Drucken

Größter Tiburtius-Gemäldezyklus der Welt in Münster

 

von Hans Agsteiner

 

 

 Einleitung

 

Der Heilige Tiburtius, dessen Festtag am 11. August gefeiert wird, ist der Patron der ehemaligen Stifts- und heutigen Pfarrkirche von Münster. Tiburtius entstammte dem Ritterstand und war Mitglied des römischen Adels. Sein Vater Agrestius Chromatius, Stadtpräfekt von Rom, zählte zu den höchsten Beamten des Römischen Weltreichs. Tiburtius schlug eine glänzende Karriere im Staatsdienst aus, wurde Christ und Diakon, musste aber unter Kaiser Diokletian am 11. August 286 in Rom zusammen mit der Heiligen Susanne den Märtyrertod erleiden.

Als in Münster Anfang des 12. Jahrhunderts ein Chorherrenstift gegründet wurde, möglicherweise auf dem Grund und Boden eines uralten Benediktinerklosters, wählten die vornehmen, meist adeligen Chorherren den Heiligen Tiburtius zum Patron ihres Stifts und ihrer im romanischen Stil errichteten Stiftskirche. Dies ist wohl darin begründet, dass Tiburtius ein Ritterpatron war, wie der Heilige Mauritius, der Patron des Klosters Niederalteich oder der Heilige Georg, welcher Patron zahlreicher Burg- und Schlosskapellen ist, wie z.B. in Steinach. Pfarrpatron von Münster ist aber nach wie vor der hl. Martin. Die noch bestehende Martinskirche war einst die Pfarrkirche für die Dorfbewohner von Pfaffmünster, wie der Ort früher genannt wurde.

Die  erste Urkunde, in welcher das Stift St. Tiburtius erscheint, wird von der Historikerin Cornelia Mohr auf die Zeit um 1112 – 1115 datiert. Darin bestellen der Ritter Gerhoch von Wolferszell und seine Ehefrau Mathilde den Ritter Engelschalk von Parkstetten zu ihrem Testamentsvollstrecker. Er soll nach ihrem Tod ihren Wolferszeller Besitz mit allen hörigen Bauern zur einen Hälfte  geben an das Kloster Oberalteich und zur anderen Hälfte an das  „monasterium s(ancti) Tiburtii“, zu deutsch: an das Kloster St. Tiburtius.

Im Jahre 1581 ist das Chorherrenstift St. Tiburtius zu Pfaffmünster im Rahmen der Gegenreformation auf Ersuchen der bayerischen Herzöge durch Papst Gregor XIII. nach Straubing St. Jakob verlegt worden. Der Heilige Tiburtius wurde nun in Straubing neben dem hl. Jakobus zweiter Stiftspatron, zweiter Stadtpatron und zweiter Pfarrpatron. Die Pfarrei Pfaffmünster aber hat man dem Straubinger Stift inkorporiert und die alte  Stiftskirche St. Tiburtius wurde nun einfache Pfarrkirche, welche Straubinger Chorherrn bzw. deren Vikare betreuten.

Im Dreißigjährigen Krieg durch die Schweden schwer geschädigt war die Münsterer Tiburtiuskirche ruinös und fast baufällig. Da erbarmte sich ihrer der Straubinger Chorherr Johann Bartholomäus Höller, der als Adoptivsohn des berühmten Bürgermeisters Simon Höller ein großes Vermögen geerbt hatte. Er ließ in den Jahren 1730 bis 1740 mit Mitteln seines Privatvermögens die ehemalige Stiftskirche in Münster umfassend renovieren und sanieren. Die beiden baufälligen romanischen Osttürme wurden abgetragen und durch den heutigen Westturm ersetzt (Jahreszahl 1738 über dem Portal), neue Altäre und eine Kanzel geschaffen und die heutige Sakristei angebaut sowie ein kostbares Sebastiansreliquiar angeschafft. Höller beauftragte den damals schon sehr bekannten Maler Johann Adam Schöpf hier einen Gemälde-Zyklus mit Szenen aus dem Leben des Heiligen Tiburtius zu schaffen. Der Münsterer Tiburtius-Zyklus besteht aus vier großflächigen Deckengemälden, zwei Wandgemälden sowie dem Altarblatt des Hochaltars. Auf dem Deckengemälde über der Empore ist in einer Kartusche die Jahreszahl MDCCXXXVIII = 1738 angegeben, das ist das Jahr, in welchem die Gemälde nach dem Umbau geschaffen worden sind (vgl. auch Jahresangabe „1738“ über dem Kirchenportal).

Leben und Sterben des Kirchen- und Stiftspatrons St. Tiburtius werden im Folgenden an Hand dieses großartigen Gemäldezyklus` dargestellt. Dabei wird auf verschiedene Heiligenlegenden, insbesondere die Legenda Aurea, die Acta Sanctorum und auf die Forschungen von Dr. Riedl-Valder zurückgegriffen. Dr. Christine Riedl-Valder hat sich in ihrer Dissertation „Johann Adam Schöpf (1702-1772). Maler in Bayern, Böhmen und Kurköln. Leben und Werk“, eingehend kunsthistorisch auch mit den Münsterer Fresken befasst. Vom Verfasser sind jedoch auf Grund seiner Forschungen einige Passagen dieser Arbeit zu ergänzen und zu berichtigen.

 

 

Größter Tiburtius-Gemäldezyklus der Welt in Münster

 

Laut persönlicher Mitteilung von Frau Dr. Christine Riedl-Valder handelt es sich bei den Münsterer Fresken  um den größten Tiburtius-Gemäldezyklus der Welt. Der Verfasser hat diese Aussage durch weitere Ermittlungen im Internet und durch Einsichtnahme in die  einschlägige Literatur abgesichert. So ist in dem „Verzeichnis der Patronate der Bistümer, Kathedralen, Dome, Münster und Basiliken in Deutschland“ lediglich „Steinach in Niederbayern: Kloster Pfaffenmünster mit Stiftskirche St. Tiburtius“ angegeben. Auch eine Länderabfrage im Internet ergab keine weiteren Patrozinien zu St. Tiburtius bei größeren Kirchen in Mitteleuropa. Dabei wurden die Patronate in folgenden Ländern abgefragt: Österreich, Schweiz, Elsaß, Luxemburg, Belgien, Polen, Ukraine, Baltikum, Slowenien, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Ungarn, England, Frankreich, Niederlande, Weißrussland und Italien sowie die Begriffe Hl. Römisches Reich deutscher Nation, Deutschordensland, Reichsklöster, Reichskirchen, Ostkirchen, Kirchen in Magdeburg.

Ein Hochaltargemälde ist in der Kirche von Molzbichl/Kärnten erhalten. Kleinere Tiburtiusgemälde von den berühmten Maler Defendente befinden sich in der Sakristei der ehemaligen Klosterkirche von San Benigno/Italien. Eine frühchristliche Tiburtiusdarstellung ist in Rom in der Katakombe an der Via Labicana, dem Ort des Martyriums, erhalten. Weitere Tiburtiusgemälde oder gar ein großformatiger Freskenzyklus wie in Münster konnte bisher nicht festgestellt werden.

 

Die Personen der Handlung

 

Tiburtius, römischer Märtyrer, + 11. August 286 in Rom

Chromatius, Präfekt von Rom, Vater des Tiburtius

Susanne, römische Märtyrerin, + 11. August 286 in Rom, am selben Tag wie Tiburtius

Polikarp, Priester, taufte viele Christen, darunter auch Chromatius, Tiburtius und Susanne

Tranquilinus und Ehefrau Martia, von Sebastian zum Christentum bekehrt, nach schwerer Krankheit durch Taufe wieder gesund geworden

Kaiser Diokletian, unter ihm schwere Christenverfolgungen im römischen Weltreich

Mitkaiser Maximian

Fabianus, Richter in Rom und Nachfolger von Chromatius, verurteilte Tiburtius zum Tod

Torquatus, der Verräter

Sebastian, Freund und Schicksalsgenosse von Tiburtius, + 286 in Rom

Kastulus, Freund und Schicksalsgenosse von Tiburtius, + um 312, Reliquien in Moosburg und Landshut, Patron der Holledau

Irene, Ehefrau des Kastulus, pflegte den durch die Pfeile schwer verletzten Sebastian.

Marcellinus und Marcus, zwei Zwillingsbrüder, Märtyrertod unter Diokletian im Jahr 286, ihre Eltern: Tranquillinus und Martia.

