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Die Hörner der Ochsen mit Knackwürsten behängt

 

von Josef Schlicht

 

 

Auf dem Berghof bei Steinach lag ursprünglich nur ein großer Bauernhof. 1821 begann der damalige Berghof-Bauer Martin Hien seinen Besitz zu zertrümmern. Josef Schlicht, der Steinacher Schloßbenefiziat,  widmete diesem Bauern eine Geschichte1:

 

Einen schöneren Bauernsitz muss es nicht gleich gegeben haben, als den Berghof zwischen Münster und Steinach. Er liegt auf einem Vorwaldhügel, der weit in den Straubinger Gäu hinauslacht.

Jetzt ist er schon zertrümmert: der Stadel verschwunden, fünf Sölden aus seinem Sturz emporgewuchert, die Erben des Berghofs in ärmlichen Zinsstuben, der letzte Bergbauer vor fünfzehn Jahren als Besenbinder gestorben. Er war der einzige Sohn, an dem Vater und Mutter mit einer wahrhaft kopflosen Affenliebe hingen. Die Mutter ließ ihm ein Kapuzinerkuttlein schneidern, damit, wie ihr ein dummer Aberglaube vorgaukelte, der kleine Berghofprinz nicht sterben durfte; auch hing sie ihm ein Glöckl um den Hals, damit, wenn er ins nahe Holz lief, der Martinerl ja nicht verloren ging. Der Vater sprach den zweischneidigen Wunsch aus: „Wenn unser Martinerl nur amal so groß war, dass er an Vierazwanzga owern kunnt!“ Und siehe, der Martinerl wurde ein Martl und konnte den ersten Zwanziger, zweimal hunderttausend andere und zuletzt den ganzen Berghof „owern“.

Der sträflich dumme Vaterwunsch erfüllte sich im einzigen Söhnlein schrecklich. Fuhr er in die Stadt, so sammelten sich alle Saufbrüder um ihn, gaben ihm den Schmeicheltitel „Herr Bergbauer“ und zechten ihm die Taschen halb aus. Heimwärts von den Schrannen führte der Martl gewöhnlich den Witz auf, dass er die Hörner seiner vier Wälderochsen mit Knackwürsten behängte. Bei jedem Wirtshaus unterwegs kehrte er ein, gabelte einen Wurstkranz vom Ochsenhorn und hielt alles zechfrei, was nur kommen und trinken und schmausen möchte. Daheim ditschte der ehemalige Martinerl mit ausgestochenen Schlauköpfen: fehlte ihm das Geld, so setzte er einen Bifang, einen Ochsen, eine Kuh, einen ganzen Acker. So ging der schöne, schuldenfreie Berghof Taler um Taler, Stück Vieh um Stück Vieh, Weizenbreite um Weizenbreit zu Trümmern.

Seine zahlreichen Kinder mussten betrübt hinaus in die Welt, der Bergbauer selbst musste zuletzt Besen binden: er trug sie samstags zur Stadt auf derselben Straße, auf der er mit seinem wurstbehängten Viergespann aus den Schrannen heimgezecht hatte. In seinen allerletzten Tagen buk er sich das schwärzeste Kleienbrot und grub sich die liegengelassenen, halbverfaulten Erdäpfel aus dem Schnee.

Und dennoch, als man ihn fragte, wie er es nun mit dem Berghof machen würde, wenn er nochmals anfangen könnte, sagte er: „Grad a so tat i’s wieda macha!“ Aber nachgemacht hat es ihm keiner von den umliegenden Bauern.

 

 Berghof Uraufnahme 2

Die Nr. 66 gehörte alles zum Berghof

 Uraufnahme aus dem Jahr 1827
Quelle: Bayerische Vermessungsverwaltung München, Bayernatlas

 

 

 

Zum Hintergrund der Geschichte:

Die Eltern von Martin, Johann Georg Hien und seine Ehefrau Anna Maria, eine geb. Bachl von Unterparkstetten, hatten bereits sechs Kinder im Säuglingsalter verloren, bevor endlich der siebte Sohn Martin gesund geboren wurde und auch das Erwachsenenalter erreichte.

