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Neues Schloss Steinach

Schlossverkauf an das Unternehmen „Reichsautobahnen“

 

von Hans Agsteiner

 

 

 

Neues Schloss soll größte Autobahnraststätte Deutschlands werden

August von Schmieders gesamter Besitz war am 11. Oktober 1901 in einen Familienfideikommiss mit Majorat eingebracht worden. Es wurde also ein unveräußerliches und unteilbares Familienvermögen geschaffen, das stets geschlossen in der Hand eines Familienmitglieds verbleiben sollte. Aber auf Antrag wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 7. Dezember 1922 der Fideikommiss aufgehoben und der Besitz um das Neue Schloss abgetrennt. Neues Schloss, Park und Ökonomiegebäude im Umfang von 11,73 ha erwarb am 7.Februar 1939 um 440.000 RM das Unternehmen Reichsautobahnen (vgl. Nöth, S., Das Neue Schloß Steinach 1905 – 1945, JHVS 90, 1988, 257 ff.). Das Neue Schloss Steinach ging somit in Reichsbesitz über. Hier sollte die größte Autobahnraststätte Deutschlands an der von Hitler geplanten Autobahn Regensburg-Passau-Wien entstehen.

 

Zum Autobahnbau

Als erste autobahnähnliche Schnellstraße in Deutschland gilt die AVUS in Berlin, die 1913 begonnen und 1923 für den Verkehr freigegeben wurde. Die erste deutsche Schnellstraße, die als reine Autobahn geplant war, ist die von 1929 bis 1932 gebaute Strecke von Köln nach Bonn. Der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer nahm die Einweihung vor.  Zwischen 1931 und 1933 wurde als nächstes die Umgehungsautobahn Opladen als Teilstück der geplanten Autobahn Köln – Düsseldorf gebaut. Weitere Ausbauplanungen waren durch die Weltwirtschaftkrise zum Stillstand gebracht worden.

Bereits kurz nach der Übernahme der Reichskanzlerschaft griff Hitler auf bereits vorhandene Planungen zurück und legte ein großes Bauprogramm zum Aufbau eines Reichsautobahnnetzes auf. Am 27. Juni 1933 erließ die Reichsregierung ein „Gesetz über die Errichtung eines Unternehmens Reichsautobahnen“. Fritz Todt wurde zum Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen ernannt. Ihm oblag die Festlegung der Linienführung und die weitere Detailplanung. Am 23. September 1933 setzte Hitler in Frankfurt am Main den Spatenstich für die erste neue Autobahnstrecke. Nach der ursprünglichen Planung sollte das Autobahnnetz pro Jahr um 1 000 km wachsen, dies gelang aber nur in den Jahren 1936 bis 1938. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs waren 3300 Autobahnkilometer fertig gestellt.

Die Fernstraßenplanung Frankfurt – Wien hat aber schon eine längere Geschichte. Bereits  der Entwurf eines mitteleuropäischen Straßennetzes von Friederich von Lüder aus dem Jahre 1779 hatte eine Streckenführung „Frankfurt – Regensburg – Passau – Linz – Wien“ vorgesehen. Aber auch schon die ersten Impulse und Planungen für den Bau einer Autobahn von Regensburg  nach Passau reichen weit zurück. Im „Vorentwurf zu einem Kraftwagenstraßennetz Deutschlands“ aus dem Jahr 1926 war diese Strecke bereits in die höchste Dringlichkeit eingestuft. Der Planungsauftrag der Direktion der Reichsautobahnen Berlin vom 22. Januar 1937 an die Oberste Bauleitung der Reichsautobahnen München verlangte daher, „die Planung der Strecke Nürnberg – Regensburg – Passau mit allen Kräften zu fördern“.  Bereits 1939 wurde zwischen Regensburg und Wörth a.d. Donau und bei Deggendorf mit Erd- und Brückenbauarbeiten begonnen (Aus „Geschichte der A 3 Regensburg – Passau, Internet-Beitrag).

Seit 1940 wurden auch Kriegsgefangene, Häftlinge aus Konzentrationslagern und andere Zwangsarbeiter beim Bau von Autobahnen eingesetzt. Zwischen 1941 und 1942 wurden die Baumaßnahmen wegen des 2. Weltkriegs fast völlig eingestellt.