Nicostratus und seine zunächst stumme Frau Zoe fanden den Märtyrertod

 

 

Das erste Gemälde

 

Sebastian heilt in Anwesenheit des Tiburtius dessen Vater Chromatius

 - Westliches Deckengemälde im Langhaus über der Empore -

 

 

 FO MUEN 45

 

 Bild: Albert Lindmeier

 

 

Schilderung nach der Legenda Aurea

 

Die Vorgeschichte – Sebastian als Krankenheiler

Sebastian war ganz von christlichem Glauben erfüllt. Als Bürger der Stadt Mailand stammte er aus der Provinz Narbonensis. Weil die Kaiser Diokletian und Maximian ihn so sehr schätzten, übertrugen sie ihm das Kommando über die erste Kohorte und verpflichteten ihn, stets in Blickweite zu ihnen zu sein. Sebastian trug seinen Militärmantel aber nur zu dem Zweck, die Seelen der Christen aufrichten zu können, deren Kräfte unter der Folter schwanden...

Der Herr hatte die Worte des heiligen Sebastian so sehr begnadet und mit Kraft versehen, dass dieser zahlreiche Menschen zum Glauben bekehrte, unter anderem einen Mann namens Tranquillinus. Diese Leute wurden alle von einem Priester mit Namen Policarpus getauft. Was nun Tranquillinus betrifft, so hatte dieser zuvor an einer sehr schweren Krankheit gelitten, doch kaum dass er die Taufe empfing, wurde er wieder völlig gesund.

 

Heilung und Bekehrung des Stadtpräfekten Chromatius, Vater des Tiburtus

Nun litt auch Chromatius, der Stadtpräfekt Roms, an einer sehr schweren Krankheit. Deswegen bat er Tranquillinus, den Menschen zu ihm zu führen, der ihn wieder hatte gesund werden lassen (nämlich Sebastian, Anm.d.Verf.). Als Policarpus und Sebastian in der Folge zum Stadtpräfekten kamen, bat sie Chromatius persönlich, ihn gleichfalls wieder gesunden zu lassen. Da forderte Sebastian von ihm, zuvor den Göttern abzuschwören und ihm, Sebastian, die Vollmacht zur Zerstörung aller Götzenbilder zu übertragen; erst dann werde er seine Gesundheit zurückerlangen.

Als ihm der Präfekt daraufhin vorschlug, dass seine eigenen Sklaven dies erledigen sollten, nicht aber Sebastian selbst, entgegnete er: „Deine Leute fürchten sich vor lauter Angst zu sehr, ihre Götzen zu zertrümmern. Und sollte der Teufel sie bei der Gelegenheit zu schaden kommen lassen, würden sie das als Strafe für den vermeintlichen Frevel deuten, ihre Götzen zu vernichten“. Und so machten sich Policarpus und Sebastian daran, über zweihundert Götzenbilder zu zerstören. Anschließend sagten sie zu Chromatius: „Wir haben die Götzenbilder vernichtet, also hättest du wieder gesund werden müssen. Dass es noch nicht so gekommen ist, kann nur zwei Gründe haben: Entweder hast du deinen Unglauben noch nicht abgelegt, oder du bewahrst weiterhin irgendwelche Götzenbilder auf“.

Da erkärte der Stadtpräfekt, dass in seinem Schlafgemach die gesamte astrologische Lehre in Bilder gefasst sei, wofür sein Vater einst über zweihundert Pfund Gold aufgewendet hatte. Mit Hilfe der Sternenkunde sei er in der Lage, die Zukunft vollständig vorauszusehen. Sebastian erwiderte darauf: „Solange du das verschonst, wirst du selbst nicht von der Krankheit verschont bleiben“. Chromatius gab also seine Zustimmung, doch sein Sohn Tiburtius, ein rechtschaffener junger Mann, warf ein: „Ich will nicht erlauben, dass ein so exzellentes Kunstwerk zerstört wird. Es soll aber auch nicht so aussehen, als wolle ich die Genesung des Vaters behindern. Deshalb sollen zwei Öfen befeuert werden: Wird mein Vater trotz der Zerstörung dieses Meisterstücks nicht wieder gesund, sollen die beiden Christen bei lebendigem Leib verbrannt werden“. Sebastian antwortete darauf: „So, wie du sagst, soll es geschehen.“

Während diese Darstellungen nunmehr zertrümmert wurden, erschien dem Präfekten ein Engel und verkündete ihm: „Jesus, der Herr, hat dir deine Gesundheit wiedergeschenkt“. Im selben Moment war Chromatius geheilt. Da wollte er dem Engel eilends die Füße küssen, doch das untersagte dieser, weil Chromatius noch nicht getauft war. Daraufhin empfingen der Präfekt, sein Sohn Tiburtius und 1400 seiner Diener die Taufe.

 

Der Himmelsglobus des Chromatius

 

Das Gerät zur Astrologie und Astronomie, einen sog. Himmelsglobus, hat der Maler Schöpf auf dem Deckengemälde über der Empore (links oben auf dem Bücherschrank) dargestellt. Dieser Himmelsglobus ist auch auf einem Kupferstich zu erkennen, der im Straubinger Gäubodenmuseum aufbewahrt wird. In der lateinischen Urfassung der Acta Sanctorum wird darauf besonders eingegangen. Es heißt dazu in deutscher Übersetzung:

Als diese zerstört sind (die Götzenbilder, Anm.d.Verf.) und Chromatius noch nicht geheilt ist, gesteht er, ein Gerät verschwiegen zu haben, mit dem man den Lauf der Gestirne vorhersagen kann. Dieses Gerät sei jedoch so wertvoll und so kostbar geschmiedet, dass er es vorerst der Zerstörung nicht preisgeben wollte. Letztlich willigte er ein, dass die beiden Heiligen auch diese Maschine zerstören, obwohl sein Sohn Tiburtius dagegen ist und Sebastian und Policarpus mit dem Tod durch Verbrennen droht, falls die Zerstörung keinen Erfolg haben sollte.

Ein Himmelsglobus (lat. Globus coelestis) ist die Darstellung des Sternenhimmels auf einer scheinbaren Himmelskugel. Er zeigt die Lage der Fixsterne und der Sternbilder in unverzehrter, aber spiegelbildlicher Lage, weil der Beobachter von außen auf den Globus blickt. Bei Himmelsgloben ist der Himmel von außen auf der Kugel dargestellt. Der Betrachter muss sich in den Globus „hineinversetzen“, um den Himmel richtig zu sehen. Die Erd- und Himmelsgloben sind bereits in der Antike aufgekommen. Die Legende hat also durchaus ihre Berechtigung. Chromatius ist offensichtlich den Wissenschaften gegenüber sehr aufgeschlossen gewesen, was in Verbindung mit seiner herausragenden Stellung als Stadtpräfekt zu sehen ist.

 

 Kunsthistorische Bildbeschreibung in der Disseration von Dr. Christine Riedl-Valder

 

Der Legende nach bekehrte der hl. Sebastian den Präfekten Chromatius und dessen Sohn Tiburtius zum Christentum (vgl. G.D. Gordinen, Art. „Sebastiano“, in: BiblSS 11, 779).

Am Totenbett von Tiburtius`Vater steht der hl. Sebastian. Er weist den Alten auf das Monogramm Christi hin, das in einem Strahlenkranz über ihnen erscheint. Unter der Wirkung dieses Siegeszeichens stürzen die Standbilder von Götzen und Dämonen aus den mit Büchern angefüllten Schrank im Hintergrund herunter. An der geöffneten Tür, durch die ein Lichtstrahl fällt, steht der hl. Tiburtius mit gefalteten Händen und zertritt einen der Teufel zu seinen Füßen. (In der Kartusche über der Tür die nicht näher deutbare Inschrift ARW, darunter ligiertes TA, MDCCXXVIII ?), -

 

Ergänzende und korrigierende Bemerkungen durch den Verfasser:

Tatsächlich handelt es sich nicht um das „Totenbett“ von Tiburtius` Vater, sondern um sein Krankenbett. Vater Chromatius litt an Gicht und war deshalb bettlägrig. Chromatius ist nicht verstorben, sondern wurde geheilt. Dieses Gemälde steht also am Anfang des Geschehens. Am rechten Bildrand ist der in der Legenda Aurea genannte Presbyter Polykarp (fälschlich im Bischofsornat) zu erkennen, der sowohl Chromatius als auch dessen Sohn Tiburtius anschließend die hl Taufe spendete. Die Jahreszahl ist MDCCXXXVIII = 1738, das ist das Jahr, in welchem die Gemälde nach dem Umbau geschaffen worden sind (vgl. auch Jahresangabe „1738“ über dem Kirchenportal).

