Die Bader-Sölde in Steinach Hs.Nr. 56

 

1583/1623: Die Kramsölde – 1760: Gözl Gütl - 1808: Hs.Nr. 21 Bader Hof - ab 1838: Hs.Nr. 56

heute August-Schmieder-Str. 41

 

von Claudia Heigl

 

Obwohl dieses Anwesen als Bader-Sölde bekannt ist, handelte es sich ursprünglich eine Kramerei.

Im Stiftbuch von 1583 wird es als Kramsölde mit Kramerladen aufgeführt, auf dem Georg Hohenwarter das Leibrecht hat.

 

Die Nähe zur Kirche – zu der regelmäßig Gläubige aus der gesamten Pfarrei, also auch Auswärtige, kommen – macht das Anwesen zu einem idealen Standort für eine Kramerei.

Uraufnahme KopieUraufnahme aus dem Jahr 1827
Quelle: Bay. Vermessungsverwaltung München, Bayernatlas

 

Im Jahr 1623 besitzen der Zimmermann Georg Fuchs, seine Ehefrau Anna und deren Sohn Jakob das Leibrecht an der Sölde. Auch ein Kramladen wird erwähnt. Der Besitz ist auf 6 Pfund Regensburger Pfennige geschätzt.

 

Danach verliert sich die Spur der Eigentümer. Ab 1639 ist ein Jakob Fuchs als Söldner auf dem Anwesen Hs.Nr. 66 (Hafnerstr. 9, ehemals Zollner) verzeichnet – sehr wahrscheinlich handelt es sich dabei um den Sohn des ehemaligen Krämers.

Von 1649 bis 1657 werden Anna Jakobe und Jakob Zeiß als Kramerseheleute in Steinach genannt.Evtl. gab es hier eine verwandschaftliche Beziehung.
Ca. 1658 siedeln sie nach Münster um und übernehmen dort die Kramerei (Hs.Nr. 24, heute Chorherrenstr. 10). In Steinach übernimmt der Nachbar Kaspar Berger das Gewerbe, dass nun fast 100 Jahre von der Berger-Familie betrieben wird.

 

 Fuchs Besitzer

 

Georg Fuchs' Enkelin Katharina Fuchs heiratet im Jahr 1701 den Pfeiffer Markus Aichinger. Beide werden ab diesem Zeitpunkt als Söldners- und Pfeifferseheleute auf dem Anwesen genannt. Markus stammt aus Münster und ist Sohn des Hirtenehepaars Simon und Barbara Aichinger, die 1685 in Unterzeitldorn und ab 1687 in Steinach lebten.

Katharina und Markus Aichinger haben sechs Kinder:
- Wolfgang (*1701)
- Maria Katharina (*1703) heiratet 1742 den Bauern Johann Georg Geiger von Steinach Nr. 27
- Elisabeth (*1706) wird Hoferbin
- Lorenz (*1714), stirbt im Kindesalter
- Magdalena (*1717), stirbt im Kindesalter
- Anna Maria (*1719) heiratet 1741 den Weber Johann Mathias Hofreiter von Münster Nr. 19

 

Ihre Tochter Elisabeth heiratet 1734 den Schusterssohn Johann Stephan Echinger von Steinach Nr. 66. Das junge Ehepaar wohnt zunächst in Stephan's Elternhaus, dann kurz in Agendorf und übernimmt schließlich 1742, nach dem Tod von Markus Aichinger, das Elternhaus von Elisabeth.
Nach dem Tod des benachbarten Kramers Johann Georg Berger richten sie in dem Haus wieder die Kramerei ein.
Die Lage neben dem neu erbauten Wirtshaus und der Kirche ist ideal für das Gewerbe.
Das Ehepaar hat vier Kinder:
- Magdalena (1735-1769) heiratet 1762 den Bauern Johann Michael Hilmer von Münster Nr. 28
- Jakob (1737-1761), Schneider in Steinach Hs. Nr. 36
- Anna Maria (1737-1810), wird Hoferbin
- Katharina (*1745), stirbt im Kindsalter

 

fo stei 106 kopie

Das alte Baderhaus aufgenommen 1904 war noch ein Holzbau
Bild: Archiv für Heimatgeschichte Steinach

 

1762 heiratet Anna Maria den Bader Johann Nepomuk Evermod (Ephram) Hagenauer von Steinburg. Damit siedelt sich nach 100 Jahren wieder ein Bader in Steinach an, und die ehemalige Kramersölde wird fortan unter den Namen Badersölde geführt, auch wenn die Kramerei in dem Haus weiter betrieben wird.

