 wurde jedoch diese Annahme nicht bestätigt.
Eine weitere Vermutung war, dass es sich hier um sogenannte Sühnekreuze handelte, die im Rahmen eines Sühnevertrages nach einer Bluttat errichtet wurden. Neue Quellenfunde deuten jedoch darauf hin, dass es sich hier um alte Grenzsteine handelt.

 

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Der alte Kirchweg zwischen Thalstetten und Münster mit der Kreuzgruppe im April 2020
Das Holzkreuz wurde 1980 ebenfalls erneuert. Die Pappel ist inzwischen nicht mehr vorhanden.
Bild: Claudia Heigl

 

Sühnekreuze
Sühnekreuze sind Denkmale mittelalterlicher Rechtsmale und stammen aus der Zeit des ausgehenden 13. Jh. bis Ende des 16. Jh. Der Totschlag, also eine Affekthandlung, war im Mittelalter eine Privatangelegenheit, um die sich die Gerichte wenig kümmerten. So konnte sich der Täter mit den Hinterbliebenen auf gütlichem Wege einigen, um der weltlichen Strafe zu entgehen.  Hierzu wurden sog. Sühneverträge geschlossen. Neben dem Lesen von Messen, Geldzahlungen, Wallfahrten, stiften von Wachs, gehörte auch dazu am Tatort ein steinernes Kreuz errichten zu lassen. Zur eigenen Buße und vor allem zum Seelenheil des Getöteten, der ja ohne die Sterbesakramente verschieden war und dadurch die Seligkeit nur schwer erlangen konnte. Jeder Vorübergehende betete an einer solchen Stelle ein Vaterunser für die Rettung der Seele des Opfers.

Mit Einführung der Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. im Jahre 1533 wurden diese Verträge durch ein ordentliches Gericht abgelöst und diese privaten Abmachungen nicht mehr geduldet. Es dauerte jedoch noch bis ins 17. Jhd. hinein, bis diese Landessitte ganz abgeschafft wurde.

Gelegentlich wurden auch solche Kreuze errichtet, wenn ein Mensch durch einen Unglücksfall ohne Sterbesakramente zu Tode gekommen ist. Auch hier erhoffte man sich, durch die Gebete der Vorübergehenden, die Rettung des Seelenheiles des Verstorbenen. Oftmals ist eine Mordwaffe oder ein Standeszeichen in den Stein gehauen. Selten eine Jahreszahl oder ein Text, da dieser vom normalen Volk nicht gelesen werden konnte.

Grenzsteine
Bei der Auswertung einer „Beschreibung der Grenzen des fürstlichen Landgerichts Straubings von 1618“ stieß das Mitglied unseres Arbeitskreises Cornelia Landstorfer auf eine Beschreibung der Hofmark Pfaffmünster. Hier heißt es sinngemäß niedergeschrieben: „Liegt  enterhalb der Donau, auf eine starke Meile Weges von Straubing. Stoßt mit ihren Grenzen an die Hofmark Steinach, Hofmark Falkenfels und an das frtl. Landgericht Mitterfels, bis herauf auf die Straubinger Straße, zu einer neu gesetzten steinern Martersäule, aldort die gefangenen Malefiz-Personen auch in das frtl. Landgericht Straubing übernommen werden.

Die Hofmarken hatten die sog. „niedere Gerichtsbarkeit“ Sie waren vor allem für Streitigkeiten, Raufereien und Beleidigungen, Grenzstreitigkeiten und Leichtfertigkeiten (uneheliche Schwangerschaften) zuständig und verhängten dafür Bußgelder und kleinere Arreststrafen.

Für die Vergehen, auf welche die Todesstrafe stand (urspr. Mord, Vergewaltigung, Diebstahl) war das hohe Gericht in Straubing oder Mitterfels zuständig, auch als Malefiz- oder Halsgericht (abgeleitet vom Hängen) bezeichnet. Die Amtsleute durften in Ausübung ihrer offiziellen Tätigkeit die Grenze des Gerichts nicht überschreiten. Es gab für die Delinquenten genau festgesetzte Übergabeorte, wo sie von den Schergen des zuständigen Gerichts übernommen wurden.

In dem Hexenprozess der Bettlerin Anna Maria Radlerin aus St. Pölten wird dieser Vorgang sogar urkundlich erwähnt. Die Bettlerin kam im Juli 1710 durch Münster, beichtete bei dem Vikar und ließ sich mit den heiligen Sterbesakramenten versehen. Der Landgerichtsamtmann hatte jedoch inzwischen in Erfahrung gebracht, dass die Bettlerin sich öfters an diesem Tag mit dem „Hochwürdigen Guth“ habe speisen lassen. Er ließ sie gefangen nehmen und erfuhr durch „gütliches“ Befragen, dass sie „die heilige Hostie aus dem Mund genommen, entehrt, mit Nägel gestupfet und zu den Hexen-Tänz angewandt worden sey“. Hexerei war ein Vergehen, auf das die Todesstrafe stand. Sodann hat man die Radlerin an der Hofmarksgrenze den Straubinger Landgerichtsbeamten übergeben. In Straubing wurde sie dann nach einem Prozess auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.