 

 

Das zweite Gemälde

 

Chromatius, Susanne und Tiburtius werden von Polykarp getauft,

Sebastian (mit Helm und zwei Pfeilen) beobachtet den Taufvorgang

 - Östliches Deckengemälde im Langhaua -

 

 FO MUEN 46

 Bild: Albert Lindmeier

 

 

 Kunsthistorische Betrachtung durch Dr. Christine Riedl-Valder

 

Frau Dr. Riedl-Valder führt in ihrer Dissertation zu dem Deckengemälde im Langhaus aus:

Das Taufbecken steht auf einem dreistufigen Podest vor einem von mächtigen Pfeilern getragenen Architekturbogen, dessen Laibung mit goldenen Kassettenfeldern geschmückt ist. Davor kniet der hl. Tiburtius mit entblößtem Haupt und neigt sich demütig mit vor der Brust verschränkten Armen nach vorn. Ein Bischof im Ornat steht hinter dem Taufbecken und gießt ihm das Wasser über das Haupt. Dem Ereignis wohnt der hl. Sebastian bei, der mit wehendem Mantel und zwei Pfeilen in der Hand hinter Tiburtius steht. Auf den Stufen sind Leute aus dem Volk versammelt. Im Vordergrund links steht Tiburtius`Vater Chromatius, nach dessen Beispiel sich der Sohn der Legende zufolge taufen läßt.

 

Vorbemerkung des Verfassers zur frühchristlichen Hierarchie:

Es wird berichtet, dass Tiburtius nach seiner Taufe als Missionar und Diakon gewirkt habe.

Bei den frühen Christen war der Bischof in jeder Hinsicht die Mitte und das Haupt der Gemeinde. Unter dem Bischof standen die Presbyter als eine eigene Gruppe und außerdem die Diakone. Die Begründung dieser Hierarchie und Struktur von Ämtern war, dass diese kirchliche Ordnung ein Abbild bzw. Fortsetzung dessen auf Erden sei, was die Ordnung im Himmel ist (Norbert Brox, Kirchengeschichte des Altertums, S. 98). Bei dem dargestellten „Bischof im Ornat“ handelt es sich um den in der Legenda Aurea genannten Presbyter (= Priester, nicht Bischof) Polykarp, der auch Chromatius getauft hat. Es heißt dort: „Diese Leute wurden alle von einem Priester mit Namen Policarpus getauft“.

 

 Abweichende Auffassung durch P. Wilhelm Fink, Metten

 Zu diesem Deckengemälde gibt es eine andere Auslegung durch P. Wilhelm Fink O.S.B, den verstorbenen Klosterhistoriker von Metten, die dieser in einem Artikel im Straubinger Tagblatt vom 12.4.1961 dargelegt hat. Dieser frühe Zeitungsartikel dürfte Frau Dr. Riedl-Valder nicht bekannt gewesen sein. Pater Fink vermerkt: „Beim dritten Bild sind wir überrascht. Es stellt das Martyrium einer jungen Frau dar. Es ist die hl. Susanna, deren  Fest die Kirche am gleichen Tage, am 11. August, feiert, an dem sie auch das Gedächtnis des hl. Tiburtius begeht. Sie wurde auch ein Opfer der diokletianischen Verfolgung.“

 

Der Auffassung von Fink, dass es sich um eine junge Frau handelt, ist zuzustimmen, nicht aber, dass es sich um das „Martyrium einer jungen Frau“ handelt. Das Gemälde stellt eindeutig kein Martyrium dar, sondern eine Taufe in einem Kirchenraum, die wohl durch den in der Legende genannten Presbyter Polykarp vorgenommen wird. Maler Schöpf (oder sein Geselle) hat den Täufling eindeutig „weibisch“ dargestellt, was Fink m.E. zu Recht zu der Annahme führte, es handle sich um die hl. Susanne. Fink hat diese Auffassung wohl von Georg Dehio, Handbuch deutscher Kunstdenkmäler, Bd. Bayern II, Niederbayern, übernommen, der zu den Fresken in Münster ausführt: „Die qualitätvollen hellfarbigen Deckenbilder und die beiden großen Wandbilder in der Vierung – vermutlich Werke von Johann Adam Schöpf – zeigen Szenen aus der Legende des Hl. Tiburtius sowie der Hl. Susanna.“

 

Meinung des Verfassers

 Es spricht zwar einiges für die Auffassung von Dr. Riedl-Valder, dass es sich um die Taufe des hl. Tiburtius, des Titelheiligen der ehemaligen Stiftskirche handle, insbesondere würde dies in das Gesamtkonzept des Tiburtiuszyklus recht gut passen. Doch sprechen folgende Merkmale gegen ihre Auffassung und für die Auffassung von Fink und Dehio:

So ist Dr. Riedl-Valder nicht darin beizupflichten, dass es sich bei der Person, die „im Vordergrund links steht“ um Tiburtius` Vater Chromatius handelt, denn  diese  Person kann nach ihrer jugendlichen Darstellung nicht Chromatius sein. Chromatius ist vielmehr der ältere sitzende ergraute Mann rechts im Vordergrund, auf den Dr. Riedl-Valder überhaupt nicht eingeht. Eindeutig zu erkennen ist der hl. Sebastian in der Bildmitte mit Helm und zwei Pfeilen. Wer aber ist dann der junge stehende Mann „im Vordergrund links“, den Dr. Riedl-Valder für den alten Chromatius hält. Es kann eigentlich nur Tiburtius sein, worauf die umgelegte Schärpe hindeutet (auch auf dem Deckengemälde über der Empore trägt Tiburtius eine Schärpe) sowie der Gesichtsausdruck, den wir auch auf dem Gemälde der Hinrichtung (beim Kohlengang) erkennen. Handelt es sich aber bei dem Mann „im Vordergrund links“ tatsächlich um Tiburtius, so ist für eine Darstellung des Tiburtius als Täufling kein Raum. Dann kann es sich bei der weiblich dargestellten Person, die gerade getauft wird, um eine Frau handeln. In Betracht kommt eigentlich nur die mit Tiburtius befreundete hl. Susanna, deren Tag -  wie bei Tiburtius - am 11. August gefeiert wird, da sie am selben Tag wie Tiburtius den Märtyrertod erlitten hat und deshalb häufig mit ihm zusammen genannt wird.

 

Es handelt sich bei der Abbildung nach Auffassung des Verfassers um einen einheitlichen Taufvorgang (Gemeinschaftstaufe), zu dem die christliche Gemeinde in der Kirche beim Priester Polykarp zusammengekommen ist. Chromatius, der ältere Mann rechts im Vordergrund, ist bereits getauft, Susanne wird gerade getauft und Tiburtius (der junge Mann mit Schärpe) wartet auf seine Taufe. Diese Auffassung vertraten auch die Mitglieder der Studiengemeinschaft Straubing, mit welchen der Verfasser bei der Kirchenführung am 20. Juli 2013 diese Frage ausführlich diskutierte.

 

 

 

Das dritte Gemälde

 

Tiburtius speist arme Christen im Palast seines Vaters Chromatius

und rettet einen verunglückten Handwerker

 

- Wandgemälde in der Vierung (Südwand) -

 

FO MUEN 47

 Bild: Albert Lindmeier

 

Am unteren Bildrand des Wandgemäldes, das sich an der Südseite der Vierung befindet, ist folgende Inschrift angebracht, die der Erläuterung der Darstellung dient:

Chromasius speist sehr lang in seinem Palast täglich bey 1400 Christen welchen Tiburtius  zu tisch einen Diener und in der Andacht zur Nachfolg ein exempel gibt, da Tiburtius einen von hochen gebeu herabgefahlnen halbtodt zerquetschten handwercher mit kurtzen gebett gesund und zu einem Christen machet. Durch Vermehrung dess Seellen heill seine Ehr und Heilligkeit Vergrößernd.

 

Die Kunsthistorikerin Dr. Christine Riedl-Valder vermerkt zu diesem Wandgemälde in ihrer Dissertation:

Stufen führen zu einem von Säulen umgebenen Raum, in dem Menschen aus dem Volk beim Essen sitzen. In der Bildmitte steht der hl. Tiburtius und reicht einem Mann die Speise. Links hinter ihm sieht man Chromatius am Kopfende eines Tisches. Er und Tiburtius sind als römische Edelleute gekleidet. Durch einen Pfeilerbogen im Hintergrund drängen von draußen weitere Hungrige an die Tafel. In der Ferne sieht man den Handwerker, den Tiburtius der Legende nach noch heilte, von einem hohen Baugerüst stürzen.

Wegen dieser Heilung gilt der hl. Tiburtius als Helfer bei Knochenbrüchen.

 

 

Heimat des hl. Tiburtius in Rom: der Palast seines Vater Chromatius in der Nähe der heutigen Piazza Navona

 Der Palast des römischen Präfekten Chromatius existierte tatsächlich, und zwar im Stadteil Parione in der Nähe der heutigen Piazza Navona, einem beliebten Treffpunkt in Rom mit vielen Straßencafés, gleich in der Nähe des berühmten Pantheon. Der Palast war im 12. Jahrhundert noch vorhanden.