Die Bader waren zuvor bis ca. 1661 auf dem Nachbaranwesen Hs.Nr. 55 (heute Fischer) ansässig; seit 1665 gibt es keinen Bader mehr im Ort.

Das Paar bekommt zwei Kinder:
- Anna (*1767)
- Joseph (*1774), wird später Nachfolger seines Vaters

 

 

Joseph erlernt das Baderhandwerk vom Vater und übernimmt am 25.11.1793 die Bader-Sölde für 450 Gulden. 1800 heiratet er die Bauerstochter Anna Maria Erndl aus Agendorf. Am 31.12.1803 übernimmt das Paar auch den Hof in Agendorf  von Georg Erndl, Anna Marias Vater.
Aus der Ehe gehen neun Kinder hervor – fünf werden in Steinach, vier in Agendorf geboren:
- Katharina (*1801-1803) stirbt mit 1 ½ Jahren an Blattern
- Joseph (*1802-1803) stirbt mit fünf Monaten an Abzehrung
- Katharina (1803-1835), heiratet 1828 den Hafner Michael Grüneisl von Steinach Nr. 65
- Thekla (*1805)
- Maria (*1806)
- Theresia (*1808) heiratet 1843 in Hunderdorf den Söldner Wolfgang Karl von Rammersberg
- Anna (*1809-1868) wird Mutter dreier unehelichen Kindern. 1849 erwirbt sie mit ihrer jüngeren Halbschwester Walburga den "Rest der zertrümmerten Stanglsölde“ Hs.Nr 52 in Steinach. Ihre Tochter Philomena (*1843) erbt die Stanglsölde und heiratet 1867 den Söldner Joseph Schwarz.
- Franziska (*1810-1889), ebenfalls Mutter dreier unehelicher Kinder, zwei überleben: Theresia *1835 in Steinach und Jakob *1845 in Hunderdorf
- Magdalena (*+1811 in Agendorf)

 

In Folge der Geburt des 9. Kindes, das ebenfalls die Geburt nicht überlebt, stirbt Anna Maria Hagenauer im Alter von 34 Jahren an Schwäche.

 

1814 heiratet der Witwer erneut die Bauerstochter Therese Söldner aus Bärnzell.

Sie ist 12 Jahre jünger und bringt sieben weitere Kinder zur Welt – alle in Agendorf:
- Joseph (*1815) heiratet 1842 in Runding Franziska Seitz von Aicha v. Wald und wird Bader in Runding
- Walburga (*1816) erwirbt 1849 mit ihrer Halbschwester Anna den „Rest der zertrümmerten Stanglsölde“ Hs.Nr. 52 (heute August-Schmieder-Str. 35, Prechtl)
 
- Kreszenz (*1818)
- Franz Xaver (*1820) heiratet 1858 in Steinach Maria Brandl von Straubing und wird Bader in Straubing
- Johann Baptist (1822-1871), wird Nachfolger des Vaters
- Johanna Karolina (*1823)
- Helena Hedwig (1825-1899), bleibt ledig

 

Während Joseph Hagenauer auch in Agendorf als Bader tätig ist, wird die die Badersölde in Steinach verpachtet und dort weiterhin ein Kramerladen geführt.
1825 und 1827 werden Jakob Sagmeister und dessen Ehefrau Anna Maria geb. Spanfellner als Krämerseheleute genannt. 1831 erwerben die Sagmeisters Grundstücke auf dem Berghof und ziehen, nach der Rückkehr der Familie Hagenauer, in das neu erbaute Haus (Hs.Nr. 3) auf dem Berghof.

1833 wird der Hof in Agendorf (heute Stelzl) an Xaver Gierl verkauft und zertrümmert.

Die Hagenauer-Familie kehrt nach Steinach zurück.

