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Das Badergütl in Münster Hs.Nr. 55

 

ab 1890: Hs.Nr. 70, heute Tassilostr. 14

 

 

von Claudia Heigl

 

 

 

 

Wie in vielen Dörfern, war in Münster ein eigener Bader ansässig. Damit ist nicht der später als „Bader“ bezeichnet Friseur gemeint, sondern der einfache Landarzt.

Das Baderanwesen befand sich in unmittelbarer Nähe des Pfarrhauses. Ob dies ein Zufall war, oder mit dem Sittlichkeitsgedanken zusammenhing, lässt sich nicht nachvollziehen.

 

Uraufnahme Baderguetl

Das Badergütl mit der Hs.Nr. 55 fand sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Pfarrhauses Nr. 56

Uraufnahme ca. aus dem Jahr 1827
Bay. Vermessungsverwaltung München, Bayernatlas

 

 

Seit alters her galten die Badstuben als die “Herbergen der Leichtfertigkeit”, was auf die heidnischen Ursprünge des rituellen gemeinsamen Bades zurückgeht. Allerdings versuchte die Kirche alte religiöse Gebräuche abzudrängen, die in vorchristlicher Zeit mit der Ausübung bestimmter Berufe eng verbunden waren. Die Bader, Henker, Abdecker, Müller und Hirten, aber auch noch eine Reihe anderer Berufe, wurden als „Unehrenhaft“ für lange Zeit in ein gewisses gesellschaftliches Abseits verbannt. Zum anderen war das mittelalterliche Badhaus in der Tat Schauplatz mannigfacher erotischer Abenteuer. In den Städten, ja selbst in den Dörfern war die Badehütte der Freiplatz für Liebespaare oder Gelegenheit zur Anknüpfung von Bekanntschaften. Die Literatur ist voll von höchst anstößigen Beispielen und Berichten, die bis in die Goethezeit zu finden sind. “Baderstöchter” hatten zumeist ebenso einen schlechten Ruf wie “Müllerstöchter”. Man hielt sie leicht für Prostituierte und nicht selten waren sie es auch.

 

Neben der Badstube besorgten die Bader im Mittelalter das Haarschneiden, Barbieren und den Aderlaß, der nach dem medizinischen Verständnis der Zeit so etwas wie eine Art körperlicher Reinigung war; die Befreiung des Leibes von verdorbenen Säften und Körperdünsten.

Der Beruf entwickelte sich immer mehr zu einer Art ländlichem Volksarzt zweiter Klasse. Und wenn er geschickt war, macht er den ausgebildeten Wundärzten unliebsame Konkurrenz. Der Bader behandelt Brüche und Verrenkungen, kuriert Wunden und Geschwüre und schient die gebrochenen Glieder. Er setzt Schröpfköpfe und nimmt den Aderlaß vor, er besieht Aussätzige und Erschlagene und versorgt die Leichen. Auch bei schwierigen Geburten, bei denen die Hebamme nicht weiterkam, wurden sie oftmals gerufen.

Für ihre Ausbildung gab es jedoch noch keine Schulen, sie erlernen ihren Beruf voneinander wie ein Handwerk. Die besseren unter ihnen nennen sich bald Chyrurgus (Chirurgen) und in stetiger Kleinarbeit verbessern sie ihr Ansehen.

Bis weit ins 18. Jahrhundert sind sie die einzig erreichbaren ärztlichen Helfer und Ratgeber der kleinen Leute. Damit wachsen ihre Kenntnisse ebenso wie ihr Ansehen. Die Ausbildung wird nun amtlich geregelt und überwacht.

Im 19. Jahrhundert benötigte der Bader eine Approbation (= staatliche Zulassung).

Nach der Bader-Ordnung von 1899 darf nur derjenige den Titel „Bader“ führen, welcher die Approbation (= staatl. Zulassung) als Bader erlangt hat.

Nach einer dreijährigen Lehrzeit und einer Vorprüfung hat der Badergehilfe ein Jahr als Gehilfe in einem Badergeschäft tätig zu sein und anschließend noch an einen Unterrichtskurs in einem Krankenhaus, der fünf Monate dauert, teilzunehmen. Im Anschluß daran ist die Approbationsprüfung abzulegen.