Im Internet ist unter dem Stichwort „Rom Parione“ vermerkt: Der Palast des Chromatius befand sich im Stadtteil Parione. Dieser umfasste das Altstadtquartier um Piazza Navonna und Campo de`Fiori. Der Name Parione rührt von der lateinischen Bezeichnung „Paries“ für eine große Mauer her“. Gemeint ist damit vermutlich der Rest des Stadion des Domitian.

In seinem Werk „Platner & Ashby`s Topography of Ancient Roma“, erschienen in London 1929, führt der Autor Lacus Curtius aus (in deutscher Übersetzung):

Holoviterium: der Palast (palatinum) von Chromatius, wahrscheinlich Agrestius Chromatius, Praef. Urbi etwa 248 n.Chr.. Das Gebäude hat seinen Namen von seiner Dekoration von Glas-Mosaiken, die die Himmelskörper (Acta S. Sebastian 20 Ian p. 629; Mirob. 29) darstellen und Spuren davon wurden im Jahr 1741 gefunden, als die Kirche St. Stefano in Piscinula in der Via die Banchi Vecchi zerstört wurde (Mo L.I 0,548, HJ 597-8).

 

Palast

Der Palast des Präfekten AGRESTIUS CHROMATIUS (HOLOVITREUM)
Vater von Tiburtius – Hier ist Tiburtius aufgewachsen
Ausschnitt aus der Rekonstruktionszeichnung nach Gilles Chaillet, Das Rom der Kaiserzeit, S. 165

 

 

Die päpstlichen Prozessionen führten am Chromatius-Palast vorbei

 In der mittelalterlichen Stadtbeschreibung der Mirabilia Urbis Romae, die im 12. Jahrhundert abgeschlossen wurde, hat Ferdinand Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, Kapitel 226 den jährlichen Weg der päpstlichen Prozession durch Rom gefunden, der genau nach Bauwerken und Straßen bestimmt werden konnte. Auf diesem Weg lag auch der Palast des römischen Stadtpräfekten Chromatius, Vater des hl. Tiburtius. Hier im Prominentenviertel der Stadt Rom ist Tiburtius aufgewachsen. Die Päpste zogen damals bei gewissen Festen nicht in goldenen Karossen, sondern barfüßig durch die Stadt. Die ermüdeten Päpste ruhten dann an hergebrachten Stationen, wo ihnen ein Lager bereitstand oder sie ritten, vom Pomp ihres Hofes umgeben, mit dem Regnum gekrönt, auf einem weißen Maultier, welches mit Silber gezäunt und mit Purpur gedeckt war. Der Ordo des Kanonikus Benedikt aus dem Jahre 1143, in dessen Codex sich die Mirabilien befinden, beschreibt den Weg der Prozession, die am Palast des Chromatius vorbeiführte, in folgender Weise:

„Der Papst kommt heraus durch das (laterinische) Feld bei St. Gregorius in Martio, steigt unter dem Bogen der Wasserleitung auf den großen Weg, geht nach rechts S. Cemente vorbei, biegt links zum Coloseum.....

„Sobald die Messe beendet ist, wird er ... vor der Basilika gekrönt, wo er zu Pferde steigt, und so gekrönt, kehrt er in Prozession auf diesem „heiligen Weg“ zurück durch den Porticus und über die genannte Brücke tritt er ein unter dem Triumphbogen der Kaiser Theodosius und Gratian und zieht neben dem Palast des Chromatius, wo die Juden die Loblieder singen, weiter durch Parione zwischen dem Circus des Alexander (heute Navona) und dem Theater des Pompejus, ...er geht sodann durch den Triumphbogen des Titus und Vespasian, der da heißt von den „Sieben Leuchtern'“, er steigt ab zur Meta Sudans vor dem Triumphbogen des Constantin, biegt links ein vor dem Amphietheater, und durch den heiligen Weg (sancta via) neben dem Colosseum kehrt er zum Lateran zurück“.

Der Verfasser des Mirabilienbuchs  zählt alle Bauwerke auf dem Papstweg auf; auch den Palast des Präfekten Chromatius in der Region Parione, wo sich die Juden aufstellten. Er schreibt zum Chromatius-Palast: „ganz mit Musiv ausgelegt, ganz aus Glas, Kristall und Gold durch magische Kunst gemacht und mit einer Astronomie des Himmels versehen“ und er weiß, dass „Sebastian mit Tiburtius, dem Sohne des Präfekten Chromatius, diesen Wunderpalast zerstört hatte“.

Der Palast des Chromatius aus Glas, Kristall und Gold war danach mit der „Astronomie des Himmels versehen“. Das Gebäude hatte den Namen Holoviterium wegen seiner Dekoration mit Glas-Mosaiken, welche die Himmelskörper dargestellt haben. Man erkennt den Zusammenhang zum ersten Deckengemälde des Zyklus über der Empore in Münster, welches u.a. den Himmelsglobus und die Neigung des Chromatius zur Astronomie und Astrologie zu erkennen gibt. Das in der Legenda Aurea beschriebene Gerät des Chromatius zur Astrologie und Astronomie, eine sog. Armillarsphäre oder Weltmaschine, wurde im Palast im sog. cubiculum holovitreum aufbewahrt (so bezeichnet in der Acta Sanctorum = Schlafgemach im Kristallpalast (Cubiculum = Zimmer, holovitreum = Glasmosaiken mit Himmelskörpern).

 

 

 

 Das vierte Gemälde

 

Tiburtius entschließt sich bei der Christenverfolgung des Kaisers Diokletian trotz Lebensgefahr in Rom zu bleiben und riskiert den Märtyrertod

  - Wandgemälde an der Nordseite der Vierung -

 

FO MUEN 48

Bild: Albert Lindmeier

 

 

Inschrift am Wandgemälde

Am unteren Bildrand des Wandgemäldes, das sich an der Nordseite der Vierung befindet und wie das gegenüberliegende Wandgemälde die Ausmaße 4,00 m x 4,00 m hat, ist folgende Inschrift, die der Erläuterung der Darstellung dient, angebracht:

 

Chromasius, Tiburty Heer Vatter, macht sich mit etlichen neuen Christen vor forcht der Martyr von Rom in Campanien. Tiburtius aber beurlaubt sich bey Chromatio. Verbleibt zu Rom bey Babst Caio auf begird zur Martyr Welche Tiburtius im Jahr dess Herren 286 den 11. August under Dioclesiano herzhafft erlitten. Dess Tyrannen grausamkeit hätte Tiburty Heldenmuth kein kostbahrere gab, als die erwünschte Martyr Cron erbietten können.

Christine Riedl-Valder beschreibt in ihrer Disseration das Wandgemälde wie folgt:

Im Vordergrund kniet der hl. Tiburtius. Er hat seine Hand vertrauensvoll in die des Papstes gelegt, der neben ihm unter einem roten Stoffbaldachin steht und ihn segnet. Links wendet sich der zum Aufbruch bereite Chromatius noch einmal mit einer bedauernden Geste zu ihm um. Dahinter verläßt ein Zug von Frauen und Männern durch einen Bogengang den Raum.

 

Die Verbreitung der neuen Lehre des Christentums

 Sonnenkult, die Verehrung der ägyptischen Gottheit Isis, Zorastrimus, Neuplatonismus – in Zeiten der Unsicherheit haben sinnstiftende Heilslehren Hochkonjunktur. Die genannten Lehren kamen alle aus dem hellenistisch geprägten Osten, und auch das Christentum schien zunächst nur ein weiterer Mysterienkult zu sein. Lange hielt man es für eine obskure jüdische Sekte, deren Lebenshaltung und Glauben ihre Anhänger in den Augen der römischen Bevölkerung suspekt machte. Ihre demonstrative Friedfertigkeit, das Bemühen um Arme und Kranke, ihre Glaubensfestigkeit auch unter der Folter, ihr enger Zusammenhalt in gut organisierten Gemeinden und ihre Lehre vom Tod des Gottessohns Jesus als Erlösung der Sünder – all dies ging über den antiken Verstand. Solche Menschen mussten für den Normalbürger mit dem Bösen im Bunde stehen. Schon unter Nero hatte diese Stimmung für seine Sündenbockstrategie beim Brand von Rom genutzt. Dennoch wuchsen die christlichen Gemeinden weiter und dennoch entstanden ständig neue. Die christliche Gemeinde der Stadt Rom hatte dabei als Gründung der Apostel eine besondere Bedeutung; der dortige Bischof (griechisch episcopus = Aufseher) wuchs in eine reichsweite Führungsrolle hinein; seine Auslegung der „frohen Botschaft“ (evangelium)  von Christus wurde maßgeblich, die von ihm geleitete Kirche zu einer „katholischen“ (=allgemeinen; lt. Friedmann Bedürftig).