 

Aichinger Hagenauer Besitzer

 

1848 übernimmt der jüngste Sohn Johann Hagenauer das Anwesen in Steinach, inklusive des verbliebenen Besitzes in Agendorf.
Er heiratet die Bäckerstochter Helena Röckl von Steinach.
Gemeinsam haben sie acht Kinder:
- Karl (1849-1853), stirbt mit drei Jahren im Januar 1853 an Scharlach
- Johann Baptist (1850-1876), heiratet 1874 Anna Zeitlhofer von Gaishausen und wird Bader in Steinach
- Helena (1851-1852) stirbt zwei Wochen vor ihrem Bruder Karl mit 1 ½ Jahren an Scharlach
- Anna Maria (1852-1877), heiratet 1872 den Steinacher Bäcker Johann Baptist Röckl
- Karl (1854-1933), wird ebenfalls Bader und übernimmt das Anwesen nach dem Tod seines Bruder Johann in Steinach
- Joseph (*1855)
- Franz Xaver (1857-1876), stirbt mit 19 Jahren an Lungensucht
- Eduard (1858-1859), stirbt an Abzehrung

 

Nach Helenas Tod 1861 bleibt Johann Hagenauer mit fünf unmündigen Kindern zurück. 1863 heiratet er erneut – Anna Maria Leibl aus Steinach.
Anna Maria Leibl hatte kein leichtes Leben. Als uneheliches Kind haftet ihr zu dieser Zeit ein Makel an.
Ihre Mutter, Maria Leibl (1817-1890) war selbst unehelich geboren und die Tochter des späteren Bauern Leonhard Leibl von Gschwendt und Anna Schmidbauer von Parkstetten. Sie hinterließ vier uneheliche Kinder von mind. drei Männern. Wahrscheinlich arbeitete sie im Gutshof von Steinach. Im Alter erhielt die heimatlose Inwohnerin staatliche Unterstützung (siehe hierzu auch Ansässigmachung und Verehelichung).
Gerade Anfang des 19. Jahrhunderts gab es durch die damalige Gesetzgebung viele unehelich geborene Kinder, die kaum eine Chance auf einen sozialen Aufstieg hatten.

Durch die Heirat mit dem 21 Jahre älteren Bader bot sich für Anna Maria ein sozialer Aufstieg.

Auch diese Ehe bringt sechs Kinder hervor:
- Rupert (*1862) heiratet 1887 Kreszenz Müller und wird Maler
- Kreszenz (1863-1947) heiratet 1886 den Landwirt Johann Bornschlegl von Wolferszell Nr. 7
- Helena (1866-1925) heiratet 1892 den Gütler Johann Hilmer von Wolferszell Nr. 8
- Rosina (*+1867) stirbt als Säugling an Fraisen
- Eduard (1868-1943) heiratet 1893 Therese Strobl von Kirchroth. 1895 übernimmt er das Haus (Hs.Nr. 84) im Kirchweg 1 von seiner Mutter und ist von 1919 bis 1929 Bürgermeister von Steinach
- Johann (*1871) heiratet 1903 Therese Bader und wird Bader in Gmund am Tegernsee

Als Anna Maria Hagenauer mit ihrem sechsten Kind schwanger ist, stirbt der Bader mit 48 Jahren an Lungensucht. Die 28jährige bleibt mit ihren fünf kleinen Kindern und noch vier unmündigen Stiefkindern alleine zurück. Nur der älteste Stiefsohn Johann Baptist erreicht bereits das 21. Lebensjahr.

1882 erwirbt Anna Maria Hagenauer ein Grundstück (heute Kirchweg 1) und lässt 1885 hierauf ein Haus errichten. Dort verbringt sie bei ihrem Sohn Eduard ihren Lebensabend.

Ihr Stiefsohn Johann Baptist ist wie sein Vater Bader und übernimmt 1871 nach dessen Tod das Baderanwesen. 1874 heiratet er Anna Zeitlhofer von Gaishausen. Die gemeinsame Tochter Anna, geboren 1875, wird nur eine Woche alt und stirbt an Fraisen. 1876 stirbt Johann Baptist selbst im Alter von nur 26 Jahren an Lungenschwindsucht.

 

baderhaus

Das Baderhaus aufgenommen ca. 1925
Karl und Kreszenz Hagenauer mit Schwiegertochter Anna Hagenauer
auf dem Schild steht "Karl Hagenauer appr. Bader"
Bild: Familie Schweiger



 

Seine Witwe verkauft das Baderanwesen an ihren Schwager Karl Hagenauer, der ebenfalls das Baderhandwerk erlernt hat. Dieser heiratet 1877 die Lehrerstochter Kreszenz Daunderer von Sossau.