Die Befugnisse des Baders umfassen u.a.:
- Die Behandlung einfacher Wunden, Abszesse und Geschwüre
- das Reinigen und Ausziehen von Zähnen
- die Behandlung der Leichdorne (Hühneraugen) und eingewachsener Nägel, mit Ausschluß blutiger Operationen
- das Setzen von Klastieren (Einläufe), sowie von Schöpfköpfen (zum Aderlaß) und Senfteigen
- die Unterstützung der Ärzte bei Ausübung der Heilkunde
- die ersten Vorkehrungen im Erkrankungs- und sonstigen Notfällen
- die Leichenschau und Hilfeleistungen bei Leichenöffnungen.

 

In Bayern gab es 1928 insgesamt 1688 staatlich anerkannte Bader.

 

baderhaeusl

 Das alte Baderhaus
aufgenommen 2019

 

 

Die Bader auf dem Badergütl

 

Als erster bekannter Bader in Münster wird ein Georg Scheffner genannt. Er hat zwei Söhne, die ebenfalls das Baderhandwerk erlernen:

- Mathias, übernimmt das Anwesen in Münster
- Peter (*29.06.1641 +26.03.1722) heiratet 1668 in Pondorf Barbara Eggmann (+1676) und in zweiter Ehe am 13.10.1676 die Rothamer Bauerstochter Anna Rothamer (1649-1712). Er lässt sich als Bader in Oberzeitldorn nieder.

 

Georg Scheffner hat das Leibrecht auf das sog. „Badergütl“ in der heutigen Tassilostraße.

Nach dem Tod des Vaters folgt  Mathias Scheffner als Bader in Münster nach. 1644 heiratet er Anna Springer aus der Oberpfalz.
Nach seinem Tod 1668 vermählt sich die Witwe mit dem Weber Mathias Supper von Münster.

 

 Scheffner Besitzer

 

 

Als Nachfolger kommt 1668 ein Andreas Gänger nach Münster. 1672 verkauft Gänger das Badergütl, auf dem immer noch Peter Scheffner von Oberzeitldorn und die ehemalige Witwe Anna Scheffner, das Leibrecht haben, einem Nikolas Pecher1.

 

Pecher bleibt jedoch nicht lange und veräußert noch im gleichen Jahr die Baderbehausung an  Georg Rampauer2. Georg ist mit einer Anna verheiratet. Er löst wohl auch die Leibgerechtigkeit der Vorgänger ab.

 

1677 verkauft der Bader Georg Rampauer dem ledigen Bader Johann Paul Trägl die Leibsgerechtigkeit auf dem Badhaus um 48 Gulden3.

Paul Trägl ist der Sohn der Münsterer Bauerseheleute Markus und Magdalena Trägl und hat das Baderhandwerk bei seinem Bruder Michael Trägl (*1641) gelernt. 1677 lässt er sich als Bader in Münster nieder.

 

Traegl Besitzer

 

 

1693 kaufen Franz und Magdalena Feist von ihm das Baderanwesen und übergeben am 06.07.1709 die Erbrechtsbehausung ihrem Sohn Johann Feist und dessen angehenden Ehefrau Elisabeth Frankl von Tiefenbach4.

Der Bader stirbt um 1713 in Saulburg an einer Seuche. Seine Witwe heiratet 1715 den Bader Johann Karrer aus Mainburg.

 

Im September 1741 übergibt die verwitwete Baderin Elisabeth Karrer die Baderbehausung samt den vorhandenen Garten an ihre „liebe Tochter Maria Anna und ihrem angehenden Ehemann Johann Simon Knaup5.“
Das Knaup-Ehepaar hat zehn Kinder von denen vier das Erwachsenenalter erreichen:
- Cordula (*1744)
- Maria Katharina (1745-1824) heiratet 1789 den Witwer und Häusler Johann Wühr von Münster Hs.Nr. 46

- Johann Georg (*1753 + 1791, ledig)
- Bartholomäus (*1758) Nachfolger

 

1788 übernimmt Sohn Bartholomäus Knaup das Baderanwesen und heiratet die Wagnerstochter Katharina Völkl von Münster.
Aus der Ehe gehen acht Kinder hervor, von denen vier im Kindsalter sterben:
- Johann Georg *1791
- Joseph *1793
- Franz Xaver *1794, stirbt am 08.02.1871 als lediger Inwohner in Münster
- Anna Maria *1796
Katharina Knaup stirbt mit 41 Jahren.
Der Witwer heiratet in zweiter Ehe drei Monate später die Schusterstochter Anna Maria Kiefel von Steinach, mit der er nochmals sechs Kinder zeugt, darunter zwei Zwillingspärchen. Alle Kinder sterben jedoch im Kindsalter.