 

Das Christentum wurde nun durch die sog. Heidenmission im ganzen Römischen Reich verbreitet. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete die römische Armee. Viele Soldaten waren zum Christentum übergetreten. Durch die häufige Verlegung der Einheiten im ganzen Reichsgebiet waren die Legionäre nicht nur Träger der Romanisierung, sondern auch Botschafter der neuen Religion. Das Christentum, aber auch andere Religionen, die ihre Wurzeln im Osten hatten, sprachen die Menschen offensichtlich mehr an, als der kühle römische Staatskult. Die Lehre von Gnade und Erlösung durch das Opfer Jesu bot gerade den Angehörigen der Unterschichten emotionalen Halt (Helmut Karasek und Ulf Merbold, Religion und Glaube, auszugsweise auch die folgenden drei Abschnitte).

 

Wie kam es zum Konflikt mit dem römischen Staat ?

Die folgenden beiden Abschnitte sind auszugsweise dem Buch von August Franzen „Kleine Kirchengeschichte“ entnommen. Sie geben sehr anschaulich die Entstehung und den Verlauf der Christenverfolgungen im Römischen Weltreich wieder. Das Leben und Sterben des hl. Tiburtius ist eingebettet in diesem Gesamtzusammenhang zu sehen.

 

Das römische Reich war nach Franzen ein Rechtsstaat. Wenn dieser Rechtsstaat gegen das Christentum gewaltsam vorging, so müssen wir annehmen, dass er Gründe dafür hatte. Leider besitzen wir nur sehr wenige amtliche Äußerungen, die uns Aufschluss über die Rechtsbasis der staatlichen Christenverfolgungen geben. Die christlichen Quellen geben einen tiefen Einblick in die Zusammenhänge: Drei Arten von solchen Berichten stehen uns zur Verfügung:

  1. Echte Märtyrerakten, die z.T. auf den amtlichen Gerichtsprotokollen beruhen.
  2. Die „Passiones“ oder „Martyria“; es handelt sich hierbei um Darstellungen, die von

    durchweg glaubwürdigen Zeitgenossen verfasst wurden und z.T. auf

    Augenzeugenberichte zurückgehen, aber im allgemeinen aus zweiter Hand berichten,

    z.B. die Passio des hl. Sebastian, in welcher die wichtigen Ausführungen zu Tiburtius

    stehen.

  1. Legenden und Erzählungen späterer Zeit, die historisch fast durchwegs wertlos sind

 Wegen des ersten der Zehn Gebote („Du sollst keinen Gott neben mir haben“) gerieten viele Christen in Konflikt mit dem römischen Gesetz. Sie duften nicht am Kaiserkult und der römischen Staatsreligion teilnehmen. Ebenso wie die Juden hoben sich die Christen durch ihre religiösen Gesetze von der Gesellschaft ab, in der sie lebten. So wurden sie schnell zur Zielscheibe für Diskriminierung und Verfolgung. Immer wieder ordneten die  Kaiser Pogrome und Verfolgungen an. Plinius der Jüngere fragte schriftlich bei der kaiserlichen Verwaltung in Rom an, wie er denn als Provinzstatthalter mit der jüdischen Sekte der „Chresten“ verfahren solle. Seine Verhöre hätten einige unklare Vorwürfe zutage gebracht. Er wisse nicht, was davon er glauben solle.

Die Ablehnung, die die Christen erfuhren, beruhte zum Teil auf Unwissenheit und Missverständnissen. Vor allem das Abendmahl mit der Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi stieß auf Unverständnis und Ablehnung. Neben Fremdenangst und Ablehnung des Unbekannten hatten die Christenverfolgungen aber auch ordnungspolitische Hintergründe. Denn die Verweigerungshaltung der Christen gegenüber den staatlichen Autoritäten widersprach der Staatsraisson. Die Funktionäre der Reichsverwaltung brachten den Göttern Opfer als äußeres Zeichen der Loyalität gegenüber dem Herrscher dar. Den Christen war die Teilnahme an diesen Opfern aber verboten. Dadurch gerieten sie in den Verdacht, den römischen Staat grundsätzlich abzulehnen. Und zumindest was die Lehre der Göttlichkeit des Staatsoberhauptes anbelangte, war dies auch der Fall.

Die Verweigerung der Teilnahme am heidnischen Staatskult, die mit ihrem exklusiven Monotheismus notwendig verbunden war, ließ die Christen als „Atheisten“ (= „götterlose, nicht gottlose) und zugleich als Staatsfeinde erscheinen. Die Absolutheit der Religion Christi, der als einziger Herr und Gott verehrt wurde, untersagte den Christen auch die Anerkennung des Kaiserkultes. Je mehr der Kaiserkult zum Prüfstein der Staatstreue gemacht wurde, desto mehr mussten die Christen als Staatsgegner dastehen. Der römische Staat beruhte auf religiöser Grundlage, und wenn er im allgemeinen auch gegenüber fremder Kulte duldsam war, so selbstverständlich verlangte er auch von diesen ,dass sie dem Kaiser die gebührende Verehrung zollten und die Staatsgötter anerkannten. Dem Judentum gegenüber blieb der Staat trotz seines Ein-Gott-Glaubens duldsam, weil es sich um eine kleine Volksgruppe handelte. Das Christentum hingegen war seinem Wesen nach übervölkisch und universal ausgerichtet, und wenn es zunächst nur um eine verschwindend kleine Gruppe handelte, so rüttelte es doch an den Grundlagen des Reiches. Daher war der Konflikt unausweichlich. Er wurde im 2. und 3. Jahrhundert gerade von jenen Kaisern heraufbeschworen, die tüchtige Herrscher waren und sich um die staatliche Erneuerung und innere Festigung des Reiches auf religiöser Grundlage bemühten.

Die Christen erkannten ihrerseits den Staat als Ordnungsmacht an, hielten seine Gesetze mit peinlicher Genauigkeit ein und beteten „für den Kaiser“, nicht aber zu ihm. So war in normalen Zeiten kaum Anlass zum Einschreiten gegen sie gegeben. In der Tat sind die Verfolgungen anfangs nur sporadisch. Hingegen hat sich von Anfang an der Pöbel an den Verfolgungen in starkem Maße beteiligt. Es war wohl eine instinktive Abneigung, die primitive und ungebildete Menschen stets denen entgegenbringen, die anders sind und anders leben als die Masse, die sich absondern und religiös-moralisch höher stehen. Das zurückgezogene Leben der Christen erregte den Verdacht und weckte die Verleumdungssucht. Man munkelte von verbrecherischen Kulthandlungen bei ihren geheimen Zusammenkünften, dass sie Menschenfleisch genossen (d.h. Christi Fleisch und Blut empfingen), und von blutschänderischer Unzucht, wozu die bei den Christen übliche Bezeichnung von „Brüdern“ und „Schwestern“ untereinander Anlass geboten haben mag. Ihrer Weigerung, den Staatsgöttern zu opfern, schrieb man Naturkatastrophen, öffentliches Missgeschick, Unglücksfälle und militärische Niederlagen zu.

 

Der römische Kaiser Diokletian und die Christen – Unter seiner Herrschaft erlitt Tiburtius den Märtyrertod

Das Martyrium des hl. Tiburtius im Jahre 286 n.Chr. fällt in die frühe Regierungszeit des römischen Kaisers Diokletian (reg. 284-305), in welcher zunächst nur gelegentliche, später dann massive Christenverfolgungen stattfanden. Es ist die dritte und letzte Phase der Christenverfolgungen im Römerreich. Diokletians große brutale Christenverfolgung fand erst im Jahr 303 statt. Papst Cajus, der auf dem Tiburtius-Gemälde dargestellt ist, ist am 22. April 296 verstorben. Er wurde auf dem Friedhof von S. Callisto neben der Papstkrypta begraben.

 

 

 

Das fünfte Gemälde

 

 Die Feuerprobe als erster Teil des Martyriums: Tiburtius muss barfuß über glühende Kohlen gehen

- Das Altarblatt des Hochaltars -

 

 

 

FO MUEN 49

Bild: Albert Lindmeier

 

Auf dem Altarblatt des Hochaltars ist der erste Teil des Martyriums dargestellt, in welchem Tiburtius über glühende Kohlen gehen muss (Höhe im Scheitel 2,25 m, Breite 1,50 m). Das Gemälde ist deshalb ebenfalls dem Tiburtius-Zyklus der Kirche zuzurechnen.

 

In der Legenda Aurea wird dazu Folgendes berichtet:

Dem heiligen Tiburtius befahl man, auf einem Berg glühender Kohlen, die eigens dazu aufgeschüttet worden waren, den Göttern ein Weihrauchopfer darzubringen oder anderenfalls diese Glut mit nackten Füßen zu überqueren. Da schlug er das Zeichen des Kreuzes vor sich, ging ohne zu schwanken mit nackten Füßen darüber und sagte: „Mir ist, als würde ich über Rosenblüten gehen im Namen unseres Herrn Jesus Christus“. Der Präfekt Fabianus aber rief ihm zu: „Jeder weiß doch, dass Christus euch magische Kräfte gelehrt hat !“ Doch Tiburtius entgegnete ihm: „Sei still, du Verfluchter ! Du bist nicht würdig, diesen allerheiligsten, wunderbar klingenden Namen auszusprechen“. Da befahl der Präfekt voller Zorn, dass Tiburtius der Kopf abgeschlagen werde...