- Zwillinge Anna Maria und Franz Xaver *31.01.1774 +14. und 12.02.1774, 2 Wochen
- Johann Georg *31.01.1774 +12.02.1774, 12 Tage
- Johann Georg *07.08.1776 +01.10.1776, 1 Monat
- Theresia *11.10.1777 +13.11.177, 1 Monat
- Franz Xaver *06.05.1779 +08.05.1779, 12 Tage
- Martin *03.11.1781 + 15.03.1856, 74 J.  o.g. Hoferbe
- Johann Georg *08.05.1783 +30.05.1783, 3 Wochen
- Anna *16.07.1790

Der Wunsch der Eltern und die damit verbundene Fürsorge, dass dieses Kind das Kindesalter überlebte ist verständlich.

Am 28.03.1800 übernimmt Martin mit 19 Jahren den Hof von seinen Eltern. Seine erste Ehefrau stammt aus dem großen "Söldner-Hof" von Bärnzell mit ca. 300 Tagwerk Grundbesitz. Am 12.09.1808 kommt der erste Sohn zur Welt, der jedoch nach vier Wochen an "Fraisen" stirbt. Seine Ehefrau ist gesundheitlich angeschlagen und stirbt 6 Monate nach der Geburt. Knapp sieben Wochen nach ihrem Tod, heiratet der junge Witwer erneut. Aus der Ehe gehen zehn Kinder hervor, von denen neun das Erwachsenenalter erreichen:

- Joseph: *1810 gest. in Dillingen
- Johann Georg: *1812 +1893 Hoferbe
- Walburga: *1814 +1836 22 J. an der Roten Ruhr
- Martin: *1816 +1845, 28 J. an hektischem Fieber
- Anna Maria: *1818 +1896 a.d. Berghof, 77 J. hatte fünf ledige Kinder von fünf Väter
- Johann Baptist: *1820 +1822, 2 J. an Nervenfieber
- Maria Anna: *1823 +1900  verh. Schmitzberger, Gütlerin in Moos Nr. 82 (drei uneheliche Kinder)
- Johann Michael: *1825
- Theresia: *1828, hatte vier ledige Kinder von zwei Väter
- Mathias: *1831

 

Ab 1821 verkauft Martin Hien Grundstücke vom Hof. Als erstes wird das Nebenhaus des Hofes (Nr. 2) an Johann Neuberger verkauft. Im Laufe der Zeit folgen weitere Verkäufe von Äcker, Wiesen und Wälder. Bei der Übergabe an den Sohn Johann Georg hat der einst ca. 100 Tagwerk große Hof nur noch 28 Tagwerk (≅ 9,5 ha).
Am 17.02.1843 übernimmt Sohn Johann Georg Hien den Hof von seinem Vater. Der Hof hatte zwar nicht mehr seine stattliche Größe, jedoch noch groß genug um eine Familie zu ernähren. Wahrscheinlich war er jedoch mit Schulden belastet, denn 10 Jahre später verkauften Johann Georg und Barbara Hien den Hof und zogen nach Riederszell. 1862 kauften sie sich wieder auf den Berghof ein und tauschten schließlich 1865 auf den elterlichen Hof zurück, der nur noch 6 Hektar (17 Tagkwerk) umfasste.

Dieser Johann Georg Hien dürfte also auch der o.g. Besenbinder gewesen sein, der sich mit der Tätgkeit noch seinen Lebensunterhalt dazuverdiente.

Tragisch war der finanzielle Verlust auch für die weiteren Kinder des Martin Hien. Da wahrscheinlich kein Geld für die Mitgift vorhanden war, hatten sie kaum Möglichkeit irgendwo einzuheiraten und mussten sich ihren Lebensunterhalt als Knechte und Mägde verdienen. Seit 1834 gab es in Bayern ein strenges Ansässigmachungsgesetz. Nur wer Immobilienvermögen oder ein geregeltes gutes  Einkommen hatte (was bei Mägden und Knechte nicht der Fall war), bekam eine Heiratserlaubnis. Durch diese Regelung kam es auch zu einem enormen Anstieg der unehelichen Kinder im 19. Jahrhundert. So hatten drei Töchter des Martin Hien uneheliche Kinder und nur eine von ihnen heiratete später. Von den zwei jüngeren Söhnen ist der weitere Lebensweg unbekannt.

 

Die Geschichte und Besitzer des Berghofes finden Sie unter: Berghof

 

1 veröffentlicht von Agsteiner Hans in Steinach - Heimatgeschichte der Gemeinde Steinach, 1996

Personendaten aus den Matrikel der Pfarrei Pfaffmünster

recherchiert von Claudia Heigl