 

 

Feist Knaup Besitzer

 

Am 10.10.1839 verkaufen die Erben des Bartlmä Knaup, Bader zu Münster, den 1/16 Baderhof mit dem Acker hinter dem Sieberbaum und dem Holz um 1.200 Gulden an Josef Pacher, Chirurg von Bogen.

 

Pacher Besitzer

 

 

Am 26.03.1852 erwirbt Wolfgang Bachmaier das 7,91 Tagwerk große Gütl von Josef Pacher. Dieser zieht wieder nach Bogen.

Pacher war der letzte Bader, der in dem Haus sein Handwerk ausübte. Als sein Nachfolger kommt ein Johann Nepomuk Grill nach Münster. Der erwirbt von der Gemeinde ein Grundstück an der heutigen Bergstraße und errichtet dort sein Haus, dass die Haus Nr. 34 ½ erhält.

 

 

Weitere Eigentümer des Anwesens:

 

Am 31.03.1854 kauft Wolfgang Probst das Gütl um 2.300 Gulden von Wolfgang Bachmaier, der es am 04.07.1862 an Anna Leiderer übergibt.

 

Joseph und Anna Sagstetter errichten neben dem alten Haus ein neues Wohnhaus, dass die neue Hs.Nr. 55 ½ erhält.

 

Sagstetter Besitzer

 

 

Am 31.07.1869 verkaufen sie das „alte Haus“ an Alois und Anna Kager mit 0,98 ha Grund um 1.475 Gulden. Sie selbst bleiben im neuen Haus Nr. 55 ½ wohnen.

 

Am 18.07.1872 erwerben Adam und Barbara Wiesmüller das Anwesen um 2.380 Gulden mit 3,08 ha.

Am 07.03.1883 tauschen sie mit Josef Moosmüller gegen das Anwesen in Dürnhardt Nr. 100 1/3. Der tauscht im gleichen Jahr, am 02.10.1883, mit Wolfgang und Theres Klingeis gegen deren Anwesen Nr. 17 in Münster.
Ihnen folgend 1904 Sohn Johann Klingeis und dessen Ehefrau Anna geb. Dengler, als Eigentümer des Anwesens nach.

 

 

Klingeis Besitzer

 

Schließlich übernimmt 1943 Tochter Hedwig das Anwesen zusammen mit ihrem Ehemann Albert Prommersberger.

 

 

Ca. 2021 wurde das alte Baderhaus abgerissen.

 

 

1 BayHStA München, Briefprotokolle Straubing 640 I b, fol 25   Kauf 1672
2 BayHStA München, Briefprotokolle Straubing 640 I b, fol 30   Kauf 1672
3 BayHStA München, Briefprotokolle Straubing 640 I b, fol 144  Kaufbrief 03.02.1677
4 BayHStA München, Briefprotokolle Straubing 641, fol 91‘  Übergabsbrief 06.07.1709
5 BayHStA München, Briefprotokolle Straubing 645, fol 38  Übergabebrief 20.09.1741

 

Weitere Quellen:
BayHStA München, Hofanlagsbuchhaltung 248, Steuerkonskription der Hofmark Münster 1752
StA Landshut, Rentamt Straubing B78, Häuser u Rustikalsteuerkataster Münster incl Steinach rev Duplikat 1808
StA Landshut, Rentamt Straubing B79, Umschreibbuch zum Häuser und Rustikalsteuerkataster Münster incl Steinach 1814-1843
Vermessungsamt Straubing, Liquidationsprotokoll der Steuergemeinde Münster von 1838

StA Landshut, Grundsteuerkataster 17/22-5, Umschreibehefte Münster Hs.Nr. 3-59 von 1843 – 1859
StA Landshut, Grundsteuerkataster 17/22-9, Umschreibehefte Münster Hs.Nr. 1 - 69 von 1859-1893
StA Landshut, Grundsteuerkataster 17/22-14, Umschreibehefte Münster Hs.Nr. 1 - 82 von 1893 – 1960
Bischöf. Zentralarchiv Regensburg, Pfarrmatrikel Pfaffmünster



 

Stand: 30.07.2023