 

Beschreibung des Altarblatts durch Dr. Riedl-Valden in ihrer Dissertation

 

Feuerprobe des hl. Tiburtius. Um 1738 (JHVS, S. 317)

(Pfaff-)Münster, St. Tiburtius, Hochaltarbild

Das Hochaltarbild wurde im Zusammenhang mit der Barockisierung der Stiftskirche angeschafft. Stilistische Gründe sprechen für eine Zuschreibung an Schöpf. Im Mittelgrund steht der Heilige aus dem Bild gewandt vor dem Thron des römischen Präfekten und tritt auf dessen Befehl hin auf die glühenden Kohlen. Der hl. Tiburtius hat die Rechte in die Hüfte gestützt und deutet mit der anderen Hand abweisend hinter sich auf eine Götzenstatue im Hintergrund. Der Putto über ihm trägt Märtyrerpalme und Kranz herbei. Neben Tiburtius sieht man am linken Bildrand einen Soldaten mit Lanze und einen weißen Hund. Im Vordergrund rechts ist der Verräter, der Tiburtius anzeigte, als bärtiger Greis mit Kutte ins Bild gewandt dargestellt. Er verweist ebenfalls auf die Statue und hält in der Linken eine Bußkette.

Dr. Riedl-Valden kommentiert das Hochaltargemälde unter „Religiöse Themen“ in ihrer Dissertation:

In dem Ölbild erscheint der gleiche Heiligentyp wie auch im Deckenfresko über dem Altar (vgl. dazu den Bericht über die „Glorie des hl. Tiburtius“ in einem späteren Gemeindeboten, Anm.d.Verf.). Physiognomie, Kleidung und das Bewegungsmotiv des langestreckten rechten Beines stimmen mit der Darstellung des Heiligen im Fresko überein. Damit wird der Bezug zwischen dem Altarbild mit der Feuerprobe des hl. Tiburtius und der Darstellung an der Decke, wo der Heilige im Himmel den Ruhm für das Martyrium empfängt, hergestellt. In diesem, gegenüber den Gemälden der Straubinger Schlosskapelle rund dreizehn Jahre späteren Tafelbild hat Schöpf einen Bildraum mit Treppen und Säulen aufgebaut. Der greise Verräter des Heiligen dient, ins Bild gewandt im Vordergrund links, als Repousseoirfigur. Er vollzieht den Betrachterstandpunkt nach, lenkt den Blick auf die Szene und vermittelt den Eindruck räumlicher Tiefe. Die architektonischen Motive gliedern den Raum und fungieren wie die Säule hinter dem Heiligen, als Würdeformen. Der hl. Tiburtius, der im Mittelgrund bei der Feuerprobe gezeigt wird, ist fest im Bildaufbau verankert. Zusammen mit der Götzenfigur und dem Verräter bildet er eine Dreieckskomposition und steht auch im Zentrum einer Diagonale, die über den Soldaten und Präfekten führt. Nicht nur formal steht der hl. Tiburtius im Mittelpunkt, sondern auch farblich durch seinen leuchtend roten Umhang. Der Faltenwurf dieses weiten, mit Hermelin besetzten Mantels ist im Vergleich zur Stoffbehandlung in den Fresken jedoch mit Rundungen, fließender und mit weitem, weich fallendem Ärmel. Die Kutte des Verräters zeigt dagegen scharfe Grate, Ecken und tiefe Falten, die auch in Schöpfs Freskenbilder der Kirche erscheinen. Genauso wie bei den Gemälden in der Schlosskapelle in Straubing ist das Bildlicht als Lichteinfall von oben gestaltet. Im Zentrum des breiten Strahls befinden sich der Engel mit Märtyrerkranz und -palme und der Heilige bei der Feuerprobe. Erhellt werden davon auch die Götzenstatue im Hintergrund und der gebieterische Arm des Präfekten sowie die Lanze des Soldaten – die Symbole weltlicher Macht, die den Heiligen umgeben. Im Kontrast dazu stehen die Randfiguren ganz im Schatten.

Die Bildeinteilung ist vergleichbar dem themengleichen Altarblatt in St. Veit in Straubing von Cosmas Damian Asam. Schöpf hat es auch als Vorlage für Motive im Langhausfresko der Kirche benutzt. Übereinstimmend dazu ist die Rückenfigur im Vordergrund rechts, der Heilige im Mittelgrund vor dem Thron des Präfekten und der Engel angeordnet. Der Verräter erscheint in dem Tafelbild Asams jedoch im Mittelgrund direkt neben dem hl. Tiburtius und hält einen Stab mit der Statuette einer Göttin. Anders wie Asam stellte Schöpf das Motiv des Götzenbildes heraus, indem er es an höchster Stelle im Bild zwischen dem Heiligen und seinem Glaubenskontrahenten, dem Verräter, plazierte. Der Konflikt zwischen Heidentum und Christentum wird damit viel eindeutiger formuliert.

 

Ergänzende Bemerkungen durch den Verfasser: Die Signatur des Künstlers am Hundehalsband

Kunstwerke sind in früheren Zeiten von den Künstlern häufig nicht signiert worden. Deshalb bereitet die Zuordnung den Kunsthistorikern mitunter erhebliche Schwierigkeiten, zumal meist auch keine Rechnungen mehr vorhanden sind. Man ist auf Stilvergleiche und andere Methoden angewiesen, um ein Kunstwerk einem bestimmten Künstler zuschreiben zu können. Es liegt auf der Hand, dass dabei Irrtümer und Auffassungsunterschiede möglich sind.

Der Tiburtius-Gemäldezyklus in Münster wurde bei der Inventarisierung der Kunstdenkmäler im Jahre 1925 dem Maler Johann Adam Schöpf zugeschrieben.  Karl Gröber führt in Band XII der „Kunstdenkmäler von Bayern aus: „Als Maler kommt J. Adam

Schöpf in Betracht“. Dr. Christine Riedl-Valder, die sich in ihrer beachtenswerten Dissertation eingehend mit dem Leben und Werk des Malers Johann Adam Schöpf auseinandergesetzt hat, kommt zu demselben Ergebnis und führt darin aus: „Stilistische und motivliche Übereinstimmungen mit anderen Werken weisen Schöpf als Autor der Bilder aus“. Und doch bleibt bei diesen Zuschreibungen stets ein gewisser Grad der Unsicherheit; denn eine Zuschreibung ist letztlich kein hundertprozentiger Beweis.

 

Da ist es eine „Sternstunde“ für den Kunsthistoriker, wenn er oft nach Jahren des Suchens und Spekulierens unvermutet eine versteckte, bisher nicht bekannte Signatur des Künstlers an einem Kunstwerk findet. Dies ist geschehen in der Tiburtiuskirche in Münster.  Die katholische Kirchenverwaltung Pfaffmünster hatte im Jahre 1992 eine Restaurierungswerkstätte mit der Untersuchung des Hochaltars beauftragt. Bei genauester Betrachtung des Altarblatts, welches den ersten Teil des Martyriums des hl. Tiburtius zeigt, entdeckte damals der Gutachter die Signatur des Künstlers, ganz versteckt und mit bloßem Auge kaum erkennbar, am Halsband eines weißschwarz gefleckten Hundes, der missbilligend das Martyrium in der Bildmitte beobachtet. Der Künstler hat auf dem Hundehalsband seinen Namenszug und eine Authentikformel angebracht: „J.A.Schöpf. p.“ Das sich an den Namenszug anschließende „p“ ist eine Abkürzung für das lateinische „pinxit“ und bedeutet, dass er, Johann Adam Schöpf, das Altarblatt gemalt hat. Mit der Signatur durch Johann Adam Schöpf ist eindeutig bewiesen, dass Schöpf das Altargemälde in der Münsterer Tiburtiuskirche geschaffen hat. Nachdem damit seine Arbeit in dieser Kirche nachgewiesen ist, ist auf Grund der stilistischen Merkmale davon auszugehen, dass von Schöpf auch die Wand- und Deckengemälde dieser Kirche stammen.

Die heidnische Gottheit, die Tiburtius verehren sollte, wird auf dem Hochaltargemälde als Göttin dargestellt. Auf dem Deckengemälde mit der Enthauptungsszene ist es dagegen Gott Apoll. Dies ist aber kein Widerspruch, denn in Rom wurde ein Vielzahl von Göttern verehrt, so dass Tiburtius sowohl die Göttin wie Apoll verehren sollte.