Bei der Übergabestelle handelt es sich hierbei höchstwahrscheinlich um das Steinkreuz mit dem Schwert, als Symbol für diese hohe Gerichtsbarkeit.

Das Kreuz dürfte früher südlich von Münster gestanden haben. Evtl. wurde es später versetzt und mit dem zweiten Steinkreuz zusammen aufgestellt. Das zweite Steinkreuz mit dem Kelch ist nirgends dokumentiert. Evtl. markierte es die östliche Landgerichtsgrenze der Hofmark Pfaffmünster zum Hochstift Regensburg bzw. dessen Herrschaft Wörth.

 

Gerichtsgrenzen Muenster

links die ehemalige Landgerichtsgrenze zum Hochstift Regensburg
Uraufnahme aus dem Jahre 1827
Quelle: Bayerische Vermessungsverwaltung München, Bayernatlas

 

Im Landkreis Straubing-Bogen sind noch 18 solcher Steinkreuze erhalten.

Bei den Ausgrabungen 1980 wurden die Kreuze aus Granit bei Münster freigelegt und von Nürnberger Steinkreuzforscher genauestens untersucht. Dabei wurde das rechte Kreuz, dass durch die Wurzeln der danebenstehenden Pappel beschädigt wurde, wieder instand gesetzt. Vor 40 Jahren wurden auch nach der Reinigung die Symbole auf den beiden Kreuzen sichtbar, die inzwischen wieder verwittert sind.

 

 

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1980 stand bei den Kreuzen noch eine mächtige Pappel
Bild: Saller Barbara in "Steinkreuze im Landkreis Straubing-Bogen, JHVS 85, 1983 (1984)"

 

Auf dem linken Steinkreuz, mit seiner lateinischen Form,  war ein 53 cm langes Schwert erhaben herausgearbeitet. Auf der Rückseite wurde später, wohl aus einem bestimmten Anlass, die Zahl 1810 eingeritzt. Das Kreuz dürfte jedoch aus dem 16. Jahrhundert stammen. Die Zahl war schwer lesbar. Entweder handelte es sich um einen Lesefehler und es war 1610/1618 gemeint oder das Kreuz wurde um diese Zeit versetzt.
Der Schaft verbreitet sich nach unten und geht in eine unbehauene Knolle über. Das Kreuz hat  insgesamt eine Höhe von 1,76 m.

 

linkes Kreuz alt

Das freigelegte linke Kreuz mit dem Schwert im Jahr 1980
Bild: Saller Barbara in "Steinkreuze im Landkreis Straubing-Bogen, JHVS 85, 1983 (1984)"

 

 

linkes Kreuz

 

2020 ist das Schwert bereits wieder vollständig verwittert.
Bild: Claudia Heigl

 

Auf dem rechten Kreuz ist ein 27 cm hoher Krug mit Fuß, Henkel und geöffnetem Deckel eingeritzt. Es weist die Malteser Kreuzform auf und an den abgewetterten Armen sind Schleifspuren erkennbar. Durch Wetzen der Schleifsteine erhoffte man sich bei der Ernte Gottes Segen.
Das  Kreuz hat eine Gesamthöhe von 1,34 cm incl. dem sich im Boden befindlichen unbehauenen Schaft.

 

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Das  rechte Kreuz mit dem deutlich erkennbaren Krug im Jahr 1980
Bild: Saller Barbara in "Steinkreuze im Landkreis Straubing-Bogen, JHVS 85, 1983 (1984)"

 

rechtes Kreuz

 

Auch der eingeritzte Krug ist im Jahr 2020 nicht mehr sichtbar.
Bild: Claudia Heigl

 

 

 

 

Bilder:
Saller Barbara, Steinkreuze im Landkreis Straubing-Bogen, Jahresbericht des Historischen Vereins Straubing JHVS 85, 1983 (1984) S. 183
Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Claudia Heigl

Quellen:
Saller Barbara, Steinkreuze im Landkreis Straubing-Bogen, Jahresbericht des Historischen Vereins Straubing JHVS 85, 1983 (1984) S. 183
Agsteiner Hans, Chronik der Gemeinde Steinach, 1996, S. 380, 387
StA Landshut, Rentkastenamt Straubing B36, Beschreibung des Landgerichts Straubing von 1618, fol 5'