Aus der Ehe gehen sechs Kinder hervor, von denen drei im Juni 1883 sterben:
- Kreszenz (*1877)
- Theresia (1879-1883), stirbt mit 4 Jahren an Halsbräune
- Karl (1881-1883), stirbt mit zwei Jahren an Halsbräune
- Maria (1883-1883), stirbt mit vier Wochen an Fraisen
- Karl (*1885), erlernt das Bäckerhandwerk
- Theresia (*1888)

 

Nach dem Tod seiner Frau Kreszenz 1890 heiratet Karl die Bauerstochter Maria Bründl aus Straubing. Weitere fünf Kinder werden geboren, von denen drei auch als Säuglinge sterben:
- Franz Xaver (1892-1971), wird Hofnachfolger
- Maria (*+1894) stirbt mit zwei Wochen an Fraisen
- Heinrich (*1896)
- Joseph (*+1897), stirbt mit zwei Wochen an Gelbsucht
- Anton (*+1899), stirbt mit zwei Wochen an Fraisen

 

Karl Hagenauer ist der letzte Bader, der auch als Wundarzt in Steinach tätig ist.

Sein Sohn Franz Xaver übernimmt das Anwesen, praktiziert jedoch nur noch als Friseur.

 

1922 heiratet er Anna Bachl, Tochter der Steinacher Hebamme Kreszenz Bachl und Alois Bachl.

 

Hagenauer Besitzer

 

 

hagenauer xaver und ehefrau

Anna und Franz Xaver Bachl
Bild: Familie Schweiger

 

 

Durch Einheirat ändert sich der Familienname auf Zawaba, später auf Schweiger.

Zählt man auch Markus Fuchs mit, so ist die Familie seit 13 Generationen auf dem Anwesen nachgewiesen und gehört somit zu den ältesten Familien im Dorf.

 

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 Das  Zawaba-Haus kurz vor dem Abriss im April 2017
Bild: Archiv für Heimatgeschichte Steinach

 

 

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Die alte Bader-Hofstelle ist inzwischen mit neuen Häusern bebaut
aufgenomen Oktober 2020
Bild: Claudia Heigl

 

 

 

 

Quellen:
Schlicht Josef, Die Geschichte von Steinach, 1908, „Stift-, Kasten- und Salbuch über Schloß und Hofmarch Steinach 1583“
Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Untertanen der Hofmark Steinach 1623
StA Landshut, Landschaft Unterlands Bd 1183, Steuerregister der Hofmarksuntertanen Steinach 1623
Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Gilt und Ausstandregister der Untertanen zu Steinach 1641
Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Stiftregister der Hofmark Steinach 1691
Archiv für Heimatgeschichte Steinach, Landsteuer der Hofmark Steinach 1699
BayHStA München, Kurbayern Hofkammer, Hofanlagsbuchhaltung Band 248, Konskription der Untertanen der Hofmark Steinach 1752
BayHStA München, Kurbayern Hofkammer, Hofanlagsbuchhaltung Band 514, Hofanlagsbuch der Hofmark Steinach 1760
StA Landshut, Rentamt Straubing B78, Häuser- und Rustikalsteuerkataster d. Steuerdistriktes Münster incl. Steinach 1808
StA Landshut, Rentamt Straubing B79, Umschreibebuch zum Häuser- und Rustikalsteuerkataster d. Steuerdistriktes Münster incl. Steinach 1814-1843
Vermessungsamt Straubing, Liquidationsprotokolle der Steuergemeinde Steinach von 1838
StA Landshut, Grundsteuerkataster (Rep.127) 10579, Umschreibehefte zum Urkataster  der Gemarkung Steinach Hs.Nr. 1 – 72, 1843-1859
StA Landshut, Grundsteuerkataster (Rep.127 10583, Umschreibehefte zum 1. Renov. Kataster der Gemarkung Steinach Hs.Nr. 56 - Ende, 1859 – 1906
StA Landshut, Grundsteuerkataster (Rep.127 10586, Umschreibehefte zum 2. Renov. Kataster der Gemarkung Steinach Hs.Nr. 1-65, 1906 – 1960
BZAR Regensburg, Pfarrmatrikel der Pfarrei Steinach

 

 

Stand: 08.05.2025