 

FO MUEN 52

Deutlich zu erkennen am Hundehalsband – die Signatur des Künstlers „J.A.Schöpf p(inxit)“
(Ausschnitt aus dem Hochaltargemälde in der ehemaligen Münsterer Stiftskirche St. Tiburtius)

Bild: Albert Lindmeier

 

Feuerlaufen

Barfuß über glühende Kohlen zu gehen, das ist für die meisten Zeitgenossen ein Märchen aus Tausendundeinernacht oder eine Mutprobe von indischen Fakiren. Viele meinen: das ist ein Trick, das ist Show, Hypnose oder Spinnerei. Es gibt aber andere, welche dieses Feuerlaufen fasziniert, die glauben, dass das funktioniert, die das Wagnis gern ausprobieren möchten“. Mit diesen Worten beginnt ein Bericht im Straubinger Tagblatt in der Ausgabe vom 20. Januar 1998 mit dem Titel „Freiwillig barfuß über glühende Kohlen laufen – Mit Konzentration den „inneren Schweinehund besiegen – Feuerlauftrainer bieten Seminare an“. Dem Bericht und der inzwischen reichlichen Literatur kann entnommen werden, dass nicht nur der hl. Tiburtius, sondern auch der heutige Mensch unbeschadet über glühende Kohlen gehen kann. Es werden sogar Seminare angeboten, in welchem das Feuerlaufen praktiziert werden kann. Beim Feuerlauf laufen Teilnehmer (Feuerläufer) barfuß über einen Laufsteg aus glühenden Holzkohlestücken (gemessen werden ca. 240 bis 450 Grad Celsius) oder heißen Steinen. In Vorbereitung auf den Lauf versetzen sich rituelle Feuerläufer oft in einen Trance-Zustand. Der Feuerlauf wird meist als Ritual durchgeführt und wird seit tausenden von Jahren von Naturvölkern und religiösen Gruppen auf allen Erdteilen praktiziert – regelmäßig mit Aussicht auf Heilung und spirituelles Wachstum. In den letzten Jahrzehnten ist Feuerlaufen in der westlichen Kultur vermehrt publik geworden und wird in der alternativ-therapeutischen Szene auch kommerziell vermarktet. Feuerläufe werden heute vielfach auch im Rahmen von (kommerziellen) Motivations- und Selbsterfahrungslehrgängen, wie nachfolgend dargestellt, durchgeführt.

 

In dem o.a. Zeitungsbericht wird dazu Folgendes ausgeführt:

„..mit der Diplom-Sozialpädagogin Ela Kattinger aus Landau und dem Betriebs- und Marktwirt Peter Kriegl aus Pilsting leben mitten unter uns zwei speziell ausgebildete Feuerlauftrainer, die zum Persönlichkeitstraining auch entsprechende Tagesseminare „Feuerlauf“ anbieten. Die beiden sind enthusiastische Feuerläufer und haben am 30. August 1997 an einem Weltrekordversuch für das Guiness-Buch der Rekorde teilgenommen. Ela Kattinger lief 25 Meter über den glühenden Kohleteppich (Temperaturbereich zwischen 700 und 900 Grad). Peter Kriegl war so begeistert, dass er umdrehte und auf den Kohlen zurücklief.“

Ella Kattinger und Peter Kriegl haben in ihren Seminaren bereits zahlreichen Personen den Gang über die heiße Glut ermöglicht. Alle Feuerläufer – Männer wie Frauen – stimmen in die Begeisterung ihrer Trainer ein und möchten diese persönliche Erfahrung nicht mehr missen, vermerkt der Zeitungsbericht weiter. Nach dem Zeitungsbericht werden „alle Konzentration, alle Energien der Teilnehmer auf dieses absolute, von der Wissenschaft bis heute unerklärliche, für den Kopf absurde Mögliche ausgerichtet. Abwechselnd über Tanz, Meditation, Aktion, Ruhe, Suggestion wird über NLP-Techniken bewusst die Konditionierung zum Feuerläufer hergestellt“. Bei Motivations- und Selbsterfahrungslehrgängen wird oft behauptet, es gebe keine wissenschaftliche Erklärung für das Phänomen, bzw. Feuerlaufen sei nur möglich, wenn man sich in einem bestimmten Zustand befinde (Meditation, Trance). Es wird gelegentlich suggeriert, dass die Macht der Gedanken menschliches Gewebe resistent gegen Hitze mache, so dass es nicht verbrennen könne.

Das „Feuerlaufen“ oder „firewalking“ ist jedoch tatsächlich kein unerklärliches Phänomen, sondern wissenschaftlich erklärbar (vgl. Beitrag „Feuerlauf“ in Wikipedia). Danach spielen tatsächlich physikalische ebenso wie psychologische Faktoren eine Rolle. Ob sich Verbrennungen einstellen, hängt auch wesentlich von den technischen Gegebenheiten ab, z.B. Art und Beschaffenheit des Holzes, Beschaffenheit des Untergrundes und Menge der Glut bzw. Dicke der Glutschicht. Tatsächlich lässt sich der Glutteppich bei Feuerläufen in verschiedenen, sehr unterschiedlichen Arten herstellen, wobei Temperatur und abgestrahlte Wärmemenge, und damit das Risiko von Verbrennungen sehr variieren können.

Wärmekapazität und Wärmeleitfähigkeit sind die wichtigsten Faktoren, die ein Feuerlaufen ohne Verbrennungen ermöglichen. Holz und Kohle sind schlechte Wärmeleiter und haben eine geringe Wärmekapazität, ebenso die Asche, die die Glut umgibt. Deshalb kann Kohle Gegenstände, die sie berühren, nur langsam erhitzen, insbesondere Gegenstände aus Material mit hoher Wärmekapazität und niedriger Wärmeleitfähigkeit wie etwa Wasser, dem Hauptbestandteil des menschlichen Körpers.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Kontaktzeit von Füßen und Glut: idealerweise geht der Feuerläufer zügig über die Glut, so dass die Füße bei jedem Schritt den heißen Boden nur kurz (weniger als eine halbe Sekunde) berühren. Wegen des Blockierens der Sauerstoffzufuhr durch den Fuß wird die Verbrennung kurzfristig unterbrochen, so dass keine neue Hitze mehr entsteht. Durch den Wärmeaustausch der Glut mit dem Fuß fällt außerdem die Temperatur der Kohle unter den Flammpunkt, so dass die Verbrennung auch nach Ende des Kontaktes nicht sofort wieder einsetzt.

Für das Jahr 2001 verzeichnet das Guiness-Buch der Rekorde einen Feuerlauf, bei dem 22 Menschen im Alter von 7 bis 80 Jahren einen Glutteppich von 111 Metern unversehrt überwanden. Dieser Weltrekord soll 2003 in Frankreich auf 222 Meter verbessert worden sein. Die 16 Teilnehmer sollen keine größeren Blessuren davongetragen haben. Auch dieser Weltrekord wurde am 22. März 2003 in St. Lorenzen/Österreich auf 250 Meter verbessert. Trotz dieser Rekorde empfehlen erfahrene Feuerläufer jedoch, nicht länger als sieben Sekunden auf dem Kohlenbett zu verbringen. Die Füße sollten hierfür gut durchblutet, also bereits vor dem Feuerlauf möglichst warm sein.

Bei Feuerläufen kann es aber auch zu schweren Verbrennungen bis 3. Grades und großen schmerzhaften Brandblasen kommen. Es treten Effekte auf, die sich, zumindest unter den üblichen praktizierten Bedingungen, nicht immer kontrollieren lassen.

 

Märtyrer und Martyrium

Allgemeines zu Märtyrer aus Wikipedia:

Unter manchen „fanatischen“ Christen bestand sogar der Wunsch, als Märtyrer zu sterben. So wird beispielsweise in der Legenda Aurea zum hl. Antonius dem Großen berichtet: „Antonius war von solchem Feiereifer erfüllt, dass er bei den Christenverfolgungen unter Kaiser Maximinian stets dorthin ging, wo Gläubige zu Märtyrern wurden. Damit wollte er sich das Verdienst erwerben, gemeinsam mit ihnen zum Blutzeugen des Glaubens zu werden. Er war aber von Herzen betrübt, dass ihm selbst das Martyrium nicht zuteil wurde.“

 

 

 

 

 

Das sechste Gemälde

 

Die Hinrichtung des hl. Tiburtius am Lavikanischen Weg in Rom

- Deckengemälde im Langhaus -

 

FO MUEN 50

Bild: Albert Lindmeier

 

Im Jahre 1738 schuf der berühmte Künstler Johann Adam Schöpf in der ehemaligen Münsterer Stifts- und heutigen Pfarrkirche St. Tiburtius einen großartigen Gemäldezyklus zum Leben und Sterben des Kirchenpatrons. Finanziert hat dies der Straubinger Chorherr Johann Bartholomäus Höller, ein Adoptivsohn des Bürgermeisters Simon Höller. Dies geschah vor 275 Jahren. Grund genug, diese Gemälde, die den größten Tiburtius-Zyklus der Welt darstellen, näher zu beleuchten. Das vorliegende blutrünstige Deckengemälde zeigt die Hinrichtung des hl. Tiburtius (Ausmaße wie die zwei weiteren Deckengemälde im Langhaus 4,40 m x 4,40 m).