Über den Steinacher Schlossverkauf finden wir unter dem 13. Februar 1939 einen Bericht in der Zeitung „Bayerische Ostmark“ mit der Überschrift „Ein Schloß wird Rasthof an der Reichsautobahn – Große Zukunft für Schloß Steinach bei Straubing/ 200 kleinere und größere Räume enthält der stattliche Bau“.

Einleitend wird ausgeführt: „Dieser Tage ging, wie schon kurz berichtet, das neue Schloß Steinach in den Besitz der Reichsautobahnen über, die den stattlichen Bau und den prächtigen Schloßpark zu einer Raststätte ausgestalten wollen. Ein Besuch auf dem Schloßberg läßt es verständlich werden, daß die Reichsautobahnen ausgerechnet diesen Ort für die Errichtung eines Reichsautobahn-Rasthofes an der Linie Nürnberg-Linz ausersehen haben“.

Es folgt eine kurze Beschreibung des Neuen Schlosses, wovon folgende Ausführungen besonders interessant sind:

„Der mit mehreren Türmen ausgestattete Bau enthält etwa 200 kleine und größere Räume, die dem neuen Besitzer große Freiheit in der Ausgestaltung des Schlosses zu einem Hotel- und Gaststättenbetrieb lassen. Im Erdgeschoß befindet sich ein großer Empfangssaal. Es ist bemerkenswert, daß auch der größte Teil der Gemälde, so z.B. die großen Wandgemälde, die in vier Bildern Ausschnitte aus der griechischen Heraklessage darstellen, an den neuen Besitzer übergegangen sind. Auch ein großer Teil der Einrichtungsgegenstände wurde von dem neuen Schloßherrn erworben....“.

Auch die Trassenführung der Autobahn wird in dem Artikel kurz angesprochen: „Die Reichsautobahn zieht etwa hundert Meter südlich des Schloßparkes vorbei. Die Strecke ist bereits abgesteckt“.

Diese Aussage deckt sich mit der Mitteilung von Josef Kiefl sen. aus Münster, der dem Verfasser darüber informierte, dass die geplante Autobahntrasse an den Hängen des Vorwaldes entlang führte um nicht fruchtbaren Boden zu vergeuden. Sein Elternanwesen an der Falkenfelser Straße hätte dem Bau weichen müssen und wäre ausgesiedelt worden. Die Trassenführung wurde bereits ausgesteckt. Die geplante Raststätte im Neuen Schloss Steinach wäre nach Kiefl die größte und modernste Autobahnraststätte Europas geworden mit einer Tankstelle, Kfz-Reparaturwerkstätte, Hotels, Parkplätze usw. Mit dem Bau wurde bei Wörth/Donau bereits begonnen, wo eine Autobahnbrücke entstanden ist.

 

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Die geplante Autobahntrasse in der Steinacher Flur
Der Streckenverlauf der Autobahn war damals nördlich des Neuen Schlosses, das als "Rasthof" eingezeichnet ist, in unmittelbarer Nähe des Jägerhauses Ried.
(Ausschnitt aus dem "Muster-Plan für die Straßen und Weg der Gemeinde Steinach" vom 20. April 1940, gefertigt vom Bauunternehmer Karl Kimberger, Steinach)
Quelle: Nachlass Ludwig Niggl

 

Von besonderem Interesse ist der Bericht im Straubinger Tagblatt vom 30./31. Dezember 1939, also kurz nach Beginn des 2. Weltkriegs. Er trägt die Überschrift „30 Kilometer Reichsautobahn“ und gibt nähere Auskunft über die bereits begonnenen Arbeiten in dem 30 km umfassenden Bereich zwischen Regensburg und Passau. Zur Autobahnraststätte im Neuen Schloss Steinach wird in dem Bericht ausgeführt:

„Wie man schon von außen sieht, werden gegenwärtig im Schloss Steinach, das je bekanntlich ein Rasthaus wird, Erneuerungsarbeiten durchgeführt. Dach und Fassade werden instandgesetzt und der Park wird in Ordnung gebracht. Dieses Rasthaus wird auch für die Bevölkerung der Stadt Straubing einmal ein schönes Ausflugsziel werden.“