 

In der Legenda Aurea wird Folgendes berichtet:

Dem heiligen Tiburtius befahl man, auf einem Berg glühender Kohlen, die eigens dazu aufgeschüttet worden waren, den Göttern ein Weihrauchopfer darzubringen oder anderenfalls diese Glut mit nackten Füßen zu überqueren. Da schlug er das Zeichen des Kreuzes vor sich, ging ohne zu schwanken mit nackten Füßen darüber und sagte: „Mir ist, als würde ich über Rosenblüten gehen im Namen unseres Herrn Jesus Christus“. Der Präfekt Fabianus aber rief ihm zu: „Jeder weiß doch, dass Christus euch magische Kräfte gelehrt hat !“ Doch Tiburtius entgegnete ihm: „Sei still, du Verfluchter ! Du bist nicht würdig, diesen allerheiligsten, wunderbar klingenden Namen auszusprechen“. Da befahl der Präfekt voller Zorn, dass Tiburtius der Kopf abgeschlagen werde...

 

Bildbeschreibung nach Dr. Riedl-Valder:

„Auf einem zweistufigen Treppenpodest ist in offener Landschaft die gerade vollzogene Enthauptung des hl. Tiburtius dargestellt. Vor zwei Soldaten ist der Leichnam noch in knieender Haltung über einen Block gelehnt. Blutströme rinnen aus dem Hals. Der Kopf des Heiligen liegt abgeschlagen auf der unteren Stufe. Links steht der Henker mit gesenktem Beil und abwehrend erhobener Linken. Engel bringen Märtyrerkranz und -palme. Am rechten Bildrand sieht man den Verräter des hl. Tiburtius (namens Torquatus, lAnm.d.Verf.), einen mit Lorbeer bekränzten heidnischen Opferpriester, der auf eine Apollstatue verweist (siehe J. Braun, Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst, Stuttgart 1943/1964, 700 ff). Zwei Frauen und ein Jüngling auf den Stufen links gestikulieren in Trauer und Entsetzen. Lichtstrahlen, die den Leichnam des Heiligen treffen, gehen von dem Dreieck mit dem göttlichen Auge am Himmel aus. Auf dieses Zeichen der Dreifaltigkeit verweist auch der hl. Tiburtius in einer zweiten Bildszene im Hintergrund rechts, wo er zum Erstaunen seiner Peiniger ohne ein Zeichen des Schmerzes über glühende Kohlen schreitet.“

Es wird berichtet, das sich die Enthauptung des hl. Tiburtius im Jahre 286 n.Chr., im zweiten Regierungsjahr Diokletians, am Lavikanischen Weg am dritten Meilenstein außerhalb der Stadt Rom zugetragen habe.

An anderer Stelle führt Dr. Riedl-Valder zum Vorbild des Gemäldes aus:

Während sein Bruder in Straubing als Pfarrer tätig war, erhielt Schöpf auch den Auftrag für die Ausmalung der ehemaligen Stiftskirche in Pfaffmünster, einer Filialkirche von St. Jakob  in Straubing. Auch hier lassen sich vielfältige Bezüge zu den Werken Cosmas Damian Asams feststellen. Für das Deckenbild im Hauptraum mit dem Martyrium des hl. Tiburtius benützte Schöpf als Vorlage für die Hintergrundszene Asams um 1718 gemaltes Bild „Feuerprobe des hl. Tiburtius“, das sich in der Straubinger Veitskirche befindet. Übereinstimmung bestehen in Typus und Haltung des Heiligen sowie in der Rückenfigur des sitzenden Soldaten. Während die Enthauptung des Heiligen bei Schöpf im Vordergrund steht und die Feuerprobe im Hintergrund, ist die Anordnung auf dem Tafelbild von Asam genau umgekehrt. Der Verräter als Randfigur unter dem Götzenbild dagegen erscheint auffallend ähnlich in dem Deckenbild von C.D.Asam in der Maximilianskapelle von Schleißheim (1721)

 

Ergänzende Anmerkungen des Verfasssers:

Die heidnische Götterstatue, die Tiburtius verehren sollte, hat Schöpf als dominante Figur aus weißem Marmor auf der rechten Bildhälfte dargestellt. Es handelt sich um den griechischen Gott Apollon, der von den Römern als „Apollo“ übernommen wurde. Schöpf hat ihn als „Apollo Kitharoidos“, d.h. mit dem Saiteninstrument der Kithara abgebildet. Es gibt dazu verschiedene noch erhaltene antike Statuen, z.B. in Berlin. Apollon war nach der griechischen Mythologie ein Sohn des Zeus und der Leto und ein Zwillingsbruder der Artemis. Nach Delphi kam Apollon schon wenige Tage nach seiner Geburt, wo er das Orakel beanspruchte, das bisher Gaia gehörte. Delphi wurde zum Zentrum des Apollon-Kultes. Dort fanden auch die „Pythia-Spiele“ zu Ehren des Gottes statt. Sein Kult verbreitete sich in der ganzen griechischen Kulturwelt aus und wurde auch von den Römern übernommen. Apollon war der Gott des Lichtes und des Todes, der Gesetzmäßigkeit, des Rechts und Friedens, der Musik und der Künste sowie der Weissagungen in den Orakelstätten Delphi und Delos. An allen Orten spielte Apollon gerne die Kithara, ein Saiteninstrument, das er selbst erfunden hatte. Es war ein einfaches Instrument mit zuerst drei, seit mykenischer Zeit mit sieben oder mehr Seiten (Manfred Jehle).

 

 

 

Das siebente Gemälde

 

Die Glorie des hl. Tiburtius

- Das Deckengemälde in Chorraum über dem Hochaltar -

 

FO MUEN 51

Bild: Albert Lindmeier

 

Im Jahre 1738 schuf der berühmte Künstler Johann Adam Schöpf in der ehemaligen Münsterer Stifts- und heutigen Pfarrkirche St. Tiburtius einen großartigen siebenteiligen Zyklus zum Leben und Sterben des Kirchenpatrons – den größten Tiburtius-Gemäldezyklus der Welt. Den Abschluss des Gemäldezyklus bildet ein beachtenswertes Deckengemälde, das den Altarraum schmückt (Ausmaße 5,90 m x 5,90 m). Das Fresko, wohl das Schönste des Gemäldezyklus`, stellt die Glorie des Stifts- und Kirchenpatrons St. Tiburtius dar, d.h. nach erlittenem Martyrium seine Aufnahme in den Himmel.

 

Die Kunsthistorikerin Dr. Riedl-Valder beschreibt das Deckengemälde in ihrer Dissertation folgendermaßen (JHVS 93, 1991, S.280):

Vier in Grisaille gemalte Engel (die zwei östlichen mit Märtyrerkranz und -palme) stützen in den Zwickeln gemalte goldfarbene Kämpfer. Von ihnen gehen weite goldkassettierte Scheid- und Gurtbögen aus, die das Gemälde rahmen. Unter der Dreifaltigkeit mit Christus, der die Siegeskrone über ihn hält, kniet der hl. Tiburtius frontal zum Betrachter gewandt in den Wolken. Er trägt einen roten, faltenreichen Mantel und um den Hals ein goldenes Kreuz an blauem Band. Triumphierend zeigt er die Märtyrerpalme vor. Links sitzt die Muttergottes mit blauem Mantel und Sternennimbus und deutet auf den Heiligen. Rechts sieht man die Fahne mit dem Wappen des Kollegiatstifts von Pfaffmünster (ein gespaltenes Wappen: vorn rotes Kreuz und halber Adler am Spalt), den hl. Sebastian mit Helm, Märtyrerpalme und Pfeil und einen weiteren Heiligen (Maximus ?). In den Bildecken sind Engel und Putti, zum Teil Blumen- und Fruchtgebinden, plaziert.

 

Anmerkungen des Verfassers:

Bei dem auf dem Deckengemälde dargestellten „weiteren Heiligen“ handelt es sich nicht um den hl. Maximus, denn dieser überwachte als Hauptmann im Jahr 203 (!) die Hinrichtung der Brüder Valerianus und Tiburtius von Rom (Patrozinium 14. April), der nichts mit unserem Tiburtius (Patrozinium 12. August) zu tun hat. Bei dem Dargestellten könnte es sich vielmehr um den greisen Chromatius handeln, der bereits in ähnlicher Weise auf seinem Krankenbett im Gemälde über der Empore dargestellt ist.