Der Münsterer Bürger Josef Kiefl sen. war damals als junger Mauerer bei der Firma Eberhardt beschäftigt und hat im Neuen Schloss Reparaturen ausgeführt. Nach Auskunft von Josef Kiefl sen. wurde damals am Hauptgebäude im oberen Schloss der das ganze Gebäude überwuchernde wilde Wein entfernt, auf der Westseite der Schlossfassade  (Richtung Münster) ein Gerüst aufgestellt und der Putz erneuert. Dazu kamen Dachausbesserungen und Steinmetzarbeiten. Die Autobahn hatte im Schloss einen Verwalter eingesetzt, der die Arbeiten überwachte. Zu dieser Zeit war der älteren Münsterern noch bekannte Sebastian Zach („Zach Wastl“), Großvater des Josef Eiglsberger im Neuen Schloss als Obergärtner beschäftigt. Diese Funktion hatte er bereits zu Schmieders Zeiten (für die freundlichen Auskünfte danke ich Herrn Josef Kiefl sen. Sehr herzlich).

 

Autobahnkreuz bei Agendorf geplant

Von besonderem Interesse sind die weiteren Ausführungen in dem Zeitungsbericht:

„Viel wichtiger für Straubing aber ist noch die Tatsache, daß die Stadt in nächster Nähe eines großen Schnittpunktes von 2 Autobahnen liegen wird: Die Reichsautobahn Regensburg – Passau wird in der Nähe von Agendorf von der Reichsautobahn aus dem Sudetenland geschnitten, die damit eine günstige Verbindung von Sachsen ins oberbayerische Gebirge schafft. Ob diese Linie nach München oder nach Salzburg weitergeführt wird, steht noch nicht endgültig fest. Auf jeden Fall aber bringt diese Kreuzung zweier großer Reichsautobahnen für Straubing große wirtschaftliche Vorteile, zumal in der Nähe von Regensburg eine Kreuzung mit der Autobahn München – Ingolstadt – Regensburg geschaffen wird. Bei Großmuth und Herrenwahlthann im Bezirk Kehlheim ist man bereits eifrig an der Arbeit. Der Krieg konnte also auch hier keinen Stillstand der Arbeiten erzwingen“.

 

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 Die ursprüngliche Trassenführung der Reichsautobahn im Gemeindegebiet Steinach war geplant zwischen Buchberg und der Ortschaft Münster
(Quelle: Autobahndirektion Südbayern, Nachlass Ludwig Niggl)

 

 

Autobahnbau heute Karte

Der geplante Verlauf der Reichsautobahn eingezeichnet in einer aktuellen Karte.
Man wollte wohl mit der ursprünglichen Trassenführung die feuchten Mooswiesen südlich von Steinach meiden.
Die "Reichsautobahn aus dem Sudetenland" hätte den Verlauf der heutigen B20 gehabt.

 

 

 

Zu diesem Schlossverkauf berichteten„Niederbayerischen Nachrichten“ am 27. Februar 1948, also nach dem Zweiten Weltkrieg:

„Es sei noch erwähnt, daß der ehemalige Besitzer des Schlosses, von Schmieder, das Schloß nicht freiwillig an die braunen Bonzen abtrat. Nachdem er mehrmals ihr Ansinnen, es samt seinem herrlichen Park und seinen übrigen Anlagen zu verkaufen, ablehnte, wurden ihm unglaublich hohe Luxussteuern auferlegt, worauf er sich schweren Herzens entschließen mußte, den wertvollen Besitz doch zu veräußern“.

 

Literatur:

Wikipedia, Stichwort „Reichsautobahn“; Erhard Schütz, Eckhard Gruber: „Mythos Reichsautobahn, Berlin 1996. Berichte im Straubinger Tagblatt und in den Niederbayerischen Nachrichten.

Nöth Stefan, Das Neue Schloß Steinach 1905- 1945, im Jahresbericht d. Hist. Vereins f. Straubing und Umgebung Jhg. 90, 1988, S. 257 ff.